Interview mit Dania und Nils Kambly

Nun jährt sich der Beginn der Pandemie: Wie geht es Ihnen und dem Unternehmen in dieser schwierigen Zeit? Nils Kambly: Wir machen viel Homeoffice. Aber in einem produzierenden Gewerbe ist 100 Prozent Homeoffice natürlich nicht möglich. Wir backen die Biscuits ja jetzt nicht zu Hause, sondern weiterhin hier am Produktionsstandort. Sie backen keine Guetsli mit Ihren Kindern? N: Als Familie backen wir schon – aber nicht so, dass Sie es irgendwo käuflich erwerben können. In der Pandemie habe sich die Schweizer Bevölkerung öfter Biscuits und Süssigkeiten gegönnt, heisst es in der Branche. Haben Sie das bei Ihren Verkäufen auch bemerkt? Dania Kambly: Die Gastronomiebetriebe sind jetzt zu und waren es auch in der ersten Welle. Da verlagert sich ein Teil des Konsums ins Zuhause. N: Gewisse Märkte sind gewachsen. Da wir sowohl Süsses als auch Salziges anbieten, haben wir zum Teil ganz ordentlich Verschiebungen innerhalb der Märktestrukturen. Was ist beliebter derzeit – Süsses oder Salziges? D: Während des Lockdowns kauften die Konsumenten und Konsumentinnen zur Bevorratung mehr Dauerbackwaren wie Knäckebrot und Zwieback, dort ist der Zuwachs frappant. Sowohl der Markt für Biscuits wie auch jener für das Salzgebäck sind gewachsen. Ob die Leute aber mehr Süsses essen oder ob der Markt wächst, sind zwei unterschiedliche Fragen. Es kann auch eine Verlagerung aus der Gastronomie sein. Tatsache bleibt: Im Lebensmittelhandel wuchsen die Märkte letztes Jahr. Unter dem Strich war es ein gutes Geschäftsjahr? N: Wir dürfen froh sein darüber, wie das Jahr verlaufen ist. Auch wenn es Bereiche gibt, wie etwa das Kambly-Erlebniscenter, die extrem gelitten haben. Das Erlebnis ist direkt an die Fabrik angeschlossen, dort machen wir die Marke erleb- und spürbar, mit Kaffee und Restauration – und es gibt unsere Produkte zu kaufen. Es waren schwierige Zeiten für die Mitarbeitenden, die dort gearbeitet haben. Sie haben letzten Sommer die Führung der Firma übernommen – mitten in einer Pandemie. Ist das nicht zu viel auf einmal? N: Natürlich würde man sich wünschen, dass es nicht ausgerechnet in dem Jahr zu solchen aussergewöhnlichen Ereignissen kommt. Aber so spielt das Leben, man kann nicht alles beeinflussen, was kommt. Sie treten auch in grosse Fussstapfen. Danias Eltern beziehungsweise Nils’ Schwiegereltern, Oscar und Ursula Kambly, haben das Unternehmen während Jahrzehnten erfolgreich geführt. Will man da überhaupt etwas verändern? D: Es gibt vieles, das wir weitertragen möchten: die Werte unseres Unternehmens, die Art, wie man umgeht miteinander. Oder der generationenübergreifende Langfristhorizont, der auch ein Nachhaltigkeitswille ist. Diese Beweggründe sind uns sehr wichtig. Auch die Konditoreikunst möchten wir weiterführen, auf unsere eigene Weise. N: Es ändert sich sicher ein Teil des Arbeitsstils. Wir sind mit Computer, Smartphones und den anderen digitalen Tools aufgewachsen. Da ist ein anderes Selbstverständnis in der Benutzung als in der vorherigen Generation. Das Digitale wird ganz klar stärker kommen, auch in der Verwaltung. Das Bretzeli wird aber produziert wie vorher, da ändern wir nichts. Das muss bleiben, wie es ist – es ist perfekt. Wir planen eine Evolution, keine Revolution. Von vielen Besuchern und Besucherinnen im Haus hören wir, dass die Atmosphäre besonders schön ist. Das gilt es zu bewahren. Gibt es neue Trends, die Sie aufgreifen wollen? D: Sich bewusster, natürlicher ernähren, dabei weniger Fett