Die grösste Demokratie der Welt, Indien, ist auch die global viertgrösste Volkswirtschaft. Das Bruttoinlandprodukt (BIP) des Landes wird heute auf rund 3,3 Billionen Dollar geschätzt. Dies entspricht dem 13-fachen desjenigen der Schweiz. Jährlich wächst die indische Wirtschaft um durchschnittlich 6,2% die Schweizer Wirtschaft bringt es gerade einmal auf 1,3%. Experten sind sich einig, dass sich das indische Wirtschaftswunder mit Wachstumsraten von bis 7% noch mindestens bis 2010 fortsetzen wird. Antreiber der Entwicklung ist die weltweit grösste Mittelschicht eines Landes mit 350 Mio Menschen. Diese wächst, zusammen mit ihrer Kaufkraft, kontinuierlich.
Vorteil gegenüber China
Mit 1,1 Mrd Menschen hat Indien heute nach China das zweitgrösste Volk der Welt. Rund ein Viertel der indischen Bevölkerung befindet sich in der produktivsten Altersgruppe der 20- bis 35-Jährigen. Das durchschnittliche Alter der Bevölkerung beträgt heute 24 Jahre. Im mit Indien vergleichbaren China liegt als Folge der Ein-Kind-Politik das Durchschnittsalter bereits bei 30 Jahren, im Vergleich dazu in den USA bei 36 und in der Schweiz bei 40,3 Jahren. Die Überalterung in den westlichen Ländern und die damit gekoppelten Probleme im Arbeitsmarkt und der Altersvorsorge kennt man hier nicht. Die demografischen Voraussetzungen in Indien sind langfristig als global bedeutender Vorteil zu werten. Berechnungen gehen davon aus, dass der chinesischen Wirtschaft bis im Jahr 2020 rund 10 Mio arbeitsfähige Menschen fehlen werden. Demgegenüber wird Indien in 15 Jahren einen Überschuss von rund 47 Mio Menschen aufweisen, viele davon zudem hervorragend ausgebildet.
Die Wirtschaft Indiens befindet sich seit Jahren in einem stetigen Wachstum. Dieses ist vor allem durch den Binnenmarkt getrieben. Die Exporte belaufen sich heute erst auf 12% des BIP. Dies dürfte sich in Zukunft ändern. Das Land unternimmt grosse Anstrengungen zur Verbesserung der Infrastruktur. In wenigen Jahren wird Indien, wie auch China bereits heute, zu den verarbeitenden Industrien wechseln und Rohstoffe einführen und Fertigwaren ausführen. Es ist eine Frage der Zeit, bis der Subkontinent im Wettbewerb mit den westlichen Industriestaaten und mit China gleichziehen wird.
Boomender Kreditmarkt
Ein Indikator für die weiter zunehmende Industrialisierung und den Übergang Indiens zur Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft ist der boomende Kreditmarkt: Innerhalb von nur drei Jahren hat er sich von 8 Mird Dollar auf 19 Mrd Dollar mehr als verdoppelt. Auch im Bereich der Konsumgüter sind die Zahlen beeindruckend. Jeden Monat kommen 1,5 Mio neue Handynutzer zu den bereits vorhandenen 30 Mio hinzu. Sowohl die Inhaber von Fahrzeugen wie auch von Fernsehern werden sich gemäss Schätzungen bis in fünf Jahren verdoppelt haben. Europäische Unternehmen haben die Qualität der indischen IT-Industrie vor ein paar Jahren bereits erkannt. Bisher kaum beachtet, hat sich die im Westen unterschätzte indische Pharmaindustrie entwickelt. Nirgendwo ausserhalb der USA produzieren heute so viele hoch entwickelte Labors pharmazeutische Produkte, welche durch die US-amerikanische FDA (Food and Drug Administration) zugelassen sind, wie in Indien. Der Anteil der indischen Pharmaindustrie an der globalen Produktion beträgt heute bereits 8%.
Hoch entwickelte Kapitalmärkte
Die Kapitalmärkte Indiens sind bereits voll entwickelt: Der NSE (National Stock Exchange) ist heute in Bezug auf die Handelsvolumina der drittgrösste, der BSE (Bombay Stock Exchange) der fünftgrösste und zugleich älteste Börsenplatz Asiens (gegründet 1875). Die Einschränkungen der Eigentumsrechte von ausländischen Unternehmen sind in den letzten Jahren von der Regierung laufend gelockert worden. So können ausländische Banken heute bis zu 49% an indischen Unternehmen halten. Mit dem Aufbrechen bisheriger Monopole gewinnen ausländische Investoren zunehmend Vertrauen. So hat die California Public Employees' Retirement Systems (CaIPERS), welche ein Kapital von 166 Mrd Dollar managt, Indien als Schwellenland für Investitionen nominiert und die Bewilligung der indischen Marktüberwachungsorganisation SEBI (Stock Exchange Board of India) erhalten.
Boomende Fondsindustrie
Die Anzahl zugelassener Fonds im Land steigt rapide an. Allein im letzten Jahr erhielten zudem 77 ausländische Fonds die Registrierung durch die SEBI. Mit den in den letzten Monaten zugelassenen 31 ausländischen Fonds sind heute in Indien 583 Auslandfonds registriert. Weitere Registrierungen werden erwartet, da die indische Regierung erst kürzlich die Steuerzahlungen für langfristigen Vermögenszuwachs den Investoren erlassen und damit zusätzliche Anreize für Investitionen in Indien geschaffen hat. Die direkten Auslandsinvestitionen werden bereits dieses Jahr die Grenze von 5 Mrd Dollar überschreiten.
Energiemärkte stimulieren Binnenmarkt
Das Investitionsvolumen in die Infrastruktur für die nächsten drei bis fünf Jahre wird auf 100 Mrd Dollar geschätzt, wobei die Energiemärkte als stärkste markttreibende Kräfte den Binnenmarkt stimulieren. Die Dimensionen in Indien sind verlockend. Deshalb ist es Investoren dringend zu empfehlen, mit Institutionen zusammenzuarbeiten, die den indischen Markt und seine Finanzprodukte kennen und die Entwicklungen realistisch abzuschätzen wissen. Da aufgrund der stagnierenden Märkte in Europa Investoren gerne dazu neigen, die Schwellenländer als Goldgruben zu idealisieren, laufen Anleger Gefahr, Risiken falsch einzuschätzen. Für den realistisch und langfristig denkenden Investor bieten sich in Indien mit seiner dynamischen Wirtschaft jedoch grosse Chancen. Diese zu nutzen, stellt eine grosse Herausforderung an die Professionalität und Flexibilität der Finanzinstitute dar.
Vijey Kapoor, Regional Director, Indischer Subkontinent, Forsyth Partners (Switzerland) AG, Zürich.