Mike Horn ist ein verrückter Kerl. Er schwamm als erster Mensch den ganzen Amazonas hinunter. Er umrundete in 27 Monaten die Erde entlang des nördlichen Polarkreises allein. Horn muss auf seinen Reisen deshalb oft selber Trinkwasser herstellen. Der Südafrikaner benutzt dazu mit Vorliebe Filter, Pumpen und Entkeimungsmittel eines Kleinbetriebs, der im Industriegebiet von Wallisellen liegt. Seit 1928 produziert dort die Katadyn-Gruppe Wasseraufbereitungssysteme aller Art. Und sie macht ihren Job gut.

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Entsalzer für die US-Armee

Genauer betrachtet ist das zunächst unscheinbar wirkende Unternehmen mindestens so beeindruckend wie Mike Horns waghalsige Touren um den Globus. Denn obwohl ihre Produkte mit viel teurer Schweizer Handarbeit fabriziert werden, ist die Katadyn- Gruppe mit 52% Weltmarktanteil Leaderin bei den portablen Wasseraufbereitungssystemen und geschäftet mit einer Ebitda-Marge von 15 bis 18% äusserst erfolgreich. Jährlich verlassen rund 100000 Wasserfilter, 200000 Filterelemente und 10 Mio Wasserreinigungs-Tabletten die Produktionsstätte im KantonZürich. Und sie gelangen längst nicht nur in die Hände durstiger Abenteurer. Auch internationale Hilfswerke, die in (trinkwasserarmen) Drittweltländern tätig sind, sowie ausländische Armeen setzen gerne Katadyn-Systeme ein. «Jeder US-Marineflieger besitzt einen portablen Katadyn-Entsalzer», sagt CEO Adrian Schmassmann und zeigt auf ein handliches schwarzes Gerät. Damit lässt sich aus Meerwasser salzfreies Trinkwasser gleichsam zaubern. «Es ist der einzige tragbare Entsalzer überhaupt», fügt Schmassmann stolz hinzu.

Für den Durchschnittsreisenden besonders praktisch ist die Katadyn-Bottle, eine Plastiktrinkflasche mit eingebautem Jodfilter, der auch Viren beseitigt. Die Flasche kann an jedem Bach mit Wasser gefüllt werden, dieses wird beim Saugen automatisch durch den Filter gedrückt und ist sofort trinkbar. Vor dem Hintergrund, dass laut WHO 80% aller Reiseerkrankungen auf verunreinigtes Wasser zurückzuführen sind, ist die Katadyn-Bottle eigentlich ein Muss für jeden Weltenbummler.

Toyota-Managementstrategie

Der Erfolg des kleinen Walliseller Unternehmens erstaunt besonders angesichts der Produktionsabläufe. In der Industriehalle sind kaum Maschinen, dafür viele fleissige Hände am Werk. Die Angestellten stehen an U-förmig angeordneten Werkplätzen und arbeiten sich vom ersten bis zum letzten Teil durch, um jeweils ein Filtersystem vollständig zusammenzusetzen und am Schluss auch gleich zu verpacken. «Ziel ist es, dass jeder Mitarbeiter jedes Produkt selber herstellen kann», sagt Schmassmann. Die Arbeit werde absichtlich nicht in viele Einzelschritte unterteilt. Die Vorteile: Fehler können von derjenigen Person korrigiert werden, die sie produziert hat, Doppelspurigkeiten werden vermieden. Zudem fördert eine solche Arbeitsteilung die Identifikation mit dem Produkt und mit der Firma.

Schmassmann führt den Betrieb nach den Prinzipien des «Toyota Manufacturing System» einer vom gleichnamigen Autohersteller entwickelten Management-Philosophie, die vor allem eines will: Jeglichen unnötigen Aufwand vermeiden. Dazu gehört auch, dass an den Arbeitsstationen nur immer so viele Teile bereitstehen, wie effektiv gebraucht werden. Mit roten Bestellscheinen, die im Korridor aufgehängt werden, können die Angestellten Nachlieferungen selber anfordern. Das bringt Eigenverantwortung für die Mitarbeiter und weniger Kosten für Zwischenlagerungen.

Er kam, sah und baute um

Den Grundstein zum Erfolg der Firma legte der CEO jedoch mit seinem feinen Gespür für die Gesetze des Marktes. Als Schmassmann 1998 im Rahmen eines Management-Buy-Out in Wallisellen das Zepter übernahm, stimmte zwar die Marge, die Positionierung des Unternehmens hingegen nicht. Zwei Drittel des Umsatzes erzielte die Firma damals im Bereich der industriellen Wasseraufbereitung. Weil dieses Segment jedoch zunehmend von internationalen Grossfirmen dominiert wurde, schrieb die Katadyn rote Zahlen. Schmassmann, der zuvor bei Saurer im Management tätig war, kam, sah und stellte alles auf den Kopf mit Erfolg. Den erzielten Ertrag investierte Schmassmann in den folgenden Jahren jeweils in die Akquisition diverser auf Outdoor und Trekking spezialisierter Firmen im In- und Ausland. Sein Plan: Die Katadyn sollte sich auf die portable Wasseraufbereitung konzentrieren. Dort sah der junge Manager Zukunftspotenzial: Die boomende Reise- und Outdoorbranche versprach anhaltend hohe Margen. Schmassmanns Rechnung ging auf. Heute erzielt die Katadyn-Gruppe einen Jahresumsatz von 33 Mio Fr. und beschäftigt weltweit 85 Mitarbeitende. Und die dürfen sich mitfreuen über den Erfolg: «Sie werden dieses Jahr einen Bonus von je 4000 Fr. erhalten», freut sich der Chef.

Qualität vor Wachstum

Die Konkurrenz schläft allerdings nicht. Der stärkste Mitbewerber, das US-Outdoor-Unternehmen Cascade Designs, drückt auf die Preise. Schmassmann will der Herausforderung mit weiteren Produktivitätssteigerungen und mit Schweizer Qualität begegnen. «Zudem investieren wir derzeit viel ins Marketing.» Vor allem aber gelte eine Prämisse: Qualität kommt vor Wachstum.

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Firmen-Profil

Name: Katadyn Produkte AG

Gründung: 1928 als Oligodyn AG

Umsatz: 33 Mio Fr.

Beschäftigte: 85 (weltweit)

CEO: Adrian Schmassmann

Produkte: Unter anderem Filtersysteme zur portablen Wasseraufbereitung, portable Systeme zur Entsalzung von Meerwasser

Kunden: Rüstungsbehörden, Outdoor-Industrie

Internet: www.katadyn.com

Conny Schmid
Conny Schmidschreibt seit 2008 für den Beobachter. Sie beackert vorzugsweise sozial- und gesellschaftspolitische Themen und interessiert sich für alles, was Menschen bewegt.Mehr erfahren