Die Möglichkeiten für Kostenreduzierungen in der Wertschöpfungskette liegen nicht mehr allein im Verhandlungsgeschick des Einkäufers, sondern auch in der frühzeitigen Beeinflussung der Materialkosten im Produktentwicklungsprozess, der gemeinsamen Verbesserung von Logistikprozessen an der Schnittstelle zum Lieferanten oder in gemeinsamen Kostenreduzierungsprojekten mit Lieferanten. Ähnliches gilt für Qualitätsverbesserungen von zugelieferten Produkten und Materialien und die Erhöhung der Flexibilität in der Entwicklung und Herstellung von Produkten.

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Wesentlicher Faktor

Enorm an Bedeutung gewinnt der Beitrag von Lieferanten zur Innovationsfähigkeit des Unternehmens. Erfolgreichen Unternehmen gelingt es, Technologien auf den Beschaffungsmärkten frühzeitig zu erkennen und diese in die eigenen Produkte zu integrieren. Die Fähigkeit von Unternehmen zur Hervorbringung und Vermarktung von Innovationen gilt seit jeher als wesentlicher Faktor für den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg.

So konnte Porsche Ende der 90er Jahre seinen Kunden als erster Automobilhersteller eine Carbon-Keramik-Bremsscheibe anbieten – andere Automobilhersteller erst einige Jahre später. Porsche bewies so seine Stellung im Markt als innovatives Unternehmen. Möglich war dies nur durch die intensive Zusammenarbeit mit dem Automobilzulieferer SGL im Innovationsprozess.

Identifizieren und binden

Die Kompetenz eines Unternehmens zur Innovation beruht mehr denn je auf der Fähigkeit, neue Produkte und Dienstleistungen in einem zielgerichteten und mehrstufigen Prozess im Verbund mit anderen Unternehmen zu entwickeln und am Markt zu platzieren. Innovation vollzieht sich nicht nur im Unternehmen selber, sondern sollte als interaktiver Prozess zwischen Unternehmen gesehen werden. Neben den Kunden können Lieferanten hier eine wichtige Rolle spielen.

Die Ausschöpfung des Innovationspotenzials von Lieferanten geht jedoch weit über die bisher häufiger betriebene «Auslagerung von Entwicklungsaufgaben» oder «Integration von Lieferanten in den Produktentwicklungsprozess» hinaus. Hier ist die Fähigkeit zur Identifikation zukünftiger Technologien auf den Beschaffungsmärkten gefragt. Diese Technologien mögen heute noch gar nicht kommerziell nutzbar sein. Aber nur wenn Innovationslieferanten frühzeitig an das eigene Unternehmen gebunden werden, kann der Abnehmer die Kommerzialisierung zu seinen Gunsten lenken.

Siemens bezieht von traditionellen, etablierten Unternehmen Produkte und Materialien und erwartet Produktivitätsverbesserungen im Zeitverlauf (siehe Abbildung Produktivitäts- und Innovationslieferanten). Am anderen Ende stehen oftmals junge Unternehmen wie Start-ups, Spin-offs oder innovative Business Units grösserer Unternehmen, die neue Ideen generieren und über Freiräume für die Entwicklung neuer Technologien verfügen. Innovationslieferanten besitzen teilweise nicht das Know-how und die Ressourcen, um neue Technologien kommerziell nutzbar zu machen. Abnehmer wie Siemens, die über die Kompetenz zur Identifikation, Unterstützung und Bindung solcher Lieferanten verfügen, können langfristig dieses Innovationspotenzial ausschöpfen.

Grundvoraussetzung

Unternehmen, die das Innovationspotenzial von Lieferanten besser ausnutzen möchten, sollten zunächst mit der Umsetzung eines umfassenden und systematischen Lieferantenmanagements beginnen. Führende Unternehmen verstehen Lieferantenmanagement als einen Managementprozess, der Planungs-, Umsetzungs- und Kontrollschritte umfasst (siehe Abbildung Komponenten eines umfassenden und systematischen Lieferantenmanagements).

Ziel des Managements der Lieferantenbasis ist der Aufbau und die Sicherung eines Stamms qualifizierter Lieferanten, die langfristig den eigenen Anforderungen gerecht werden. Hierzu gehört die Segmentierung und Optimierung der Lieferantenbasis genauso wie die Lieferantenauswahl und -auditierung. Immer wieder stellen Unternehmen bei der Erarbeitung einer Lieferantenstrategie oder bei einer Lieferantenbewertung fest, dass ihre Lieferanten den Anforderungen nicht aus eigener Kraft gerecht werden können oder Probleme in der Zulieferung verursachen. Durch Massnahmen der reaktiven oder präventiven Lieferantenentwicklung soll deshalb die Wettbewerbsfähigkeit des Lieferanten und damit des eigenen Unternehmens erhalten bzw. gesteigert werden.

Unternehmen streben zunehmend nach einer engen Zusammenarbeit mit Lieferanten und integrieren diese in die eigenen Geschäftsprozesse. Bei der Lieferantenintegration werden die Ressourcen des Abnehmers mit den Ressourcen und Fähigkeiten seiner Lieferanten kombiniert und gemeinsam in den Geschäftsprozessen umgesetzt. Darunter fallen Massnahmen zur Integration des Lieferanten in die Wissensphase (Neuproduktentwicklung) und in die Industrialisierungsphase (Prozessentwicklung und Produktion).

Würden Unternehmen ein solch «stringentes» und «idealtypisches» Lieferantenmanagement betreiben, wären sie gut positioniert, um das Innovationspotenzial der Lieferanten ausnutzen zu können. Doch die Unternehmenspraxis ist vielfach noch nicht so weit.

Nicht im Alleingang

Die Beschaffung kann im Alleingang weder ein Lieferantenmanagement auf- und umsetzten, noch innovative Lieferanten identifizieren und binden. Wenngleich der Einkaufsleiter zwar die Optimierung des Lieferantenmanagements vorantreiben sollte, ist hier die viel zitierte «cross-funktionale» Zusammenarbeit gefragt. In der Praxis stellt die Zusammenarbeit der Beschaffung mit anderen Funktionen im Unternehmen, wie Forschung & Entwicklung, Engineering oder Vertrieb, allerdings oftmals eine der grössten Herausforderungen dar. Die besten, von Stabsstellen in der Beschaffung ausgearbeiteten Prozesse und Tools nützen nichts, wenn sie später im operativen Umgang mit den Lieferanten nicht angewandt werden.

Fazit: Vor dem Hintergrund einer weiterhin sinkenden Fertigungs- und Entwicklungstiefe steigt die Bedeutung der Lieferanten als Innovationsquelle. Um einen möglichen Wettbewerbsvorsprung zu sichern, sollten sich Unternehmen intensiv mit ihren Lieferanten auseinandersetzen, ein systematisches Lieferantenmanagement aufbauen und die Beziehung zu den Lieferanten aktiv gestalten. Insbesondere bei der Ausschöpfung des Innovationspotenzials ihrer Lieferanten stehen viele Unternehmen erst am Anfang.