Wir haben mit dem Internet, den Call-Centers, dem Offshoring- und Outsourcing-Trend längst die 24-Stunden-Gesellschaft erreicht», sagt David Bosshart vom Gottlieb Duttweiler Institut. Er wendet aber ein: Beim Shopping mache der 24-Stunden-Betrieb nur Sinn an hochfrequentierten Lagen und dort, wo ein breites Angebot zur Verfügung stehe. Vielfach rechne sich sonst eine Ausdehnung der Öffnungszeiten nicht.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Dieser Ansicht ist auch Jürg Kretzer von Coop-Mineralöl, welche Anfang November den 150. Pronto-Shop eröffnet hat. Obwohl durchgehende Öffnungszeiten vielerorts möglich wären, gebe es nur einen Coop-Pronto-Shop, der 24 Stunden, sieben Tage die Woche geöffnet sei, und zwar in Kemptthal. Durchschnittlich sind die Shops, die oft bei Tankstellen untergebracht sind, zwischen 6 Uhr bis 22 Uhr geöffnet.

Mobile flexible Gesellschaft

Allerdings sind die Ladenöffnungszeiten und das Arbeitsrecht kantonal und kommunal sehr unterschiedlich geregelt. Doch der Trend ist eindeutig: Die Bürgerinnen und Bürger fordern immer längere Öffnungszeiten, wie das Beispiel Aargau zeigt, wo für die Streichung des Ladenschlussgesetzes per Anfang 2006 gestimmt wurde. Im Kanton Basel-Stadt wurden überdies Anfang dieses Monats die Ladenöffnungszeiten auf 6 bis 23 Uhr ausgedehnt.

Die Convenience-Shops (Avec, Aperto, Pronto usw.) spriessen wie Pilze aus dem Boden. Laut Max Baumgartner, Sprecher von Avia, welche an 100 von total 700 Tankstellen einen Shop betreibt, ist das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft. Interessanterweise sieht er einen direkten Zusammenhang zwischen dem Bäckereisterben auf dem Lande und dem sonntäglichen Run auf die Tankstellen-Gipfeli.

Auch die RailCity-Shops in den sieben Bahnhöfen verzeichnen seit Jahren eklatante Umsatzsprünge trotz allgemeiner Konsumflaute. Im laufenden Jahr wird der RailCity-Umsatz über 5% auf 850 Mio Fr. ansteigen notabene ohne Flächenexpansion.

Zur erhöhten Mobilität, von denen die Läden an Pendlerpassagen profitieren, kommt der Anstieg von «atypischen Arbeitsformen» hinzu. Darunter sind Jahresarbeitszeitmodelle (5% der Beschäftigten), Arbeit auf Abruf (4%), Heimarbeit (1,7%), Schicht (9,1%) oder freie Wahl der Arbeitszeit (8%). Noch 58% der Beschäftigten arbeiten nach wie vor nach festem Stundenplan. 354000 Personen erledigen zu Hause bezahlte Arbeit für den Arbeitgeber. 256000 Angestellte machen alternierende Telearbeit via Mobilphone, E-Mail und PC.

«Horrorvision unrealistisch»

Trotz zunehmender Flexibilisierung gibt es auch Grenzen der Liberalisierung. Diese Grenzen ergäben sich auf ganz natürliche Art und Weise, sagt Thomas Bornhauser, Leiter Kommunikation und Kulturelles Migros Aare. «Kein einziges Geschäft kann und wird es sich leisten, den Laden offen zu halten, bloss weil man gesetzlich darf. Diese absichtlich konstruierte Horrorvision gewisser Kreise, dass in der Schweiz künftig Läden 24 Stunden und sieben Tage offen sein werden, ist bewusste Taktik, fern ab jeder Realität.»