Man würde es heute nicht mehr für möglich halten: Vor nicht mehr als 100 Jahren war ein beachtlicher Teil des heute mit Wohnhäusern verbauten rechten Zürichsee-Ufers, der so genannten Goldküste, mit Reben bepflanzt. «Allein in Herrliberg standen damals auf 180 ha Rebkulturen», erzählt Kaspar von Meyenburg. «Heute sind es noch 5 ha, davon bewirtschafte ich 4,5.» Bis vor zehn Jahren waren es noch weniger gewesen, denn als von Meyenburg 1994 die Leitung des prachtvollen Schipfguts in Herrliberg übernahm, wurde es noch als traditioneller Mischbetrieb geführt.

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Kaspar von Meyenburg beschloss, das 1582 vom Zürcher Tuch- und Seidenhändler David Werdmüller gegründete und im 17. und 18. Jahrhundert von den Stadtzürcher Familien Werdmüller und Escher zu einem repräsentativen Anwesen erweiterte Landgut in einen reinen Weinbaubetrieb umzuwandeln. Geeignete Lagen wurden mit neuen Reben verschiedener Sorten bestockt, die 300 Jahre alte Trotte und der imposante Gewölbekeller, über dem sich ein grosser Rokoko-Festsaal befindet, entrümpelt und mit den für einen zeitgemässen Weinbau nötigen Apparaturen ausgestattet.

Schon als Kind habe ihn der Weinbau fasziniert, erzählt von Meyenburg. Doch bevor er sich vor nunmehr elf Jahren ganz dem Winzerberuf zuwandte und das Schipfgut übernahm, das sich seit über 120 Jahren im Besitz der Familie von Meyenburg befindet, machte der promovierte Naturwissenschaftler Karriere als Professor für Mikrobiologe an der Universität Kopenhagen und als Leiter der Abteilung für Mikrobiologie der ehemaligen Ciba-Geigy in Basel.

Statt weitere Karriere als Mikrobiologe Weinbauer

«Zuerst versuchte ich die Geschicke des Betriebs aus der Ferne zu lenken», erinnert sich von Meyenburg. «Ich musste jedoch bald einsehen, dass dies nicht praktikabel war. Deshalb entschloss ich mich, meine Forschungstätigkeit aufzugeben und den Weinbau selbst in die Hand zu nehmen.» Ein Entscheid, der ihm zwar nicht leicht gefallen sei, den er aber - wie er anfügt - auch nicht bereut habe. «Weinbau hat ja auch sehr viel mit Mikrobiologie zu tun, und das Schöne daran ist, dass man das Resultat seiner Arbeit lustvoll geniessen kann.»

Zudem tauchen immer wieder interessante Fragen auf, die es genauer zu erforschen gilt. So hat von Meyenburg jüngst den Einfluss von Sauerstoff auf das Gärverhalten von Jungwein untersucht und die Erkenntnisse letzten August in der Schweizerischen Zeitschrift für Obst- und Weinbau publiziert.

Seit von Meyenburg auf dem Schipfgut die Zügel in die Hand genommen hat, hat sich die Qualität der erzeugten Weine markant verbessert. «Die Weine, die hier bis Anfang der 90er Jahre erzeugt wurden, könnten wohl heute nicht mehr verkauft werden.» Obwohl im vergangenen Jahrzehnt die Zürichsee-Weine insgesamt ein beachtliches Niveau erreicht haben, kämpfen die Winzer immer noch mit dem tief im Kollektivgedächtnis verankerten Negativimage. Weinfreunde sind nach wie vor der irrigen Meinung, dass es nicht möglich sei, am Zürichsee trinkbare Tropfen zu erzeugen. «Für den Weinbau ist zwar das Klima am Zürichsee eher marginal», meint von Meyenburg, «was freilich nicht heissen will, dass man hier nicht auch ausgezeichnete Weine erzeugen kann.»

Aus zehn kultivierten Rebsorten keltert von Meyenburg nicht weniger als 16 verschiedene Weine. Allesamt keine «Technoweine», sondern authentische Gewächse, die die Sorte, die Lage und das jeweilige Jahr widerspiegeln. Bei den Weissweinen ist zurzeit der 2003er Jahrgang im Verkauf; ein Jahrgang, der zur vollen Zufriedenheit von von Meyenburg ausgefallen ist. Der klassische Riesling x Sylvaner präsentiert sich frisch und fruchtig, die Riesling x Sylvaner-Spätlese harmonisch und mit süsslichem Schmelz, der Räuschling, die traditionelle Zürichsee-Sorte, mit einem schönen blumigen Bouquet, einem schlanken Körper und einer knackigen Säure, der Pinot Gris dagegen opulent und gehaltvoll und mit einem Hauch von gut integrierter Restsüsse.

Von den in kleineren Mengen erzeugten Spezialitäten zeigt sich der aus spät gelesenen Trauben gekelterte Pinot Blanc fruchtbetont und gut ausbalanciert, während der Gewürztraminer mit einem sortentypischen Rosenbouquet und einem kräftigen, kompakten Körper aufwartet.

Weniger bekannt, aber eine Entdeckung: Der Freisamer

Eine Entdeckung ist der bei uns wenig angebaute Freisamer, eine Kreuzung zwischen Sylvaner und Pinot Gris. Er beeindruckt mit seiner blumigen, aromatischen Nase und seinem harmonischen, eleganten und von einer delikaten Säure gestützten Körper. Von aussergewöhnlichem Format ist schliesslich der im Barrique auf der Hefe ausgebaute Chardonnay, dem von Meyenburg eine Steillage zugestanden hat und der sich seines Lagenprivilegs würdig erweist. Sowohl der 2002er wie der 2003er imponieren mit einem markanten, vielschichtigen Bouquet und einem gut strukturierten, perfekt ausbalancierten Körper, dem eine präsente, aber nicht aufdringliche Säure Frische und Finesse verleiht. Bei den roten Sorten dominiert der Pinot Noir. Zur Angebotspalette gehören neben dem süffigen Clevner eine fruchtig-elegante Auslese (eine Selektion davon wird auch im Barrique ausgebaut) und eine äusserst gehaltvolle Spätlese. Die 2003er Spätlese (in 500- bis 700-l-Fässern ausgebaut) ist in der Nase geprägt von reifen Beeren und dezenten Rosinennoten, im Gaumen präsentiert er sich vollmundig und geschmeidig, komplex und lang.

Gewissermassen als Hommage an den heissen, trockenen Sommer des Jahres 2003 hat Kaspar von Meyenburg mit überreifen, am Stock angetrockneten Trauben einen Amarone-ähnlichen Wein gekeltert, den er augenzwinkernd «Casparone» nennt. Es ist dies ein Ausnahmegewächs von wuchtiger, warmer Fülle, markanten, gut eingebauten Tanninen, einer schönen, Frische verleihenden Säure und einem langen Ausklang. Und ein Wein, der zusammen mit den anderen Schipfgut-Erzeugnissen beweist, dass das Gute auch in nächster Nähe zu haben ist.

Die Weine sind direkt ab Gut erhältlich: Schipfgut, Kaspar von Meyenburg, Seestrasse 1, 8704 Herrliberg. Tel. 01 915 34 61; Fax 01 915 17 40.