Der Trend hin zu dienstleistungsorientierten und wissensbasierten Firmen hat dazu beigetragen, dass der durchschnittliche Wertanteil von immateriellen Vermögenswerten am Gesamtwert der Unternehmen in den letzten 30 Jahren stetig zugenommen hat (siehe Grafik).

Die Basis für das heutige Rechnungswesen wurde bereits vor 500 Jahren vom italienischen Mönch Luca Pacioli gelegt. Obwohl laufend Anpassungen vorgenommen wurden, haben es die Accounting Standard Boards nach wie vor nicht geschafft, eine befriedigende Lösung für die Abbildung von immateriellen Vermögenswerten zu präsentieren. Die Schwierigkeit liegt darin, dass die immateriellen Vermögenswerte, die sogenannten Intangibles, ohne physische Substanz und somit schwer greifbar sind. Die wichtigsten immateriellen Vermögenswerte sind die Mitarbeitenden, Marken, Kundenbeziehungen, und technologischen Entwicklungen.

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Eine Reihe von Herausforderungen in der Bewertung der Intangibles verhindern, dass diese angemessen im Rechnungswesen erfasst werden. Immaterielle Vermögenswerte sind meistens einzigartig und werden kaum gehandelt. Es lässt sich also weder direkt ein Marktpreis ablesen, noch gibt es ausreichend Vergleichsdaten, die für eine Marktbewertung verwendet werden könnten. So genannte Ertragswertverfahren beruhen auf einer Vielzahl von Annahmen über die zukünftige Generierung von Cashflow und sind somit aufgrund der Subjektivität in der Zukunftseinschätzung und der Zuordnung zu den einzelnen Intangibles auch nur bedingt geeignet.

Zusätzlich sind Intangibles im Gegensatz zu Tangibles nur beschränkt im Besitz respektive unter Kontrolle von Unternehmen. Während man ein Gebäude besitzen kann, sind die Kontrollmöglichkeiten für Mitarbeitende oder Kundenbeziehungen deutlich geringer. Diese mangelnde Kontrolle und die Schwierigkeit, Intangibles zu bewerten, dürften Hauptgründe sein, warum diese nicht oder nur unvollständig im finanziellen Rechnungswesen erfasst werden.

Nicht unter Kontrolle

Die Accounting Standard Boards IASB und FASB haben versucht, auf die zunehmende Wichtigkeit der immateriellen Vermögenswerte zu reagieren und diese im finanziellen Ausweis von Unternehmen teilweise einzuschliessen. Dieser Einschluss ist bisher nur unvollständig erfolgt, was heute zu einer Reihe von fragwürdigen Gegebenheiten im Finanzabschluss führt:

• Während Investitionen in materielle Vermögenswerte als solche ausgewiesen werden, sind Investitionen in immaterielle Vermögenswerte vorwiegend als Aufwand in der Erfolgsrechnung zu erfassen.

• Die Kriterien für die bilanzielle Erfassung von intern generierten immateriellen Vermögenswerten sind sehr restriktiv, während erworbene Intangibles in der Bilanz aktiviert werden müssen. Dies führt zu der fragwürdigen Tatsache, dass beispielsweise erworbene Marken und Kundenbeziehungen in der Bilanz erfasst sind, nicht aber die selbstgeschaffenen Marken und selbstaufgebauten Kundenbeziehungen.

• Die aufgelaufenen Kosten für bestimmte selbstgeschaffene immaterielle Vermögenswerte, wie beispielsweise technische Entwicklungen, können aktiviert werden. Im Rahmen eines Unternehmenskaufes erworbene technische Entwicklungen werden zum Fair Market Value bilanziert, was zu einer signifikant unterschiedlichen Bewertung desselben Intangibles führen kann.

Nebst den technischen Schwierigkeiten, welche mit einer Fair-Market-Value-Bewertung und bilanziellen Erfassung von immateriellen Vermögenswerten einhergehen, besteht ein relativ geringes Interesse bei den einzelnen Berufsständen, dies zu ändern. Aus Sicht der Wirtschaftsprüfung führen Fair-Market-Bewertungen von Intangibles zu mehr Risiko. Analysten sind nicht wirklich an zusätzlicher allgemeiner Transparenz interessiert, weil sich sonst ihr Wissensvorteil reduziert. Für Mitarbeitende im Rechnungswesen würde die Abschlusserstellung aufwendiger, wenn immaterielle Vermögenswerte generell zu bewerten wären.

Fehlbewertungen in der Praxis

Warum kann diese ungenügende Erfassung von immateriellen Vermögenswerten in der Praxis zu Fehlbewertungen von Unternehmen führen? Stellen wir uns die Unternehmen A und B vor, die grundsätzlich identisch sind, nur dass A wesentlich mehr Marketingaufwendungen tätigt, um ihren Markenwert und die Kundenbeziehungen auszubauen. A weist aufgrund dieser Aufwendungen momentan einen tieferen Gewinn aus. Kommt beispielsweise ein Gewinn-Multiplikator zur Anwendung, würde die Firma B höher bewertet, obwohl A wesentliche Investitionen in die Zukunft getätigt hat und wahrscheinlich grösseres Wachstum verzeichnen wird.

In cashflowbasierten Bewertungsverfahren ist der Verzerrungseffekt geringer, da sich der Effekt einer Nicht-Aktivierung von Investitionen lediglich in der unmittelbaren Abschreibung statt einer Abschreibung über einen bestimmten Zeitraum manifestiert.

Obwohl in der Praxis eine wenig verbreitete Bewertungsmethode, würde sich bei der Substanzwertmethode der Effekt einer Nicht-Bilanzierung von Intangibles besonders stark auswirken. Geht man von der Bilanz aus, um den Unternehmenswert zu bestimmen, und berücksichtigt die Intangibles nicht oder nur diejenigen, die käuflich erworben wurden, kann dies zu einer signifikanten Unterbewertung einer Unternehmung führen.

Die momentane Behandlung von immateriellen Vermögenswerten in der Rechnungslegung und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Bewertung können so nicht langfristig Bestand haben. Wenn die kommenden grossen Entwicklungen wie erwartet im Bereich der Biotechnologie statffinden sollten, dann wird die Bedeutung von Intangibles noch weiter steigen und die Standard Boards werden reagieren müssen, um die Relevanz der durch das traditionelle Rechnungswesen bereitgestellten Informationen hochzuhalten.