Die Schweizer Justiz muss darlegen, warum sie sieben Jahre brauchte, um einen Verdacht auf Geldwäsche zu überprüfen, der durch entwendete Daten der Genfer Privatbank von HSBC Holdings Plc aufkam. Nachdem eine Gruppe investigativer Journalisten am 8. Februar berichtete, dass HSBC Geschäfte mit Waffenschiebern, Blutdiamantenhändlern und anderen Kriminellen getätigt hat, beschlagnahmte die Genfer Staatsanwaltschaft in der vergangenen Woche Kundenunterlagen der Bank.

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Indes rechtfertigt der Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber Jahre der Untätigkeit damit, dass die Bundesanwaltschaft sich mehr darauf konzentriert habe, den Datendieb Hervé Falciani festzunehmen.

«Situation muss schockierend erscheinen»

«Ich bin mir bewusst, dass diese Situation schockierend erscheinen muss», sagte Lauber gegenüber dem Schweizer Wochenmagazin L’Hebdo in einem am 18. Februar veröffentlichten Interview. «Aber man muss verstehen, dass die juristischen Umstände im Zusammenhang mit dieser Information sehr delikat sind.»

Lauber erklärte, dass die Bundesanwaltschaft nicht befugt gewesen sei, die Falciani-Unterlagen zu Geldwäsche-Verstössen zu durchforsten, weil eine Prüfung der gestohlenen Daten gegen die seit 80 Jahren geltenden Vorschriften zum Bankgeheimnis verstosse. Das Bankgeheimnis hatte der Schweiz geholfen zum weltgrössten Zentrum für Offshore-Vermögen zu werden. Die Genfer Staatsanwälte Olivier Jornot und Yves Bertossa hielt dies jedoch nicht ab, sie sahen in den als Swissleaks bekannten Enthüllungen Grund zu ermitteln.

«Die Schweizer wollten nicht involviert werden»

«Die Schweizer wollten nicht involviert werden», sagt Matthew Parish, geschäftsführender Direktor bei der Sozietät Gentium Law. zum anfänglichen Zögerns der Justiz, zu ermitteln. «Die Vermutung ist schwer von der Hand zu weisen, dass die Durchsuchung der Genfer Staatsanwaltschaft bei der Bank grösstenteils durch die Notwendigkeit angetrieben wurde, demonstrieren zu müssen, dass etwas unternommen wird, und weniger von neuen Beweismitteln.»

In einer ganzseitigen Anzeige eine Woche nach den Enthüllungen durch das Journalistennetzwerk mit Sitz in Washington schrieb der HSBC-Chef Stuart Gulliver, die Bank entschuldige sich aufrichtig für die Versäumnisse bei der Schweizer Privatbank und erklärte, die Tochtergesellschaft sei inzwischen radikal umgebaut worden.

Verwaltete Kapital ist gesunken

Das von der Schweizer Tochtergesellschaft verwaltete Kapital ist zwischen 2007 und 2014 um 43 Prozent auf 68 Mrd. Dollar gesunken und laut Gulliver sind 106 der 140 in der Presse erwähnten Kunden nicht mehr bei der Bank. HSBC habe seit Bekanntwerden des Datendiebstahls 2008 mit den Schweizer Behörden zusammengearbeitet, erklärte die Bank, wollte sich aber nicht weiter äussern.

Zwar sei die Schweizer Bundesanwaltschaft nicht verpflichtet gewesen, HSBC auf Basis der von Falciani gestohlenen Daten zu prüfen, sagt Peter V. Kunz, Jura-Professor an der Universität Bern. Ein Mangel an Ressourcen habe historisch gesehen die Verfolgung der Geldwäsche in der Schweiz beeinträchtigt, erläutert er.

«Ermittlungen wegen Geldwäsche sind eher selten und Urteile gegen Banker noch seltener», sagte Kunz in der vergangenen Woche in einem Telefoninterview mit Bloomberg News. «Die Schweizer Geldwäsche-Gesetze sind streng, so gut wie in anderen Ländern, aber die Umsetzung der Gesetze ist nicht so streng. Wir gehen nicht mit einem Maschinengewehr in der Hand in eine Bank.»

Strafrechtliche Untersuchung gestartet

Während die Schweizer Justiz Ermittlungen zu Falciani in die Wege leitete, der Kontendaten von mehr als 100.000 Personen aus der Genfer Niederlassung von HSBC gestohlen und diese an die französische Regierung weiter gegeben hat, ist erst am Mittwoch eine strafrechtliche Untersuchung wegen Geldwäsche gestartet worden.

Auch soll die Rolle der Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma, die seit dem Datendiebstahl von Falciani zwei separate Anti-Geldwäche-Überprüfungen bei HSBC durchgeführt hat, geklärt werden. Zwar verhängte Finma für die Bank Strafen wegen unzureichender Kontrollen gegen Geldwäsche-Bekämpfung, aber sie hat keine strafrechtliche Untersuchung durch die Bundesanwaltschaft gefordert.

Eine gewisse Rivalität zwischen Genf und der Bundesanwaltschaft

«Es gibt eine gewisse Rivalität zwischen Genf und der Bundesanwaltschaft», sagt Benjamin Borsodi, Jurist bei Schellenberg Wittmer in Genf. «Finma hat Prüfungen bei HSBC durchgeführt, aber ob und was sie an die Bundesanwaltschaft weitergegeben haben, ist schwer zu sagen.» Weder die Finma noch die Bundesanwaltschaft wollten sagen, welche Informationen sie bezüglich HSBC ausgetauscht haben.

Sollten sich die Verdachtsmomente der Genfer Staatsanwälte bestätigen, könnten sich ihre Ermittlungen auf andere Privatbanken ausweiten, die Gelder für dieselben Kunden verwaltet haben, so Borsodi.

(bloomberg/ccr)