und Zucker konsumieren, das ist sicher ein wichtiger Trend. Und das sprechen die Leute oft an: Sie kaufen weniger Süsses, weil es viel Zucker und Kalorien drin hat. Unser Approach dazu ist folgender: Unsere Guetsli sind Premium, klein, aber fein, und bereiten Freude, bevor man eine ganze Schachtel geleert hat. Man geniesst sie und teilt sie mit Freunden und der Familie und kann so Mass halten. Früher stand Premium für Glamour, Prestige. Jetzt ist es mehr ein Lebensstil: Man gönnt sich gerne etwas besonders Feines, lieber wenig, dafür das Beste, teilt besondere Momente. In diesem Bereich haben wir sehr viele Chancen. Darf in Premium auch Palmöl sein? D: Bei den Zutaten geben wir uns Mühe, sogenannte Clean-Label-Produkte zu haben. Gewisse Inhaltsstoffe vermeiden wir, Palmöl gehört in diese Kategorie. Es gibt aber auch Rezepte, die wir seit Urzeiten verwenden, die wir nicht anrühren. Ein Petit Beurre, welches seit der Zeit meines Grossvaters unverändert ist, hat immer noch etwas Zuckersirup drin. Auch wenn man das heute eigentlich nicht mehr beimischen würde. Aber sonst würde es anders schmecken – und damit würden wir sehr viele Leute enttäuschen. Bei neuen Produkten sollen die Leute aber die Inhaltsstoffe lesen und denken: Die kenne ich. N: Wie wenn man das Produkt zu Hause backen würde, in seinen Küchenschrank greift und dort die Zutaten findet, die auf der Zutatenliste sind. Verzichten Sie von sich aus auf Zutaten wie Palmöl – oder sind es die Kundinnen und Kunden, die Sie dazu bringen? N: Es ist ein Sowohl-als-auch. Es ist ein grosser innerer Antrieb. Das Clean-Label-Produkt trägt die Handschrift meiner Frau. Die Beanstandungen, die wir erhalten, gehen alle über den Schreibtisch der Familie. Wir wissen, was die Konsumentinnen und Konsumenten wünschen und was sie bemängeln – und wir nehmen die Beanstandungen sehr ernst. Aber Kambly war in der Nachhaltigkeit schon immer sehr stark engagiert. Vor einigen Jahren haben wir beispielsweise die Linie «Hausspezialitäten aus dem Emmental» entwickelt. Und in dieser Linie wollen wir möglichst viele Rohstoffe direkt aus der Umgebung haben. Genau der Trend ist ja auch jetzt in der Pandemie wieder stark hervorgekommen: Möglichst regional einzukaufen – und genauso kaufen auch wir möglichst regional ein. Bei der Schokolade ist das natürlich nicht möglich, Kakao wächst nicht im Emmental... Noch nicht … N: Hoffen wir, dass sich das Klima nicht so stark ändert, dass es dazu kommen sollte. Aber die Butter beispielsweise stammt direkt von der Käserei nebenan. Und wenn ich mit dem Velo zur Arbeit fahre, komme ich bei den Hühnern vorbei, die Eier legen für die «Hausspezialitäten aus dem Emmental», und sehe das Urdinkelfeld, das unseren Urdinkel liefert. Diese Regionalität, die kurzen Wege: Das ist eigentlich schon in der DNS von Kambly. Sie war vorhanden, als wir beim Unternehmen anfingen, und wir wollen sie fortführen – mit unseren Akzenten. Für dieses Jahr planen wir, den Standort Trubschachen CO₂-neutral zu machen. Wir konnten die Energieeffizienz massiv hochschrauben, um 80 Prozent. Spricht da der Physiker aus Ihnen? Sie haben ja beide Physik studiert und doktoriert – Sie lernten sich während des Studiums an der EPFL Lausanne kennen… N: Was die technischen Aspekte angeht, kann man schon sagen, dass da der Physiker hervorkommt; das möchte ich auch gar nicht verleugnen. Wenn es um neue Techniken geht, um CO₂ einzusparen, bin ich sicher Feuer und Flamme, mich dort zu informieren, wie sehr diese Techniken