Seine Freizeit verbringt Philipp Buhofer mit Vorliebe im Sitzen. Regelmässig steuert der 52-jährige Schweizer Renn-Oldtimer an Rallyes und Rundstreckenrennen – und steht dabei immer wieder auf dem Podest. Dieses Jahr etwa bretterte er mit seinem Lola MK5A aus dem Jahr 1963 über den Hockenheimring.

Weniger rund läuft es Buhofer mit seinen Beteiligungen. Vor allem an Kardex hat der Spross einer Innerschweizer Unternehmerfamilie keine Freude. Zusammen mit der Buru Holding hält er 20 Prozent am Zürcher Logistikkonzern. Der findet aus einem Strudel von Strategiewechseln, Führungsproblemen und Finanzierungsengpässen nicht heraus. Dieses Jahr stürzte die Aktie über 50 Prozent ab. Über zehn Jahre beträgt das Minus fast 80 Prozent.

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Im Restrukturierungsfieber

Gewinn und Margen liegen weit entfernt von den Zielen. Die Gruppe steht darum vor der vierten Restrukturierung in den letzten fünf Jahren und braucht innert vier Jahren zum zweiten Mal frisches Kapital. Nur etwas ist anders: Dieses Mal packt Investor Buhofer selber an. «Wir wollen die drei Kardex-Bereiche wieder rentabler machen. Jeder soll eigenständig bestehen können», sagt er. Wegen der riesigen Probleme baute er vor kurzem bereits die Führung um.

Buhofers Umtriebigkeit kommt nicht von ungefähr. An der Misere ist er nicht unschuldig. Seit 2004 sitzt er im Kardex-Verwaltungsrat. Die Reaktion komme viel zu spät, kritisieren denn auch andere Investoren und Mitarbeiter. Denn in der Vergangenheit lief bei Kardex einiges schief.

Schon vor fünf Jahren steckte das Unternehmen im Restrukturierungsfieber. Der damalige Chef Jos De Vuyst wollte die Sparte AFT umbauen. Sie schrieb tiefrote Zahlen. Die Bemühungen waren erfolglos. AFT wurde in einer Nacht-und-Nebel-Aktion verkauft. Das resultierende Millionenloch hat der Verwaltungsrat mit einer Wandelanleihe gestopft. Die sorgte für neuen Ärger. De Vuyst und sein damaliger Finanzchef haben sie in Franken ausgegeben, Kardex rechnet aber in Euro ab. Eine teure Absicherung wurde nötig.

«Aktionismus prägte das Handeln»

Mit gestärkter Finanzbasis passte De Vuyst die Strategie an und ging auf Expansionskurs. Die Einkaufstour gipfelte in der Übernahme der deutschen M-Log. Diese sollte die neue Strategie One-Stop-Shop – zu gut deutsch alles aus einer Hand – vorantreiben. Aus dem reinen Komponenten- sollte ein integrierter Systemlösungs-Anbieter werden. De Vuyst versprach dem Verwaltungsrat hohe Auftragseingänge, Synergieeffekte und einen positiven Betriebsgewinnbeitrag schon im ersten Jahr.

Er konnte seine Versprechen nicht halten. M-Log schreibt bis heute rote Zahlen. «De Vuyst hat die Marktentwicklung überschätzt und dem Verwaltungsrat viel zu optimistische Businesspläne vorgelegt», sagen Insider. Nicht zum ersten Mal. Das Aufsichtsgremium glaubte an den Expansionskurs und segnete alles ab. «Er musste sich auf De Vuysts Aussagen verlassen, weil er selbst kein Intralogistik-Know-how hatte», sagen ehemalige Kader. Tatsächlich sitzt im Verwaltungsrat kein einziger Logistikfachmann.

Integriert wurden die zugekauften Firmen nicht. «Aktionismus prägte das Handeln», so die Insider. De Vuyst lancierte diverse Optimierungsprogramme. Allein 2008/09 waren es fast ein Dutzend Projekte. Das kostete 2009 über 6 Millionen Franken. «Die Leute vernachlässigten die Kunden», sagen ehemalige Mitarbeiter.

Preiskampf, Überkapazitäten, sinkende Bruttomargen und Managerabgänge waren die Folge und belasten das Unternehmen heute noch.

«Die verschiedenen Fabriken konkurrenzieren sich teilweise und verkaufen zu Preisen unter Herstellkosten.» Auch die Alles-aus-einer-Hand-Strategie sei nicht umgesetzt worden. «Die Divisionen agierten isoliert voneinander.»

