TV-Serien wie «Das Internat - Schule wie vor 50 Jahren» (in SF DRS) oder «Zusammen sind wir stärker - Alltag im deutschen Eliteinternat Schloss Salem» (in «Arte») haben die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Internate gelenkt. Dabei brauchten viele der 90 Schulen in der Schweiz diesen Rummel gar nicht. Denn aufs jetzt beginnende Schuljahr melden sie: «Ausgebucht». Am St. Antonius in Appenzell werden bereits lange Wartelisten geführt, und das Gymnasium Immensee registriert bei den Neuanmeldungen Rekordwerte. Andere renommierte Schulen wie das Institut Beatenberg oder die Evangelische Mittelschule Schiers erfreuen sich reger Nachfrage.

Was eben noch als «Paukerstudios für minder begabte Sprösslinge der Reichen» oder «Sammelbecken für Schwerpubertierende» abgeurteilt wurde, ist wieder «in». Ein Fünftel aller deutschen Eltern würde laut einer Umfrage die Kinder am liebsten auf Privatschulen oder in ein Internat schicken. «Unsere grossen Internate leben zu zwei Dritteln von ausländischen Schülern, am stärksten von Deutschen», erklärt Markus Fischer, Generalsekretär des Verbandes Schweizerischer Privatschulen (VSP).

*Strenge Regeln für Reiche*

Institut Montana Zugerberg mit 150 Internatsschülern aus 40 Nationen. Nebst der eidgenössischen Matura wird hier das englischsprachige «International Baccalaureate» (IB) angeboten. Es öffnet den Absolventen einen fast globalen Zugang zu den Hochschulen. Am Elternbesuchstag glänzen auf dem Parkplatz Marken wie Bentley, Mercedes, Jaguar, Rolls-Royce. Rektor Oliver Schmid betont zwar: «Wir sind nicht nur eine Schule für die Steinreichen, sondern auch für die oberste Mittelklasse.» 52000 Fr. müssen die Eltern für ein Schuljahr hinblättern, was doppelt so viel ist wie etwa in Immensee. Dafür gibt es individuellen Unterricht in kleinen Klassen, internationales Flair, Diskretion.

Das Freizeit-Angebot mit Tennis, Reiten, Golf, Winterferien im Engadin und einem Segeltörn im Frühling lässt keine Wünsche offen. Allerdings geniessen Ausbildung und Erziehung Priorität. Es gibt einen Dresscode und strenge Regeln: Verboten sind sichtbare Piercings oder Tatoos. Wer beim Kiffen zum zweiten Mal erwischt wird, fliegt. Die Schüler sollen zu Persönlichkeiten mit hohem Selbstwertgefühl reifen. Der Leistungsausweis für dieses Konzept ist die lange Reihe erfolgreicher Ehemaliger: Bush-Herausforderer John Kerry, François Loeb, Nicolas Hayek, Hollywood-Regisseur Marc Forster...

*Der Spielraum ist eng*

Die wirtschaftlichen Herausforderungen in einem Internat sind ähnlich wie in einem Hotel. Unterricht, Betreuung, Unterkunft samt Verpflegung und Wäschewaschen sowie begleitete Freizeitangebote führen zu hohen Personalkosten. Schmid beziffert sie auf 75%. Eine optimale Auslastung ist deshalb Gebot, ein paar Schüler mehr oder weniger können über rote oder schwarze Zahlen entscheiden. Das Hochalpine Institut Ftan und das Lyceum Alpinum Zuoz stürzten vor zwei Jahren in eine Krise, als sie wegen der Verkürzung des Gymnasiums von sieben auf sechs Jahre auf einen Schlag massiv Schüler verloren. Der Umsatz in Zuoz sank von 17 auf 14,5 Mio Fr.

Die Rechnung konnte laut Finanzchef Duri Bezzola nur ausgeglichen werden dank den Gönnern im «Zuoz Club», einem Netz der Ehemaligen, das die Aktienmehrheit an der Schule besitzt. Die Liste dieser Alumni reicht von Swisscom-Chef Jens Alder über Privatbankier Bénédict Hentsch, Kaffee-Spross Constantin Jacobs bis zu Gunter Sachs und Ferdinand Porsche. Dank globalem Marketing, das Schüler auch aus den GUS-Staaten, China und Brasilien ins Engadin lotst, ist das Internat mit seinen 200 Betten wieder voll. Ein Jahr in Zuoz kostet in der englischsprachigen Abteilung 58500 Fr. Das Hochalpine Institut Ftan hat sich mit Sportklassen unter dem Label von Swiss Olympic aus der Krise gehievt.

*Gärtner oder Bodyguards*

Noch teurer ist das Institut auf dem Rosenberg in St. Gallen. Das Schuljahr kostet hier mit allen Freizeit-Extras 70000 Fr. «Die Auslastung ist gut, die Ertragslage gesund», betont VR-Präsident Otto A. E. Gademann. Auf dem Rosenberg wird mindestens so häufig Englisch und Russisch wie Deutsch gesprochen. Die Absolventenliste bleibt aus Sicherheitsgründen streng geheim. Unten in der Stadt hält sich das Gerücht, dass viele der auffällig zahlreichen Gärtner auf dem parkähnlichen Gelände in Wahrheit Bodyguards sind. Bei den Zöglingen handelt es sich laut Rosenberg-Sprecherin Monika Schmid um die Söhne und Töchter von Industriellen, Ärzten, Grossgutsverwaltern (sprich: Adeligen) sowie Prominenten aus Film und Fernsehen. Sie sollen hier nicht nur Wissen futtern, sondern konservative Werte wie Disziplin und korrektes Benehmen lernen.

Gut besucht, wieder rentabel - hat VSP-Präsident Fischer in Bezug auf Internate einen Wunsch? Er klagt über die mangelnde Unterstützung durch den Bund, vor allem in der Frage der Zertifizierung. Ein einheitliches Qualitätslabel mit internationaler Ausstrahlung wäre aber nötig, damit sich Schweizer Internate längerfristig gegen Konkurrenten aus England und Australien behaupten könnten.

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