entwickelt sind und ob man sie wirklich benutzen kann. D: Das ist natürlich nicht nur unser Verdienst. Unsere Techniker sind auch Tüftler und arbeiten schon seit Jahren daran. Sie haben vorhin Ihren Arbeitsweg beschrieben. Liegt auch eine Migros am Weg? N: Nein, an einem Volg komme ich vorbei, es gibt einen Laden direkt neben der Fabrik. Sie wissen vermutlich, auf was wir anspielen: Sie haben wohl mehr Freude, einen Volg zu sehen als eine Migros – denn in der Migros gibt es keine Produkte von Kambly… D: Die Migros hat den grössten Marktanteil bei den Biscuits in der Schweiz und betreibt eine eigene Fabrikation in Meilen. Sie müssen natürlich ihre Fabrikation auslasten. Bleibt die Migros für Kambly tabu? Lindt & Sprüngli ist ja auch ein starker Markenhersteller – und einige seiner Produkte werden seit kurzem in der Migros verkauft… D: Zurzeit ist das nicht in unserem Fokus. N: Wir sind in der Schweiz sehr gut vertreten, dadurch, dass wir gute Kanäle haben, Coop, Volg... Coop setze seine Markenhersteller immer stärker unter Druck, war in der Sonntagspresse zu lesen. Wie würden Sie das Verhältnis zu Ihrem wichtigsten Partner beschreiben D: Das Verhältnis ist sehr positiv. N: Im Detail möchte ich mich nicht äussern. Es ist aber auch dort das klassische Spiel zwischen dem Lieferanten und dem Kunden. Der Kunde möchte gerne zu guten Konditionen einkaufen. Vor Jahren lieferte Kambly noch an Aldi Süd in Deutschland… D: Das waren nur Handelsmarken, mit dem Aldi-Label. Ist diese Produktion unter fremden Marken für Kambly wichtig? N: Vor allem im internationalen Markt und nur in angrenzenden Segmenten, dort produzieren wir auch für andere. Sind das relevante Geschäfte für das Unternehmen? N: Sie ergänzen gezielt den Kern, das Markengeschäft. Doch der internationale Bereich ist schon wichtig. Grob gesagt trägt er 50 Prozent zum Umsatz bei und die Schweiz die andere Hälfte. Frankreich ist als Feinfood-affines Land wichtig für Kambly, auch da ist Kambly die führende Marke in der obersten Qualitätsnische. Aber auch weitere Märkte entwickeln sich gut, das Premiumsegment wächst weltweit. Etwas exotischere Länder wie China sind für Sie aber kein Thema? N: Doch, wir verkaufen auch in China. Auf den beiden grossen chinesischen Online-Märkten Tmall und JD sind wir jeweils mit einem Flagship-Store vertreten. Es ist ein wachsender Markt. D: In solchen Märkten konzentrieren wir uns auf die Metropolen, dort liegt die Kaufkraft. Wir verfügen nicht über die Mittel, in einem solch grossen Land auf den Fokus zu verzichten. Könnte China in einigen Jahren ähnlich wichtig werden wie die grossen europäischen Märkte? N: China hat für uns sicher das Potenzial, zu einem wichtigen Markt zu werden. Wie schnell und wie gut wir uns dort positionieren können, müssen wir in einigen Jahren nochmals diskutieren. China ist ein gutes Beispiel, wie es in Zukunft in Europa aussehen könnte – was alles über den Online-Handel möglich ist. Welche Strategie verfolgen Sie online? N: Wir versuchen, im Internet ein anderes Angebot bereitzustellen, als es im normalen Lebensmittelgeschäft zu kaufen gibt. International ist das anders, dort sind wir zum Teil weniger gut distribuiert. Dort verstehen wir den Online-Shop als vollwertiges Glied der Kette und bauen auch kräftig aus – so, dass wir im Online-Shop im internationalen Geschäft deutlich besser zu erreichen sind, um damit die Lücken des stationären Handels schliessen zu können. Sie führen die Tradition des Familienunternehmens fort, indem