«Ich werde weiter Druck machen»

Buhofers neuer Weg, die Bereiche einzeln fit zu trimmen, erachten viele als endgültige Abkehr von der One-Stop-Shop-Strategie. Viele verstehen darum nicht, weshalb Ex-Chef De Vuyst als Divisionsleiter immer noch an Bord ist. Hat er doch bis auf ein Jahr die selbst gesteckten Betriebsgewinn-Margen-Ziele nie erreicht. Buhofer verteidigt: «Als Divisionsleiter ist De Vuyst am richtigen Ort.» Er sei zudem wichti-ger Know-how-Träger. Eine Strategieabkehr bestreitet er. «Die Lösungen aus einer Hand werden wir weiter vorantreiben, angetrieben von M-Log.» Die Divisionen arbeiteten zusammen, wenn auch horizontal und nicht von oben diktiert. Das strategische Holdingdach wird nämlich abgespeckt und in eine Finanzholding umgewandelt.

Für einige Investoren ist dieser Plan unverständlich. Sie sehen Kardex besser positioniert, wenn sie mit Konkurrentin Swisslog fusioniert. «Werden die Divisionen nun einzeln geführt, wird man dem Swisslog-Modell ähnlicher», sagt Gregor Greber von Z-Capital. Eine Fusion sei geprüft worden und habe Kosteneinsparungen im Overhead in Millionenhöhe ergeben. Z-Capital hält Swisslog-Aktien.

Für eine Fusion ist auch Adriano Agosti. «Ich werde weiter Druck machen», sagt der Chef von Goldenpeak Capital. Agosti hält knapp 3 Prozent an Kardex und ist Swisslog-Aktionär. Schon bei der Industrieholding Cham gerieten er und Buhofer aneinander (siehe Kasten).

Keine emotionale Bindung

Buhofer lehnt eine Fusion ab: «Interne und externe Analysen zeigen, dass eine Fusion heute weder für Aktionäre noch die Firma Sinn macht», sagt er. Veränderungen gegenüber der Eigentümerschaft sei er aber nicht generell kritisch eingestellt. Er handle als Verwaltungsrat im Interesse aller Aktionäre. «Ich bin immer offen für sinnvolle neue Wege, die Mehrwert bringen.» Aber nicht jetzt. Erst will er restrukturieren. Bis 2013 soll der Turnaround geschafft sein.

Zuerst stärkt Buhofer die Kapitalbasis – nicht ganz freiwillig allerdings. Sie wurde nötig, weil im Juni die Wandelanleihe auslief. Die Ablösung sollte aus dem laufenden 40-Millionen-Euro-Betriebsmittelkredit bezahlt werden. Das Bankenkonsortium um die UBS forderte nach dem 10 Millionen-Euro-Verlust 2010 mehr Eigenmittel. Die hatte Kardex nicht. Aufgegleist hat Buhofer die Erhöhung geschickt. Sie erfolgt zu Marktpreisen, die Bezugsrechte werden nicht gehandelt. Den langen Weg über eine ausserordentliche Generalversammlung und einen Imageschaden vermied er. In kurzer Zeit schaffte er es auch, Investoren aufzutreiben, die einspringen, falls Altaktionäre nicht mitmachen. Prominente Namen wie Thomas Matters Neue Helvetische Bank sind dabei. Auch das sorgt für Kritik. Die Investoren-Gruppe sei nicht unabhängig, bemängelt Agosti.

Klar ist, Buhofer steht vor turbulenten Zeiten. Ablenkung sucht er als Rennfahrer: «Das ist die beste Entspannung.»

 

Traditionsfirmen: Vom Detailhändler zum Industriellen

Unternehmerfamilie
Philipp Buhofer (52) repräsentiert die vierte Generation der Unternehmerfamilie. Während sein Bruder bei der Metall-Zug-Gruppe das Sagen hat, ist Philipp Buhofer für das in der Buru Holding gebündelte Industriegeschäft verantwortlich. Die gewichtigste Beteiligung ist die Cham Paper, die Buhofer präsidiert. Sie entstand 2009 aus der Industrieholding Cham. Damals wurde das Immobilien-Geschäft abgespalten. Im Vorfeld gerieten Buhofer und Investor Adriano Agosti aneinander. Kardex wurde 2004 aus der IC Cham herausgelöst und an die Börse gebracht.

Detailhändler
Vor dem Industrieengagement war die Familie Buhofer im Detailhandel tätig, mit der Ladenkette Epa, die sie 2003 an Coop verkaufte. Buhofer hat eine kaufmännische Lehre und die höhere Wirtschafts- und Verwaltungsschule absolviert und arbeitete als Einkaufsmanager beim Grosshändler Metro. Er war aber auch Fluglehrer und Berufspilot in den USA.