Handelszeitung Online: Warum kommt es derzeit zu verdeckten Massenentlassungen bei Schweizer Banken?
Oliver Traxel:
Grundsätzlich kommt es zu Entlassungen, weil die Ertragsbasis mehr und mehr wegbricht und dieser Ausfall vor allem mit der Einsparung von Personalkosten kompensierbar ist. Ausserdem ist die Unsicherheit in Bezug auf die Rolle des Schweizer Bankings generell sehr gross: Das Bankgeheimnis ist so gut wie nicht mehr existent, das Problem von Julius Bär mit den USA noch nicht ausgestanden, beim Doppelbesteuerungsabkommen gibt es noch grosse Fragezeichen und Asien droht als grosse Konkurrenz.

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Warum spielen die Banken bei diesem Stellenabbau nicht mit offenen Karten?
Sicher will man unter keinen Umständen Schwäche zeigen. Dies hätte fatale Folgen im Markt wie etwa den Abfluss von weiterem Geld. Dies gilt umsomehr, als viele kleinere Banken die kritische Grösse nicht haben - man spricht im Markt von rund 10 Milliarden Franken bei den verwalteten Vermögen. Von diesen Banken hat es im gegenwärtigen Umfeld einige Kandidaten. Und die können sich weitere Abflüsse schlicht nicht mehr leisten.
 
Geht es bei dieser Vertuschung auch um einen möglichen Imageschaden für die jeweilige Bank?
Ja. Die Reputation von Bankern ist schon lange zweifelhaft. Man ist bemüht, sich sozialer zu geben, als es die Volksmeinung erahnen lässt. Massenentlassungen erregen den Volkszorn und sind vielfach nur wieder schwer reparabel. Jede Bank ist momentan um ihre Reputation sehr bemüht. Dies gilt natürlich vor allem für Banken, die auch noch im Retailgeschäft tätig sind und von mehr Bodennähe abhängig sind.

Ist die Angst vor Imageschaden der einzige Grund?
Nein. Massenentlassung schüren die Unsicherheit. Doch eine Panik soll vermieden werden. Dann lieber die Salami-Taktik fahren, die zwar in der Summe zum selben Resultat führt, wo jedoch die Gewöhnung «organisch» passiert. So kann die Stimmung unter den Mitarbeitenden weitgehend kontrolliert werden.

Und die Banken wollen sich keine Blösse geben.
Genau. Die Intransparenz unter den konkurrierenden Banken bezüglich Geschäftsgang selbst ist ebenfalls sehr gross. Eine Massenentlassung gilt als Eingeständnis, dass es wirklich nicht mehr läuft. Das ist ein schlechtes Signal sowohl im Markt als auch für potenzielle Kundschaft. Weiterhin geht es vielfach darum, um jeden Preis Grösse zu demonstrieren. Deshalb sind auch die Forderungen bezüglich Assets, die ein Kundenberater beibringen muss, nach wie vor sehr gross.

Es sind überwiegend Mitarbeiter aus dem Private Banking betroffen. Hat dies mit der Umgestaltung des Offshore-Kundengeschäfts zu tun?
Das ist zweifellos das wichtigste Element. Alle wollen jetzt weg von der Offshore-Kundschaft. Momentan «en vogue» sind wieder Russland, Osteuropa bis Kasachstan, einzelne Länder in Südamerika wie auch in Asien. Zudem wird der ansonsten «langweilige» Heimmarkt wieder wichtiger. In der Blütezeit wurden viele Banker eingestellt, die eigentlich branchenfremd waren. Viele von diesen spüren, dass das Kompetenzprofil deutlich an Schärfe zugenommen hat.

Sind in diesem Kontext auch die Ausbildungsinitiativen der beiden Grossbanken zu sehen?
Man will schlicht und einfach die Spreu vom Weizen trennen und jene loswerden, die fachlich nicht mehr mitkommen. Die Banken haben eingesehen, dass fehlende Kompetenz nicht mehr kompensiert werden kann, weil die Komplexität bezüglich Steuern und regulatorischen Risiken allgemein zugenommen hat.
 
UBS-Kadermitglied Jürg Zeltner schätzt die Zahl von schweizweit 20'000 Stellen. Halten Sie das für realistisch? 
20'000 Stellen sind eine sehr gewagte Prognose. Sollte wirklich diese Zahl von Stellen gestrichen werden, dann hat dies ernsthafte Konsequenzen. Angefangen von den Banken selbst zum Steuersubstrat von Kantonen und Gemeinden, von der «nachgelagerten» Industrie bis zum Tourismus. Es wird kurzfristig eine Kaskade von Ertragsausfällen geben, die der Schweizer Wirtschaft einigen Schaden zufügen können.

Gibt es auch positive Aspekte?
Ein solcher Strukturwandel hat auch positive Folgen: Die Banken werden gezwungen, ihr Geschäftsmodell effizient und effektiv umzuschreiben. Die Besten werden überleben und letztlich wieder Gewinne machen.

Ihr Fazit?
Meiner Meinung nach werden die Auswirkungen kurzfristig vor allem in Zürich und Genf gravierend sein. Ich bin aber der positiven Hoffnung, dass die Schweiz daraus gestärkt hervorgeht. Die interne Unsicherheit bei den Banken ist sehr gross. Derzeit kann man keine konsistente Prognosen abgeben, und für Panik scheint es noch zu früh zu sein.