Fühlen Sie sich persönlich in Weihnachtsstimmung?

Karsten Schmidt: Noch nicht. In den Monaten November und Dezember erfolgt die Hälfte unseres gesamten jährlichen Abverkaufs an die Konsumenten. Deshalb fehlt ein wenig die Ruhe, die es braucht, um die Vorweihnachtszeit zu geniessen.

Und wie ist die Stimmung bei Ihnen als CEO von Ravensburger?

Schmidt: Gut, denn es macht Spass, mitzuerleben, wie die Produkte, die wir auf den Markt gebracht haben, beim Publikum ankommen.

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Sind die Ergebnisse auch entsprechend?

Schmidt: Ja. Im Vergleich zum Vorjahr liegt die Gesamtgruppe per Ende Oktober bei einem Plus von rund 8%. Nicht berauschend, aber angesichts der rückläufigen Märkte können wir zufrieden sein.

Wiel läuft das Weihnachtsgeschäft?

Schmidt: Es ist vor allem in einigen Ländern wie Deutschland, Österreich und Italien unglaublich spät angelaufen.

Was ist der Grund?

Schmidt: Die Konsumbereitschaft hat aus mehreren Gründen abgenommen. Zum einen hat der Euro die Lebenshaltungskosten stark verteuert, zum andern werden die Menschen durch die angespannte Situation der öffentlichen Haushalte vermehrt gezwungen, selber auf ihre Altersversorgung zu achten. Deshalb geben sie ihr Geld bewusster aus. Konsum beginnt ja im Kopf, und wenn dort eine Blockade herrscht, konsumiert man nicht oder weniger.

Der Blick auf die gesamte Branche zeigt: Überall gibt es Krisensignale. Vor allem Traditionsnamen wie Hasbro, Mattel, Lego und Märklin, um nur einige zu nennen, liefern negative Schlagzeilen. Was ist los?

Schmidt: Ich rede nicht gerne über Mitbewerber, vor allem, wenn es ihnen nicht gut geht.

Vor wenigen Jahren hätte man Ravensburger ebenfalls zu den Traditionsunternehmen zählen müssen, die in Schwierigkeiten stecken.

Schmidt: Ravensburger machte 1999/2000 eine schwere Krise durch, jedoch nie im Stammgeschäft. Die Krise war eine Folge der Diversifizierung der 90er Jahre im Bereich der elektronischen Spiele. Das war für Ravensburger ein völlig unbekannter und erst noch von wenigen finanzkräftigen Branchenriesen beherrschter Markt. Kam hinzu, dass die Entwicklungskosten sehr hoch waren und sich niemals durch die Verkäufe hereinholen liessen. Das alles hat uns unheimlich viel Geld gekostet und zur Trennung von den defizitären Sparten gezwungen.

Nach der Krise ist es mit Ravensburger wieder aufwärts gegangen. Ist die Unabhängigkeit des Unternehmens gesichert?

Schmidt: Die strategische Frage, ob Ravensburger seine Unabhängigkeit bewahren kann, stellt sich auch heute, wo es uns wieder gut geht, und zwar vor dem Hintergrund, dass in China ein riesiger Markt entsteht und der Wettbewerb auf globaler Ebene immer härter wird. Wir haben sie beantwortet und uns eine klare Vision gegeben.

Wie sieht diese aus?

Schmidt: Ravensburger befindet sich in der dritten Generation im Besitz einer Familie, deren Hauptziel es ist, die Firma als eigenständigen Familienbetrieb zu erhalten.

Was heisst das für die operative Führung?

Schmidt: Das wird sehr stark durch den Handel bestimmt. Hier beobachten wir, dass der Trend bei den Spielwaren vom Fachhandel zum Verbrauchermarkt geht, wie das in der Schweiz schon längst der Fall ist. Das hat für die Hersteller tief greifende Folgen.

Welche?

Schmidt: Der Fachhandel pflegt ein breites Sortiment und berücksichtigt deshalb hunderte von Lie-feranten, während sich der Verbrauchermarkt auf wenige konzentriert. Verständlich, denn bei Carrefour macht der Anteil der Spielwaren ja nur 1 bis 2% aus. Am Ende werden 10 bis 15 Top-Lieferanten von Spielwaren übrig bleiben, zu denen man langfristig gehören muss, wenn man die Unabhängigkeit bewahren will.

