Josef Ackermann geht behutsam vor. Als der Deutsche-Bank-Chef Anfang April den Kapitalvertretern im Aufsichtsrat die europäischen Fusionsoptionen der Bank vorstellte, war die Credit Suisse (CS) nur einer von mehreren möglichen Partnern. Auch die britische Barclays Bank und der niederländische Allfinanzkonzern ING standen auf der Liste. Doch Kenner des gebürtigen Schweizers wissen: «Der will eine Lösung mit seinem früheren Arbeitgeber.» Ackermann war von 1977 bis 1996 bei der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA), dem Vorgängerinstitut der Credit Suisse.

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Die Kombination der deutschen und der Schweizer Grossbank zu einem Institut würde die erste Europa-Bank schaffen, mit globalem Format. «Eine solche Kombination wäre eine erstklassige Verbindung», lobt ein Londoner Investment-Banker. Deutsche Bank und Credit Suisse sind nach dem Börsenwert ungefähr gleich gross, ihre Organisationen ähneln einander, die meisten Geschäftsfelder ergänzen sich. Zudem sprechen Schweizer und Deutsche dieselbe Sprache. «Deutschland ist von der Kultur her der Schweiz am nächsten. Bei einem grenzüberschreitenden Zusammenschluss ist dieser Faktor natürlich sehr wichtig», so vor kurzem Oswald Grübel, gemeinsam mit John Mack derzeit Chef der Credit Suisse.

Beide Banken stehen zudem an einem strategischen Wendepunkt. In den vergangenen drei Jahren haben sie vor allem durch Kostensenkungen auf die Krise in der Branche reagiert: Die Deutsche Bank etwa reduzierte ihren Aufwand um 6 Milliarden Euro pro Jahr, die Credit Suisse gar um 7,7 Milliarden Euro. Laut Finanzvorstand Clemens Börsig kamen die Deutschen ihrem selbst gesteckten Ziel einer Vor-Steuer-Rendite von 25 Prozent auf diese Weise schon sehr nahe.

«Was machen die jetzt?», fragt CS-Chef Grübel nicht nur für die Deutsche Bank, sondern auch für sein Haus (siehe BILANZ 6/2004: «Credit Suisse Group: Was nun, meine Herren?»). Beide Institute können aus eigener Kraft nur langsam weiterwachsen, sie müssen neue Ertragsquellen erschliessen. Dies gelingt am schnellsten durch eine Fusion oder eine Akquisition. Schon Ackermanns Vorgänger, der heutige Auf- sichtsratschef Rolf-Ernst Breuer, hatte Ende 1997 Kontakt zum damaligen CS-Chef Lukas Mühlemann. Die beiden Banker diskutierten die Formierung einer Europa-Bank. «Die Credit Suisse ist nicht unser natürlicher Partner. Am Schweizer Privatkundenmarkt sind wir nicht interessiert. Aber das Investment-Banking und die Vermögensverwaltung der Schweizer sind durchaus attraktiv», erklärte Breuer.

Inzwischen hat sich die Bankenwelt weitergedreht. In Grossbritannien, Frankreich, Italien und den Niederlanden sind starke nationale Spieler entstanden, in den USA haben sich Mammutbanken gebildet. «Die milliardenschweren Fusionen in den USA haben den Druck auf die Europäer erhöht», so Commerzbank-Chef Klaus-Peter Müller. Gemeinsam würden Deutsche Bank und Credit Suisse zu den zehn grössten Banken der Welt gehören. «Das wäre ein Signal an den Kapitalmarkt, dass eine echte europäische Bank entsteht», sagt Tiemo Kracht, Partner und Bankenexperte bei der Beratungsgesellschaft Heidrick & Struggles.

Ein Zusammengehen würde Sinn ergeben. Gerade das Privatkundengeschäft, das Breuer Ende der Neunzigerjahre nur mit spitzen Fingern anfasste, hat neue Attraktivität gewonnen. Auf rund 23 Millionen Privatkunden käme die schweizerisch-deutsche Kombination in Europa.

Nur auf dem französischen Markt wäre das neue Gebilde schwach.

