Wissen ist Macht. Besonders mächtig sind Fakten, wenn sie irgendwo im Unternehmen stecken bleiben und nicht zu einer Reaktion führen. Beispielsweise das Wissen um eine sich anbahnende Lieferverzögerung. Eine Befragung von Führungskräften in 105 deutschen Grossunternehmen hat gezeigt, wie häufig heikle Botschaften zur Schneckenpost werden: In mehr als 30% der befragten Firmen dauert es zum Beispiel länger als drei Tage, bis Berichte über sich abzeichnende Probleme den Vorstand bzw. die Geschäftsleitung erreichen.

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In rund 15% braucht die Hiobsbotschaft sogar länger als sieben Tage. Die vom Business Application Research Center (Barc) Würzburg durchgeführte Studie ergab zudem, dass nur 40% der Unternehmen kritische Geschäftsprozesse in ihrer Lieferkette, in der Produktion oder Entwicklungen auf den Absatzmärkten automatisch überwachen.

Psychologie der schlechten Nachricht

Bedenkt man, welche Wirkung schlechte Nachrichten im allgemeinen haben, ist nicht deren Verzögerung erstaunlich, sondern die Tatsache, dass sie überhaupt weitergegeben werden. Warum sollte man sich absichtlich unbeliebt machen? Die Kollegen zwingen, noch einmal diesmal genauer nachzurechnen?

Wie ungemütlich es in der Regel wird, wenn Differenzen auf den Tisch gelegt werden, wissen wir alle. «Schweigen ist Gold» wer schweigt, erfreut sich grösserer gesellschaftlicher Akzeptanz als derjenige, der den Finger auf wunde Punkte legt. Fördert Schweigen nicht die Harmonie der Beziehungen und lässt uns in Ruhe unsere Arbeit tun?

Filter mittleres Management

Besonders stark in Versuchung, den Deckmantel des Schweigens auszubreiten, sei das mittlere Management, erklärt Stefan Gürtler, Dozent für Unternehmenskommunikation an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Allerdings befinde sich dieses auch in einer besonders schwierigen Position: «Es muss nach unten und nach oben kommunizieren.»

Studien hätten gezeigt, dass Angehörige dieser Kaderschicht rund 40% ihrer Zeit mit der Weitergabe von Informationen verbringen. Auf dieser Stufe würde die Information entsprechend angepasst, sowohl in ihrer Menge als auch in ihrem Informationsgehalt. «Aufgrund des hohen Drucks ist die Versuchung gross, das zu sagen, was die jeweilige Zielgruppe hören möchte.»

Kaum erstaunlich, dass eine ebenfalls häufig praktizierte Strategie sei, Probleme erst einmal zu verschweigen in der Hoffnung, sie lösten sich von selbst.

Datensalat fördert Schneckenpost

Die Verantwortlichen der eingangs erwähnten Studie sehen den Grund für Informationsstau primär in der Technik. Was auch daran liegen könnte, dass einer der Auftraggeber der Studie ein Hersteller von Business Software ist. Nichtsdestotrotz ist ein Resultat der Untersuchung erstaunlich: durchschnittlich liefern rund acht unterschiedliche Informationssysteme konzernweit Daten für Reporting und Planung. Die Nennungen reichten von einem bis zu sechzig Systemen.

IT-Verantwortliche von KMU benötigen hierzulande wohl kaum Sensibilisierung in diesem Thema viele von ihnen haben alle Hände voll zu tun, um die verschiedenen unternehmensinternen Systeme aufeinander abzustimmen. Verschiedentlich ertönte in letzter Zeit aus ihren Kreisen der Ruf nach einem neuen Berufsbild: Ein «IT-Architekt» solle das Übel der inkompatiblen Systeme dereinst an der Wurzel packen.

Kollektive Scharfsicht statt Blindflug

Lieber sofort anpacken wollte man die Problematik beim Glarner Schokoladespezialisten Läderach. Dort wurde vor vier Jahren ein ERP-System eingeführt, das zwar eine Fülle von Daten lieferte, deren Auswertung aber eher erschwerte. «Wir wollen nicht jede Woche eine Liste mit denselben, aktualisierten Daten», erklärt Marcel Füllemann, Leiter des Bereichs Finanz und Logistik, «wir wollen spezifische Informationen und zwar genau dann, wenn wir sie benötigen.»

Die Lösung für das Problem fand man in einer Business Software, die seither bedarfs- und stufengerechte Informationen liefert. Nach wie vor bleibt es auch bei Läderach Aufgabe der einzelnen Mitarbeitenden, die erhaltenen Fakten zu interpretieren, doch dies sei, meint Füllemann, «eine Management-Aufgabe das altbekannte Thema: Den Fokus auf die richtigen Dinge setzen.»

Gelohnt habe sich das Investment für die Firma aber auf jeden Fall, bestätigt Geschäftsleitungsmitglied Füllemann, denn eine positive Nebenwirkung sei: «Information ist eine Holschuld geworden.» Da jetzt alle Mitarbeitenden Zugang haben zu denjenigen Informationen, die sie an ihrer Position brauchen, liegt es in ihrer Verantwortung, sie auch tatsächlich abzurufen. «Den Satz hören wir seither sehr viel seltener», beobachtet Füllemann. Genau-Hinschauen ist zur kollektiven Haltung im Unternehmen geworden.

Fundamentaler Kulturwandel nötig

Ein offenerer Umgang mit Fakten und insbesondere auch Fehlern sei wünschenswert, der Weg dahin aber noch weit, weiss Kommunikationsprofi Stefan Gürtler: «Hier ist ein fundamentaler Kulturwandel nötig. Wir sind primär eine Leistungs- und Erfolgsgesellschaft, Offenheit gegenüber oben ist uns noch ziemlich fremd.»