Was heisst das für Ravensburger konkret?

Schmidt: Wir können uns nicht global engagieren. Wir sind ein mittelständisches Unternehmen und verfügen weder über die finanziellen Mittel noch die Management-ressourcen, die für solche Aktivitäten nötig wären. Wir müssen fokussieren, wobei unser Fokus ganz klar Europa ist. Dass wir in den meisten europäischen Märkten bereits heute über eigene Infrastrukturen verfügen, ist in diesem Zusammenhang ein Vorteil.

Das ist aber nur eine geographische Fokussierung.

Schmidt: Ja. Zusätzlich müssen wir die Marke Ravensburger verstärken.

Das heisst?

Schmidt: Ravensburger ist eine unheimlich starke Marke. Sie ist ein Traum. Sie ist so klar positioniert, steht für Qualität und Vertrauen und gleichzeitig bedeutet sie Lernen und Unterhaltung. Bei allem Rauf und Runter, welches das Unternehmen Ravensburger durchgemacht hat, hat die Marke nie Schaden genommen.

Womit hat das zu tun?

Schmidt: Weil die Marke von innen her, vom Inhalt und vom Herzen her aufgebaut worden ist. Sie ist kein Marketingprodukt. Die Inhaberfamilie lebt diesen Inhalt, diesen ganz spezifischen Ravensburger Geist seit 121 Jahren. Das spürt der Konsument. Wir sehen in der Weiterführung dieser Tradition eine enorme und auch moralische Verpflichtung.

Was ist die grösste Herausforderung dabei?

Schmidt: Den Übergang zu schaffen von verlegerorientiertem Denken, das in der Regel von einem Weltbild oder einer Vision geprägt ist, zu einem marktorientierten Denken, wie es in der Konsumgüterbranche heute üblich ist, ohne dass die traditionellen Werte über Bord geworfen werden.

Welche neuen Bereiche wollen Sie unter der Marke Ravensburger platzieren?

Schmidt: Unter dem Titel «Ministeps» bieten wir neu Produkte für Kinder von 0 bis 3 Jahren an. Bis dahin waren die Vierjährigen unsere jüngste Zielgruppe. Das gute Echo zeigt, dass es für die Konsumenten fast logisch erscheint, dass Ravensburger nun auch Angebote für Kleinkinder macht.

Der diesjährige Unternehmenserfolg hängt im Wesentlichen mit einem Produkt zusammen, dem Puzzle-Ball. Wussten Sie, dass das Produkt ein Erfolg würde?

Schmidt: Wir hofften es. Dank Marktforschungen konnten wir das Produkt so optimieren, dass der Puzzle-Ball nun auch ein Verkaufserfolg wird. Obwohl wir mit unserer Lizenz nur 20% des weltweiten Spielwarenmarkts abdecken, verkaufen wir 70% der gesamten Produktion.

Wie bringen Sie die fernseh- und elektronikverwöhnten Jugendlichen zum klassischen Spiel?

Schmidt: Das funktioniert nicht unter der klassischen Marke Ravensburger. Denn Jugendliche fühlen sich schon sehr früh als Erwachsene, die sich ganz bewusst von der Gruppe der Kinder auf der einen und der Gruppe der Eltern auf der anderen Seite abgrenzen. Für die Jugendlichen steht die Marke Ravensburger für die Kindheit und Erziehung. Sie wollen in dieser Phase nichts mehr von ihr wissen, bis sie selber wieder Kinder haben. Das heisst: Man kann mit einer Marke nicht alle erreichen. Deshalb müssen wir mit anderen Labels arbeiten, zum Beispiel mit unserem «Fishtank».

Und wie stellen Sie sich zum Markt der Über-60-Jährigen?

Schmidt: Diese Altersgruppe hat Zeit und noch Geld, für uns also eine sehr attraktive Zielgruppe, die aber aufgrund der unterschiedlichsten Lebenserfahrungen sehr heterogen ist. Wir sind gerade dabei, die wesentlichen Grundstrukturen zu erfassen.



Ist also einmal mit Spielen für ältere Erwachsene zu rechnen?

