Franz X.* geht mit Raubkopierern auf Tuchfühlung. Seit acht Monaten sucht er im Internet nach illegalen Verkäufern, meldet sich auf dubiose Anzeigen hin, schleust sich auf einschlägige Chatrooms. Daneben besucht er Videotheken und macht Testkäufe, um die Videos auf ihre Herkunft zu prüfen. Die Erfolgsquote des ehemaligen Kriminalbeamten ist erstaunlich. Im Schnitt deckt der Ermittler pro Monat ein halbes Dutzend Fälle auf, die er den Strafverfolgungsbehörden übergeben kann. Franz X. arbeitet für Safe, die Vereinigung zur Bekämpfung der Software-Piraterie im Bereich von Filmen, TV-Beiträgen und anderen audiovisuellen Werken.

Den bislang grössten Coup landete er Anfang August. In Kooperation mit der Luzerner Kantonspolizei hebelte er eine professionell organisierte Raubkopierer-Bande aus, die im grossen Stil mit Kinohits und Computerspielen handelte. «Eigentlich leiste ich klassische Ermittlungsarbeit», definiert Franz X. seinen Job. Was die Kenntnisse am Computer betrifft, so ist der Ex-Polizist ein Autodidakt. Bei technischen Problemen helfen ihm seine acht Kollegen in Hamburg weiter, die für GVU, das deutsche Pendant von Safe, Augen und Ohren offen halten. Safe und GVU sind Ableger des «International Anti-Piracy Program» der «Motion Pictures Association» (MPA), einem Zusammenschluss der grossen Hollywood-Studios.

*Riesige Deliktsummen*

Laut Safe erleidet die Filmbranche durch die Piraterie in der Schweiz inzwischen jährlich einen Schaden von 100 Mio Fr. Sie ist nicht die einzige, die unter Raubkopien leidet. Die Musikindustrie schätzt den Ausfall auf 30 Mio Fr., die Spielbranche auf 50 Mio Fr. und die Softwareindustrie gar auf 140 Mio Fr. Die International Federation of the Phonographic Industrie (IFPI) lässt heute ein Expertenteam in London das Internet permanent nach illegalen MP3-Files durchforsten. Deren Resultate werden täglich den einzelnen Länderorganisationen übermittelt. Die IFPI Schweiz beschäftigt in Zürich einen Juristen mit IT-Kenntnissen, der sich zudem in den verschiedenen Musiksparten auskennt. Die IFPI sucht, wenn sich ein Verdacht erhärtet, in der Regel mit den Musikpiraten zuerst einen Vergleich. Bei Uneinsichtigkeit kennt sie kein Pardon und übergibt den Fall der Polizei. Ähnlich geht Business Software Alliance (BSA), die weltweit ein vernetztes Team von Ermittlern beschäftigt, mit Raubkopierern um.

Auch die grossen Internet-Provider verfügen über Spezialisten, die das Netz nach illegalen Inhalten durchkämmen können. «Unsere Leute werden jedoch erst aktiv, wenn wir von den Behörden auf Fälle aufmerksam gemacht werden», erklärt Bluewin-Pressesprecherin Deborah Bucher. Bluewin und Sunrise stellen sich auf den Standpunkt, ein Provider könne nicht für die von seinen Kunden im Internet dargebotenen Inhalte zur Verantwortung gezogen werden. Im Verdachtsfall biete man aber Hand zur Zusammenarbeit, sagt Sunrise-Sprecherin Monika Walser.

Während private Organisationen ihre IT-Ermittler meist selber ausbilden oder Cracks auf dem freien Arbeitsmarkt fischen, haben die kantonalen Polizeikorps lange Zeit auf «learning by doing» gesetzt. Nun werden sie am Institut für Wirtschaftsinformatik (IWI) an der Fachhochschule Zentralschweiz ausgebildet.

Der Kurs ist ein Novum und bislang der Einzige seiner Art in der Schweiz. Die Absolventen sind bei den kantonalen Polizeikorps und bei der Bundeskriminalpolizei beschäftigt. Die HSW Luzern hat beim Ausbildungskonzept eng mit dem Schweizerischen Polizei-Institut (SPI) in Neuenburg zusammengearbeitet. Die Nachfrage ist so gross, dass in diesen Tagen eine zweite Staffel von künftigen Cybercops in Luzern ihre Ausbildung beginnt.

*Rasante Nachfrage*

Der 30-jährige Michael Muther, Leiter der Informatik-Ermittlung bei der Luzerner Kantonspolizei, ist einer von 14 Cybercops, die in diesem Frühjahr als erste IT-Ermittler der Schweiz ein offizielles Zertifikat in Empfang nehmen konnten. Im halbjährigen, über drei Module aufgebauten Kurs hatte Muther sich ein breites Wissen übers Internet und neue Technologien angeeignet. Kursleiter Carlos Rieder vom Competence Center IT-Security an der Hochschule für Wirtschaft Luzern (HSW) erklärt: «Sie sind mit den typischen Angriffspunkten bei Delikten vertraut, kennen die Methoden der Spurensuche, können Daten und damit Beweise sicherstellen. Sie wissen auch Bescheid über die rechtlichen Aspekte der Computer-Kriminalität.»

Heute jagt Muther Kreditkartenfälscher und Kinderpornografen, die den Computer im Internet als Tatwerkzeug einsetzen. Er ist zudem bei allen möglichen Verbrechen für die elektronische Spurensicherung zuständig. «Ob Tötungsdelikte, Brandstiftung oder Drogenhandel: Viele Täter hinterlassen heute Spuren auf dem Computer, die wir dann als Beweise oder Indizien sammeln», so Muther. Zum Handwerk gehört auch, dass der IT-Ermittler die Spuren, welche etwa Hacker im Netz hinterlassen, lesen kann, ohne selber weitere zu legen.

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