Noch besser ergänzt sich die Vermögensverwaltung für private und institutionelle Kunden. Gemeinsam kommen Deutsche Bank und CS auf ein verwaltetes Kundenvermögen von 1,7 Billionen Euro. Die neue Europa-Bank zöge sowohl an der UBS als auch an der US-Fondsgesellschaft Fidelity vorbei und stiege zum weltgrössten Vermögensverwalter auf.

Selbst im Investment-Banking, der Hauptstärke beider Banken, gibt es Synergiepotenzial. Während die Frankfurter 90 Prozent ihrer Investment-Banking-Erträge im Handel und nur 10 Prozent in der Beratung verdienen, ist das Verhältnis bei den Schweizern ausgeglichener. Die CSFB erzielt dort immerhin mehr als 20 Prozent der Erträge, ähnlich wie Morgan Stanley oder Merrill Lynch, so das Ergebnis einer aktuellen Studie der Boston Consulting Group. Problematisch wäre bei einer Fusion von Deutscher Bank und CS nur das Londoner Geschäft. Dort gäbe es «grosse Überschneidungen», sagt Dieter Hein, Partner des unabhängigen Analysehauses Fairesearch. Das könnte ein Hinderungs-grund sein. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Fusion an der Eigenwilligkeit der Investment-Banker in London scheiterte.

Organisatorisch fiele das schweizerisch-deutsche Bündnis leicht. «Sie sind ziemlich ähnlich aufgestellt», sagt Analyst Hein. Beide Häuser stehen auf zwei starken Säulen. Die Deutsche Bank hat das Investment-Banking und Grosskundengeschäft in der Corporate and Investment Bank (CIB) gebündelt, das Privatkundengeschäft und die Vermögensverwaltung in der Einheit Private Clients and Asset Management (PCAM). Die CS hat ihr Investment-Banking und ihr Asset-Management in der CSFB organisiert, Private Banking, Corporate and Retail-Banking und die Winterthur Versicherungen in der Credit Suisse Financial Services (CSFS).

Allein das Private Banking und das Geschäft mit grossen Firmenkunden sind in beiden Häusern also anders platziert. John Mack, oberster Investment-Banker der Schweizer, ist jedoch gerade daran, Grosskundengeschäft und Investment-Banking nach dem Vorbild der Deutschen Bank enger zu verzahnen. Auch das Private Banking liesse sich leicht von einer Säule in die andere verschieben.

Ob eine mögliche Fusion überhaupt Aussicht auf Erfolg haben kann, hängt, wie so oft, von der Kompatibilität der involvierten Manager ab. In diesem Fall nicht zuletzt von den Egos der Chefs in Zürich. Oswald Grübel, der seit mehr als dreissig Jahren bei der CS arbeitet, stammt aus Deutschland. Co-Chef John Mack ist Amerikaner und erfahrener Investment-Banker. Beide Mentalitäten kennt Ackermann gut. Er hat nicht nur fast zwanzig Jahre für die SKA gearbeitet, sondern war für die Bank lange in New York.

Auch vom Alter her ergänzen sich die Führungspersönlichkeiten. Grübel und Mack sind beide 60 und würden gerne kürzer treten. Ackermann ist vier Jahre jünger und hegt weiterführende berufliche Ambitionen. Und der Schweizer in den Diensten der Deutschen Bank weiss um die nationalen Empfindlichkeiten in Frankfurt. Ein europäisches Institut mit Beteiligung der Deutschen Bank hätte ihren Sitz mit Sicherheit nicht in Frankfurt. Die Deutsche Bank wäre endgültig nicht mehr deutsch.

Schon vor einigen Jahren liess das Haus prüfen, welcher Standort sich am besten eignen würde. Das Ergebnis: Luxemburg oder die Niederlande. Selbst der Finanzplatz London sei günstiger als die Mainmetropole, hiess das für Frankfurt niederschmetternde Fazit.

Nicht ganz überraschend liess sich Josef Ackermann Mitte Juni zum anhaltenden Gerücht einer möglichen Annäherung an die Credit Suisse vernehmen: «Solche Spekulationen entbehren jeglicher Grundlage», liess der Bankenchef in einer schriftlichen Mitteilung verbreiten, «die Deutsche Bank befindet sich nicht in Fusionsgesprächen mit anderen Banken.»