Kein Unternehmen zweifelt am enormen Bedarf an Kindertagesstätten. Auch ist den Schweizer Firmen klar, wie schwer sich junge Eltern tun bei der Suche nach einem Betreuungsplatz. «Die Plätze für Säuglinge sind nach wie vor sehr gesucht, und die Warteliste ist sehr lang», sagt Olivier Michel, Sprecher der Zürich-Versicherung. «Die Nachfrage nach Krippenplätzen ist gross und verglichen mit den Vorjahren steigend. Insbesondere nimmt zurzeit die Nachfrage nach Betreuungsplätzen für Babys zu», erklärt Nicole Pfister von der Credit Suisse Group. Kindersegen und Engpässe auch bei Swisscom, die von einer bedeutenden und zunehmenden Nachfrage spricht. Bei Swiss Re heisst es: «Es werden mehr Babyplätze als früher gewünscht.»

Betriebswirtschaftlich gesehen wäre die Nachfrage nach der Dienstleistung Kindertagesstätte ein klarer Fall für Expansion. Doch keiner der angefragten Grosskonzerne plant Mehrinvestitionen bei den Kinderkrippen. Bei Swisscom etwa geschieht das Gegenteil: Die zwei betriebsinternen Krippen wurden vor einigen Jahren ausgelagert. «Seit Januar 2005 hat die Swisscom auch keine eigentlichen Partnerkrippen mehr oder ist dabei, die Partnerschaften aufzulösen», sagt Swisscom-Sprecherin Pia Colombo. Diese würden privat weitergeführt und böten die Plätze zu einem normalen Tarif an. Neu beteilige sich Swisscom direkt an den Kosten mit einkommensabhängigen Beiträgen an die Eltern. Die Gesamtkosten dürften sich auf gut 1 Mio Fr. pro Jahr belaufen.

*Finanzierung oft in der Luft*

Die Swisscom-Beiträge an die Eltern sind zwar löblich, führen aber nicht zur Schaffung neuer Krippenplätze. Um deren Zahl zu erhöhen oder mindestens stabil zu halten, sind die Krippen auf eine Vorfinanzierung oder Zahlungsgarantie angewiesen.

Die Kinderkrippenorganisation Childcare Service verdankt ihre Expansion auf sieben Krippen innert der letzten Jahre solchen Garantien. Sie zählt 87 Mitgliedfirmen von BKW über UBS bis Zürich. Swiss-Re-Mitarbeitenden beispielsweise stehen bei Childcare Service 29 vertraglich festgelegte Krippenplätze zur Verfügung. «Swiss Re übernimmt die Defizitgarantie für die nicht belegten Plätze», sagt Swiss-Re-Sprecherin Brigitte Meier. Ähnlich hat Swiss Life fünf Plätze pro Jahr reserviert.

Die Kosten von 110 Fr. im Tag liegen bei UBS, Swiss Life und Swiss Re bei den Eltern. «In allen unseren Standorten Basel, Bern und Zürich gibt es nur rund drei bis vier Unternehmen, die sich an den Betreuungskosten beteiligen», sagt Childcare-Geschäftsführerin Renate Derungs. Bald stehe die Eröffnung einer vierten Krippe in Zürich an, die Childcare übernommen und ausgebaut habe. Geholfen habe dabei die neue Anschubfinanzierung des Bundes (siehe Kasten).

*Angebot unzureichend*

Doch die bald 120 Kinderkrippenplätze von Childcare allein in Zürich, die ausschliesslich Angestellten von Mitarbeiterfirmen offen stehen, sind ein Tropfen auf den heissen Stein. «Das bestehende Angebot reicht nicht aus, um die Nachfrage zu befriedigen. Ein Krippenplatz kann deshalb nicht garantiert werden», heisst es auf der Homepage von Childcare.

Gemäss Ulla Grob-Menges, Geschäftsführerin des Schweizerischen Krippenverbands, dem über 500 Krippen angeschlossen sind, setzte nach dem Millennium ein regelrechter Kinderkrippenboom ein. Doch sie beobachtet, dass bei einem Aufschwung die Kinderbetreuung als letzte von Zuwendungen profitiert. Von Investitionserhöhungen in diesem Bereich sei zum jetzigen Zeitpunkt weit und breit keine Spur zu sehen, weder von Seiten der Gemeinden noch von Unternehmen. «Die wenigsten Firmen haben ein Angebot für die Kinderbetreuung, nur in seltenen Fällen erhalten die Mütter finanzielle Unterstützung.»

Unternehmen mit firmeneigenen - und logischerweise nicht rentablen - Kinderkrippen werden angesichts des Outsourcing-Trends immer mehr zur Ausnahme. Eine solche ist die Credit Suisse Group. Sie betreibt firmeneigene Kinderkrippen in Zürich, Genf und Winterthur. Sie führt zudem Partnerschaften mit Childcare und anderen externen Kinderkrippen und verfügt über ein einkommenabhängiges Tarifmodell. Zudem würden Eltern mit tiefen Einkommen Subventionen erhalten. Zu den grosszügigeren Konzernen zählen auch die SBB, die seit Jahren versuchen, den Frauenanteil - heute 12,5% - zu erhöhen. Sie zahlen je nach Einkommen bis 90% an die Kosten für die Betreuung.

Im Gegensatz zu Australien oder England, wo einzelne Childcare-Institutionen an die Börse gingen, ist in der Schweiz noch keine lukrative Kinderkrippe publik geworden. «Wir sind rentabel dank den Defizitgarantien», sagt etwa Derungs. Laut Grob-Menges können sich viele Krippen nur über Wasser halten, weil viele Aufgaben durch gemeinnützige Organisationen und ehrenamtlich erfüllt werden.

Wenig überraschend schnitt die Schweiz in der OECD-Studie «Babies and Bosses» von November 2004 schlecht ab. Die Investitionen für Kindertagesstätten betragen nur 0,2% des Bruttoinlandproduktes - Dänemark und Schweden investieren das Zehnfache. Die OECD fordert Firmen auf, Eltern die Kombination von Arbeit und Kindern einfacher zu machen, und zwar im ureigenen Interesse, um die Produktivität zu erhöhen.

Laut Grob-Menges zahlen sich die Investitionen aus, denn Firmen mit Kinderbetreuungsplätzen gelten als attraktive Arbeitgeber. «Für eine familienfreundliche Unternehmenspolitik sind Angebote für die Kinderbetreuung zentral - die Manager sollten sich mehr engagieren», sagt sie. Wenn sich die Unternehmen über den Nutzen dieser Investitionen bewusst wären, würden sie viel eher investieren, fügt Derungs hinzu. Eine entsprechende Kosten-Nutzen-Studie für die Schweiz sei im Gang.

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