Viele Organisationen senden offen oder unausgesprochen die Botschaft, dass bei ihnen Duckmäuser die grössten Chancen haben, Job und Karrierechancen zu behalten. Für Stefan Gürtler ist deshalb klar: «Die Gestaltung der internen Kommunikation ist Chefsache. Die oberste Führung muss die richtigen Zeichen setzen und mutige Kommunikation positiv bewerten.» Im Klartext: nicht nur Ja-Sager befördern und als Chef auch in schwierigen Zeiten hinter den Mitarbeitenden stehen.



Nachgefragt: «Eine hohe Bedeutung für den Informationsfluss kommt dem CEO zu»

Philip Meier, Geschäftsführer der «m-und AG» in Zürich, Fachreferent an der Fachhochschule Nordwestschweiz und Autor des Buches «In-terne Kommunikation im Unternehmen Von der Hauszeitung bis zum Intranet», ist der Meinung, dass die Verantwortung für interne Kom-munikation nie an Berater delegiert werden kann, sondern vom Unterneh-men getragen und gelebt werden muss.

Warum ist eine professionelle interne Kommunikation auch für KMU wichtig? Eine funktionierende interne Kommunikation trägt auch bei KMU zur Erhöhung der Flexibilität und Agilität des Unternehmens bei. Je schneller Informationen über Kunden, Wettbewerber, Produkte und Dienstleistungen im Unternehmen die relevanten Stellen erreichen und je stärker der Dialog mit den Mitarbeitenden und Führungskräften geführt wird, desto schneller kann ein KMU auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren.

Welche organisatorischen Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit von einer professionellen internen Kommunikation die Rede sein kann? Erstens müssen die Aufgaben und Verantwortlichkeiten für die interne Kommunikation klar definiert sein. Gerade in KMU stellen wir oft fest, dass diese Punkte nicht klar geregelt und den Mitarbeitenden und Führungskräften nicht kommuniziert werden. Zweitens muss eine kleine, aber feine Medieninfrastruktur aufgebaut werden, die den Bedürfnissen und Erwartungshaltungen der Angestellten gerecht wird. Hierzu ist eine Befragung der Mitarbeitenden und Führungskräfte unumgänglich. Und drittens müssen die eingeführten Medien professionell bewirtschaftet, das heisst mit relevanten und spannenden Themen immer wieder neu belebt werden.

Welche Instrumente stehen KMU mit wenig freien Mitteln zur Verfügung? Die entscheidende Frage ist vielmehr, welches die richtigen Instrumente für ein spezifisches KMU sind. Bei einem KMU mit 30 Mitarbeitenden, einer sehr mobilen Zielgruppe und einem hohen Fremdsprachenanteil, wie zum Beispiel einem Handwerksbetrieb, müssen ganz andere Instrumente als bei einem KMU mit 150 Mitarbeitenden, einer grossen Computerdichte und einem hohen Ausbildungsniveau, wie zum Beispiel einem Finanzdienstleistungsunternehmen, eingesetzt werden. Ob die richtigen Instrumente also das morgendliche Briefing, der elektronische Newsletter oder gar ein Intranet sind, muss spezifisch für jedes Unternehmen erarbeitet werden.

Die wenigsten Kleinunternehmen können sich einen Kommunikations-Verantwortlichen leisten. Muss der Chef das auch noch übernehmen? Eine hohe Bedeutung kommt tatsächlich dem CEO zu. Er muss die organisatorischen Voraussetzungen schaffen, damit die relevanten Informationen die Mitarbeitenden erreichen und der Dialog mit ihnen geführt werden kann. Dabei muss er sich zuerst um eine funktionierende Führungskommunikation kümmern, denn hier haperts meist am stärksten: Informationen werden nicht zur gleichen Zeit, nicht in demselben Umfang oder nicht an dieselben Führungs- oder Mitarbeiterstufen weitergegeben. Danach muss er sicherstellen, dass die wichtigen Personalinformationen die Mitarbeitenden schnell und leicht verständlich erreichen. Und zuletzt muss er dafür schauen, dass die definierten internen Medien regelmässig umgesetzt werden.

Ist die Verantwortung für die interne Kommunikation an externe Berater delegierbar? Die Verantwortung für interne Kommunikation kann nie an Berater delegiert werden, sondern muss immer vom Unternehmen getragen und gelebt werden. Ausgewiesene Spezialisten für interne Kommunikation können aber durch eine gezielte Analyse den aktuellen Stand und das grösste Optimierungspotenzial der internen Kommunikation erfassen.

Zudem können sie interne Beratungen und Schulungen effizient gestalten, da sie Erfahrungen aus einer Vielzahl ähnlicher Projekte einbringen. Und weiter können sie textliche und gestalterische Aufgaben im Sinne eines Outsourcings übernehmen. Es geht also darum, die Berater gezielt für diese Aufgaben einzusetzen.



Weiterbildung Kurse für KMU

Die Fachhochschule Solothurn-Nordwestschweiz bietet Fachkurse und Seminare zur internen Kommunikation für KMU an. Im Kurs «Systematisch informieren und kommunizieren» etwa lernen die Teilnehmenden, die Grundlagen, das Wesen und den Inhalt der internen Kommunikation zu beschreiben, den Rhythmus und die dafür notwendigen Instrumente zu nennen, den eigenen Bedarf an interner Kommunikation zu analysieren und entsprechende Kommunikationsmassnahmen zu ergreifen. Die Kurse finden halbjährlich statt, der nächste im Frühling 2006.