BILANZ: Wie erklären Sie sich das rasante Wachstum von Amazon?

Jeff Bezos: Es ist das Ergebnis langjähriger Arbeit. Mit der Zeit konnten wir das Angebot immer mehr ausweiten, die Preise senken und die Lieferzeiten reduzieren. Mit einer solchen Kombination ist es ziemlich logisch, dass unsere Verkaufszahlen stark steigen. Das braucht Disziplin und permanente Anstrengungen. Ein Beispiel: Es gibt nichts Leichteres, als den Preis zu senken. Aber dass der Preis auch langfristig niedrig bleibt, ist etwas anderes – dazu muss man effizient sein.

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Kann Amazon auch weiterhin so schnell wachsen?

Wir haben keine Wachstumsziele. Wir setzen uns Ziele, wie wir die Kosten reduzieren, die Lieferzeit verbessern und das Angebot ausweiten können. Ich weiss also nicht, ob wir noch schneller wachsen werden. Hingegen ist bei solch einer Strategie durchaus anzunehmen, dass die Interessen unserer Kunden auch künftig im Einklang liegen mit denen unserer Aktionäre.

Was unterscheidet Amazon von anderen E-Commerce-Seiten?

Um ehrlich zu sein, verbringen wir sehr wenig Zeit damit, unsere Konkurrenten zu beobachten. Unsere Obsession sind in erster Linie unsere Kunden. Amazon hat immer noch das Temperament eines Pionierunternehmens, und das zeichnet sich aus durch eine sehr starke Innovationsfähigkeit. Im Internet, wo die Moden sehr schnell zu wechseln pflegen, ist es besser, ein Pionier zu sein als ein Verfolger.

Sind Sie mit Amazon Fresh zufrieden, dem 2007 lancierten Lieferservice für Frischprodukte in der Region Seattle?

Das ist nur ein Test. Die Kunden sind zufrieden, aber wir haben immer noch keinen Weg gefunden, das wirtschaftlich rentabel zu machen. Und ich weiss auch nicht, ob wir das schaffen.

Ist der erfolgreiche Verkauf von Frischprodukten für die weitere Entwicklung von Amazon wichtig?

Nein, der ist überhaupt keine Notwendigkeit. Aber er eröffnet uns neue Entwicklungsmöglichkeiten. Ich bin überzeugt, dass jene Firmen, die viele verschiedene Erfahrungen sammeln, die besten Wachstumsmöglichkeiten haben und nicht in ihrer Entwicklung blockiert werden. Der Kindle oder unsere Cloud-Dienste illustrieren diese Strategie perfekt.

Kaufen Sie noch gedruckte Bücher?

In den meisten Fällen lade ich sie auf meinen Kindle herunter. Er wiegt nicht viel, ich habe ihn immer bei mir. Wenn man sich mal daran gewöhnt hat, fällt es nicht leicht, wieder ein Buch zur Hand zu nehmen: Man findet es schwer, man will nicht, dass es zuklappt, wenn man es auf die Seite legt. Das Buch ist eine der aussergewöhnlichsten Erfindungen der Menschheit. Und es ist während 500 Jahren gleich geblieben. Heute wird es durch die Technologie verändert. Das ist unglaublich.

Kann man auf Amazon alles verkaufen?

Ja, fast alles, selbst wenn es Produkte gibt, die für den E-Commerce schwierig sind. Etwa sehr voluminöse Gegenstände mit einem geringen Preis. Dann ist der Versand komplex und teuer.

Wie verändern die sozialen Netzwerke Amazon?

Wir beobachten sie, und wir stellen uns eine Frage: Gibt es dabei etwas, das die Servicequalität für unsere Kunden verbessern könnte? Das wissen wir noch nicht. Wir beschäftigen uns mit ein paar Experimenten.

Wie sieht Amazon in zehn Jahren aus?

Die grossen Züge bleiben die gleichen. Wir müssen auf die Bedürfnisse des Kunden reagieren. Auch in zehn Jahren wird er noch günstige Preise wollen, eine schnellstmögliche Lieferung und die grösstmögliche Auswahl. Was sich ändert, sind die Technologien, die wir einsetzen, um die Kunden zu bedienen. Bei den Smartphones und den Tablet-Rechnern, bei allen drahtlosen Geräten passieren wichtige Entwicklungen. Wir müssen innovativ sein, um für unsere Kunden das Beste daraus zu ziehen.