Schmidt: Gut, dass Sie nicht von «Seniorenspielen» sprechen, denn das wäre marketingtechnisch betrachtet ein Fehler. Niemand würde ein Seniorenspiel kaufen. Aber: Wir haben bei dieser Zielgruppe die grösste Kompetenz von allen Anbietern überhaupt, weil sie uns als Kleinkind erlebt hat, dann als Kind, als Eltern und jetzt als Grosseltern. Die Marke Ravensburger hat sie ein Leben lang begleitet.

Wie sieht das Spiel im Jahr 2010 aus?

Schmidt: Wenn ich das wüsste, wäre mir sehr geholfen. Ich gehe davon aus, dass die Grenzen zwischen den verschiedenen Nutzungskategorien immer mehr verwischen. Das gilt für alle Produkte. So kann man mit dem Handy heute auch fotografieren. Ich denke, dass man künftig nicht mehr sagen kann, hier ist die elektronische Welt und dort ist die traditionelle Welt der Spiele.

Sie waren früher in der Tabakbranche tätig. Was ist der Unterschied zur Branche, in der Sie heute tätig sind?

Schmidt: Ich geniesse es, in der Spielwarenbranche tätig zu sein. Spiele sind im Unterschied zu Zigaretten ein sozial hoch anerkanntes Produkt. Man hat es leichter, im Freundes- und Bekanntenkreis über seine eigene Arbeit zu sprechen. Kommt weiter hinzu, dass ich zu Hause mit meiner Familie meine Produkte erlebe und sehen kann, was man damit bewegt und an Emotionen auslöst. Oder wie sich die eigene Familie dank eines Produktes miteinander beschäftigt.

Klingt idealistisch.

Schmidt: Es geht nicht nur mir so, sondern praktisch allen Mitarbeitern hier in Ravensburg. Die meisten arbeiten nicht nur, um Geld zu verdienen, sondern auch, weil sie spüren, dass sie über den Umsatz hinaus einen Beitrag für die Gesellschaft leisten.

Das ist es also wieder, das Verlegerdenken.

Schmidt: Ja. Das wollen wir auch nicht komplett wegwischen, um Gotteswillen nicht. Es spornt die Mitarbeiter zu Leistungen an, die nicht zu erbringen wären, wenn nicht dieses Element der gesellschaftlichen Verantwortung mit dabei wäre.



Spielwarenmarkt: Mehr Umsatz

Die traditionelle Spielwarenbranche stagniert und ist in vielen Bereichen rückläufig so der weltweite Trend. Aktuelle Zahlen von IHA-GfK zeigen für den Schweizer Markt in den ersten zehn Monaten 2004 überraschend ein Umsatzwachstum von 0,7% auf 134,7 Mio Fr. im Vergleich zu 2003. Grund dafür könnte eine Umsatzverlagerung von den Fachhändlern zu den Grossverteilern sein. Die Detaillisten werden im IHA-Panel nicht erfasst. (mik)



Vom Zigaretten- zum Spielwarenverkäufer

Steckbrief

Name: Karsten Schmidt

Funktion: Chef der Ravensburger AG, Ravensburg

Alter: 48

Wohnort: Penzberg bei München

Familie: Verheiratet, zwei Kinder

Ausbildung: Dipl. Betriebswirt

Karriere

1980 - 1985 Brandmanager bei Procter & Gamble, Schwalbach

1985 - 2000 Verschiedene Positionen bei Philip Morris, München, ab 1997 Chef

2000 - 2002 Private Equity Engagement, Unternehmungsberater

Seit 2002 Chef Ravensburger AG

Ravensburger

Das von Otto Robert Maier 1883 gegründete Unternehmen zählt zu den führenden europäischen Spielzeugherstellern. Die Ravensburger- Gruppe erzielte im Geschäftsjahr 2003 einen Umsatz von 267 Mio Euro (2002: 254,4 Mio Euro). Das Gesamtergebnis lag mit 14,9 Mio Euro um 55% höher als im Vorjahr. Die Steigerung ist vor allem den verbesserten Umsatzerlösen der beiden Geschäftsbereiche Spiele, Puzzles, Beschäftigung und Kinder- und Jugendbuch zuzuschreiben. 49,8% der Umsätze tätigt Ravensburger im Ausland. Ihre schweizerische Tochtergesellschaft ist die Carlit & Ravensburger in Würenlos AG. (syn)