Die SBB schaffen eine neue Stelle – «SBB-Delegierte für ÖV-Branchenentwicklung». Der neue Job wird ab Januar von Jeannine Pilloud übernommen. Die bisherige Chefin der mit Abstand wichtigsten Unternehmenseinheit – dem Personenverkehr – fällt damit nicht nur aus der Konzernleitung, sondern begibt sich bei den SBB auch aufs Abstellgleis.

Obwohl sich die SBB redlich bemühen, die Wichtigkeit von Pillouds neuer Aufgabe zu betonen, zeigt der Wechsel vor allem eines: Pilloud wird degradiert. Sie hat den Machtkampf gegen Konzernchef Andreas Meyer verloren. Ausgerechnet sie, die lange Ambitionen hegte, Meyer auf dem Chefposten zu beerben.

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Meyer hat nie viel von Pilloud gehalten

Dass Meyer – ein Bähnler durch und durch – nie viel von Personenverkehrschefin Pilloud gehalten hat, ist ein offenes Geheimnis. Und die Informatik-Spezialistin hat in ihrer sechsjährigen Amtszeit auch selbst nie viel unternommen, um sich als visionäre Bahn-Managerin zu etablieren.

Im Gegenteil. Sie hat sich vor allem mit Nebensächlichkeiten inszeniert: mit neuen Tapeten für die Zug-Toiletten oder neuen Kaffee-Maschinen für die Minibars. Auch in ihrem eigentlichen Kerngebiet – der IT – hat Pilloud keine grossen Stricke zerrissen.

Seltsame Konstellation

Pillouds neuer Job als «Delegierte für ÖV-Branchenentwicklung» ist – mit Verlaub – eigentlich doppelt überflüssig.

Einerseits gibt es bereits den Verband öffentlicher Verkehr (VÖV). Er hat zum Zweck, die Angebote der verschiedenen öffentlichen Transportunternehmen zu koordinieren. Im entscheidenden Gremium des VÖV – dem Vorstandausschuss – sitzt SBB-Chef Andreas Meyer. Als SBB-Delegierte wird Pilloud also künftig mit einem Gremium die Weiterentwicklung des ÖV in der Schweiz diskutieren, in dem mit Meyer bereits ein Repräsentant der SBB die Anliegen der SBB vertritt – und dann an diesen rapportieren. Eine seltsame Konstellation.

Andererseits gibt es auch den Verein «ch-direct», den Pilloud präsidiert. Er ist die Koordinationsstelle der diversen Schweizer ÖV-Tarifverbünde und die Drehscheibe für die Weiterentwicklung des ÖV-Preissystems. In diesem Verein führt die neue Rolle von Pilloud zu einer noch seltsameren Konstellation. Pilloud diskutiert als SBB-Delegierte und Vereinspräsidentin quasi mit sich selbst – und rapportiert dann an Meyer.

Abspung nach Ankunft auf dem Abstellgleis

Man wird den Eindruck nicht los, dass der Delegiertenposten wenig mehr ist als ein Alibi. Dies umso mehr, als Pilloud – im Verbund mit SBB-Präsidentin Monika Ribar – sich innerhalb der SBB schon bislang für mehr Zusammenarbeit und mehr Koordination im Schweizer ÖV-System stark gemacht hat. Gegen den erklärten Willen von Firmenchef Meyer notabene, der am Quasi-Monopol der Staatsbahn nicht rütteln mag und die dominante Rolle der SBB zementieren will.

Und jetzt soll eine degradierte Pilloud das, wofür sie sich schon bisher eingesetzt hat, aber bei Meyer aufgelaufen ist, hierarchisch geschwächt besser machen können?

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Pilloud Zeit als Schlüsselfigur bei den SBB ist abgelaufen. Wahrscheinlich wird sie aus ihrem Delegierten-Zug steigen, sobald dieser auf dem Abstellgleis angekommen ist. Und bereits zur GV-Saison 2018 die ersten VR-Mandate ausserhalb der SBB annehmen.

Marcel Speiser Handelszeitung
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