Sie die Leitung übernehmen. Wann stand dieser Entscheid fest? Sie hatten ja eine akademische Karriere eingeschlagen. D: Tief in mir realisierte ich schon als Kind, dass ich das machen möchte. Mein Vater wusste schon im Alter von sechs Jahren, dass Kambly seine Lebensaufgabe wird. Er hatte fünf Geschwister, drei davon Brüder. Wahrscheinlich war es schwierig, zu wissen, welcher der vier Söhne die Leitung übernehmen soll. Deswegen hat es mein Vater mir erspart, mich zu fest damit befassen zu müssen. Nach Abschluss des Gymnasiums stand ich vor der Entscheidung, ob ich Wirtschaft oder Naturwissenschaften studieren soll. Die Naturwissenschaften erschlossen sich mir viel besser. Die Eltern ermutigten mich sehr, Physik zu studieren, und so ging ich diesen Weg. Ich merkte aber, dass ich hier im Unternehmen wohl mehr bewegen kann als als Physikerin. Ich bin seit 2011 im Verwaltungsrat. Im Jahr 2013 entschied ich mich dann, die Leitung zu übernehmen. Damals steckte ich noch mitten im Doktorat. N: Bei mir war es ähnlich: Es war von Anfang an klar, dass ich frei wählen kann. Der Anspruch, dass ich bei Kambly arbeiten muss, war nie da. Es war mein eigener Wille und Antrieb. Es ist ein grosses Privileg, hier mitgestalten und mithelfen zu dürfen. Ich bereue die Entscheidung an keinem Tag. Dann wollen Sie nicht unbedingt, dass eine fünfte Generation von Kambly die Leitung übernimmt? Sie haben zwei kleine Kinder. D: Wir werden es ähnlich pflegen – es ist keine Erwartung an die Kinder da. Wir wollen ihnen Freiheit vermitteln, und dies ist der einzige Weg, wie es gelingen wird. Wenn es jemand wirklich machen möchte, sollte die Person es selber spüren. Sie sind beide Chefs von Kambly, Patronne und Patron. Wie vereinbaren Sie das Berufs- mit dem Familienleben? D: Wir haben es im Griff, aber es gehört schon einiges dazu. Ich arbeite jetzt 60 Prozent seit Anfang Februar, nach der Mutterschaft. Wir haben das Glück, dass wir daheim unterstützt und dass die Kinder betreut werden. Meine Mutter hilft auch einmal in der Woche und passt auf die beiden auf. Es funktioniert sehr gut, ist aber intensiv. Doch das kennen alle Eltern. Man schläft halt etwas weniger, wenn man kleine Kinder hat. Und Nils hat lange Arbeitstage. Da würde ich mir schon wünschen, er wäre manchmal früher zu Hause. N: Wir können uns während der Arbeit sehen, das Glück haben auch nicht alle.Die 4. Generation bei Kambly Namen: Dania und Nils Kambly Funktionen: Leiterin strategische Entwicklung (Dania), CEO (Nils) Alter: beide 35 Familie: miteinander verheiratet (Nils hat den Familiennamen Kambly angenommen), zwei kleine Kinder Ausbildung: beide mit Doktoraten in Physik an der Universität Genf respektive in physikalischer Chemie an der EPFL Karriere Dania Kambly: Ab 2017: Strategische Entwicklung Kambly 2014-2017: Trainee-Programme bei Nestlé 2009-2014: Doktorat in Physik an der Universität Genf 2004-2009: Physikstudium an der EPFL 2006-2007 Auslandsemester an der US-Universität Carnegie Mellon Karriere Nils Kambly: Ab 2020: CEO, Delegierter des Verwaltungsrats Kambly 2018-2019: Einstieg bei Kambly in der IT 2019-2020: GL-Mitglied bei SCM 2015-2018: Praktika bei Bühler, Swisscom, PwC 2013-2015: R&D Scientist und Product Manager bei LS Instruments 2009-2013: Doktorat in physikalischer Chemie an der EPFL 2009: Master-Thesis an der Universität von Strathclyde, Glasgow 2004-2009: Physikstudium an der EPFL

Interview mit Dania und Nils Kambly

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