Vier Jahre ist es her, als IWC, Jaeger-LeCoultre und Lange Uhren gewaltiges Aufsehen erregten. Für 3,08 Mrd Fr. gelangten sie unter das Dach des Richemont-Konzerns. Der bislang grösste Deal in der Uhrengeschichte änderte freilich nichts daran, dass jede der drei Marken für sich Erfolge vorweisen muss. Und die resultieren auch aus attraktiven Produkten und Innovationen. Darüber kann sich Richemont-Chef und Mehrheitsaktionär Johann Rupert beim «Trio innovativo» keineswegs beklagen.

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IWC: Nach den Flieger- nun die Taucheruhren

Bei IWC hat Georges Kern als Chef richtig gut Fuss gefasst. Sein Credo: «Ein deutlich erkennbares Profil der altehrwürdigen Uhrenmarke. Ungeachtet dessen», so Kern weiter, «wird die IWC immer eine Nischenmarke bleiben. Aber das schadet überhaupt nicht. Mir geht es in erster Linie um Innovation, Individualität und Qualität. Zudem wollen wir stets bemerkenswerte Spezialitäten bieten.»

Und darum handelt es sich bei der neuen Taucheruhren-Linie Aquatimer. Der Name besitzt bei IWC Tradition. Erste Modelle verliessen 1967 die Schaffhauser Manufaktur. Ausgestattet mit innenliegendem, über eine separate Krone verstellbarem Drehring. Dieses Feature bietet auch der Jahrgang 2004, bei dem die Tauchercrew der Cousteau Society beratend mitgewirkt hat. Diese Profis wissen bestens, was man weit unter dem Meeresspiegel braucht.

Dazu gehört auch die Aquatimer Minute Memory. Für sie existiert in der Taucheruhren-Geschichte kein Vorbild. Grundsätzlich handelt es sich um einen bis 120 m wasserdichten Automatik-Chronographen mit 30-Minuten- und 12-Stunden-Zähler sowie Datums- und Wochentagsindikation, Basis Valjoux 7750. Beim genauen Hinschauen sticht neben dem gelben Minutenzeiger eine gelb-schwarze Hand ins Auge. Mit Blick auf die 60-Minuten-Tauchzeitlünette kann es sich aber nicht um einen 24-Stunden-Zeiger handeln, wie ihn das ETA-Kaliber 7754 bietet. Ein mit 0 und I gekennzeichneter Kippschalter im linken Gehäuserand bringt Neugierige des Rätsels patentierte Lösung ein gutes Stück näher.

Nach dem Starten des Chronographen kann man den Minuten-Schleppzeiger nach Belieben anhalten und wie bei einem Rattrapante wieder nachspringen lassen. Für Taucher macht das Sinn, denn mit diesem Instrument haben sie die unverzichtbaren Dekompressionszeiten fest im Griff.

Auf die Frage, warum es statt des üblichen Drückers einen Kippschalter gibt, antwortet Chefuhrmacher Pius Brida wie aus der Pistole geschossen: «Der Minutenzeiger läuft sehr langsam, deshalb braucht es eine Taste, deren Schaltzustand sofort sichtbar ist.»

Jaeger-LeCoultre: Sphärisches Tourbillon

Unmittelbar Wahrnehmbares haben auch Jérôme Lambert und sein Kreativteam im abgeschiedenen Vallée de Joux hervorgebracht. «Wir wollen zeigen, dass Jaeger-LeCoultre imstande ist, zeitgemässe Grosse Komplikationen fürs Handgelenk herzustellen. Mit eigener Signatur, versteht sich.» Immerhin hat der renommierte Ebauches-Fabrikant seit 1870 nahezu alles, was uhrmacherisch kompliziert ist, für andere Marken produziert. «Nun sind wir selbst an der Reihe», meint Lambert mit stolzem Blick auf die für Unkundige absolut rätselhaften Fragmente dessen, was beim Genfer Uhrensalon mächtig für Furore sorgen dürfte.

«Bei der Konstruktion des auf 75 Exemplare limitierten Handaufzugs-Kalibers 177 sind wir davon ausgegangen, dass Armbanduhren anders als Taschenuhren getragen werden und deshalb auch andere Tourbillons benötigen», erklärt Chefentwickler Eric Coudray. Tatsächlich braucht es einige Zeit, um das vertrackte Bewegungsschema des komplexen, durch sechs Stosssicherungen geschützten Drehkörpers zu begreifen, in dessen Zentrum sich eine massivgoldene Unruh mit freischwingender Breguetspirale bewegt. Der äussere, 0,035 g leichte Alukäfig mit «Sekundenzeiger» dreht sich pro Minute einmal um seine Achse. Das innere, um 90 Grad versetzt rotierende Alu-/Titangestell ist 2,5-mal so schnell. Zusammen wiegen die rund 90 Teile des Sphärischen Tourbillons gerade einmal 0,33 g. Durch seine schnellen, dreidimensionalen Bewegungen kommt das der Dynamik am Handgelenk in der Tat schon ziemlich nahe. Die beiden, zur Reibungsminderung Saphirglas-gedeckelten Federhäuser des aus 422 Komponenten zusammengefügten 177 speichern Energie für 150 Stunden. Die aktuelle Gangreserve lässt sich vom Zifferblatt ablesen.

Kompliziert ist auch der ewige Kalender mit drei retrograden Zeigern. Einem kleinen für die Monate sowie zwei langen für die breite Datumsskala. Der linke ist für die erste, der rechts für die zweite Monatshälfte zuständig. Von uhrmacherischer Bedeutung ist zudem der zweite, durch einen Stern gekennzeichnete und mit dem Kalendarium gekoppelte Minutenzeiger. Er indiziert das, was sich in unserem Kosmos zeitlich real abspielt: Die wahre Sonnenzeit.

Lange: Doppel-Rattrapante für das Handgelenk

Auch im sächsischen Glashütte waren die Techniker aktiv. Lutz Grossmann und Reiner Kocarek entwickelten die eigene Unruhspirale zur Serienreife. «Eine strategische Entscheidung», wie CEO Hartmut Knothe betont, «und ein Prestigeprojekt, denn zu einer Top-Manufaktur gehört eben auch das letzte Quentchen an Know-how.»

Ihre Kollegen arbeiteten währenddessen an einer konsequenten Weiterentwicklung des 1999 vorgestellten Datographen. Der gedankliche Background: Bei überlieferten Schleppzeiger-Konstruktionen beschränkt sich die Differenzzeit auf 60 Sekunden. Dann überholt der Chronographen- den Schleppzeiger, und die Benützer sind auf gute Gedächtnisleistungen angewiesen.

Diesem Manko begegnen die Sachsen mit dem neuen Handaufzugskaliber L001.1, bestehend aus insgesamt 465 Teilen. Im Gegensatz zum Herkömmlichen erfasst der Mechanismus bis zu 30 Umläufe sowohl des Chronographen- wie auch des Einholzeigers. Darüber hinaus gibt es eine Flyback-Funktion, die sofortige Neustarts ermöglicht.

Was fehlt, ist das signifikante Grossdatum. Dafür bietet der Double-Split eine informative Gangreserveanzeige. Neu ist auch das Schwingsystem, bestehend aus einer Glucydur-Unruh mit axialen Exzenter-Regulierschrauben sowie frei schwingender Unruhspirale mit patentierter Klemmbefestigung. Die stammt, wie könnte es anders sein, bereits aus eigener Produktion.



Zeitzeichen

«Auch wer seiner Zeit voraus ist, kommt zur Unzeit.»

Malte Dobbertin, 53, deutscher Finanzanalyst