Ihre Konkurrentin Panalpina, die dieser Tage an die Börse geht, erklärt, sie habe den Abstand zu Kühne + Nagel verringert. Sind Sie beunruhigt?

Klaus Herms: Ich kann nicht ganz sehen, wie sie an uns herankommen wollen. Wir sind in den letzten Jahren doppelt so schnell gewachsen wie der Markt. Unsere Mitstreiter sind zwar auch gewachsen, aber nicht in diesem Umfang.

Das heisst, die Marktanteilsgewinne und das Umsatzwachstum im 1. Halbjahr haben sich im 2. Semester fortgesetzt?

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Herms: Das 2. Halbjahr lässt sich gut an. Wir rechnen mit einer Fortsetzung der positiven Geschäfts- und Marktanteilsentwicklung.

Ist das China-Geschäft der grösste Wachstumstreiber?

Herms: Grundsätzlich ist die Globalisierung der grösste Wachstumstreiber, und zwar nicht ausschliesslich in China, sondern auch in Indien und Südamerika. Die Amerikaner und Kanadier lagern ihre Fabriken auch nach Südamerika und Mexiko aus.

Merken Sie, dass China das Wachstum gedrosselt hat?

Herms: Für uns ist nicht entscheidend, ob die Regierung in Peking auf der Investitionsbremse steht. Uns interessiert, ob die Amerikaner und Europäer in Fabriken in China investieren, produzieren und von dort aus exportieren. Mit den zunehmenden Investitionen und der Beschäftigung von 200 bis 400 Mio Chinesen erhöht sich auch der Import von Luxusgütern aus Europa. Für uns ist keine Abkühlung der Konjunktur in China spürbar.

In den ersten sechs Monaten stieg der Export aus China um 50%. Konnten Sie das Niveau halten?

Herms: Wenn Sie bereits auf einem sehr hohen Niveau sind, können Sie nicht stets um 50% zulegen. Fest steht, die Mengen legen nach wie vor erheblich zu, ob das jetzt 50, 40 oder 30% sind, kann ich nicht sagen, es handelt sich immer noch um hohe Zuwachsraten.

Sie sagen, nun ziehe in Ländern wie China der Import an. Heisst das, das Problem der Unpaarigkeit der Verkehre ist gelöst?

Herms: Nein. Es gibt Mengenunterschiede, und darüber hinaus sind die Import- und Exportgüter grundsätzlich verschieden. Kleine Luxusgüter lassen sich mit dem Flugzeug leicht nach China transportieren. In die andere Richtung werden die voluminösen Massengüter wie Textilien bewegt.

Bezüglich Expansion der vier Unternehmenssparten, See-, Luftfracht, Landverkehr und Kontraktlogistik, haben Sie für Letztere hohe Erwartungen geweckt, gerade in China, wo Sie die Infrastruktur ausbauen wollen.

Herms: Das ist ein langfristiger Prozess. Die Lagerungs- und Verteilgeschäfte, die uns interessieren, betreffen die zunehmenden Importe nach China. Es sind europäische und US-Unternehmen, die ihre Produkte nicht mehr mit einer Lieferzeit von Monaten nach China verkaufen, sondern vor Ort schnell ausliefern möchten. Dieses Geschäft wird mittelfristig interessant.

Sind die Logistikimmobilien in Firmenbesitz?

Herms: Uns gehören etwa 20% der Lagerimmobilien, der Rest wird gemietet.

Ist das Verhältnis in China gleich?

Herms: Grunderwerb in China ist zurzeit noch sehr schwierig. Derzeit haben wir im Reich der Mitte keine eigenen Immobilien.

China ist für einen Logistikanbieter noch immer ein Risiko?

Herms: Wo ein erhebliches Wachstum stattfindet, müssen Sie auch von erheblichen Risiken ausgehen.

Ist das China-Geschäft eine Investition oder verdienen Sie daran?

Herms: Selbstverständlich erzielen wir dort Gewinne.

Nochmals zur Kontraktlogistik: Setzen Sie auf dieses Pferd, weil dort die Margen relativ hoch sind?

Herms: In der Kontraktlogistik machen wir die Lagerung und Verteilung sowie alle weiteren Prozesse mit eigenen Mitarbeitern, dadurch werden zusätzliche Werte geschaffen. Bei der Seefracht und Luftfracht treten wir als Makler auf. Tatsächlich erzielt die normale Spedition eine Ebita-Marge von 3% und die Kontraktlogistik eine Marge von etwa 4%.

Sie planten den Umsatz der Sparte auf 3 Mrd Fr. zu verdreifachen in bis fünf Jahren. Sind Sie auf Kurs?

Herms: Die 3 Mrd Fr. wollen wir erreichen, um auf dem Markt entsprechend positioniert zu sein und um flächendeckend in allen Teilen der Welt unseren Kunden Kontraktlogistik anzubieten.

Sie denken an Akquisitionen?

Herms: Zuerst einmal wollen wir in der Kontraktlogistik organisch um 1 Mrd Fr. wachsen. Übernahmen planen wir in Ländern, wo wir nicht so gut positioniert sind.

Ausschau nach Übernahmen halten Sie auch beim Landverkehr.

Herms: Wir haben uns Ende der 90er Jahre vom Landverkehr verabschiedet, dann aber gemerkt, dass wir besser daran tun, auch in der ersten und letzten Meile eines jeden Transportes tätig zu sein. Es war in Deutschland, wo wir den Oberflächenverkehr wieder begannen. Inzwischen sind wir am deutschen Stückgutnetzwerk IDS beteiligt, bestreiten 28% des Verkehrsaufkommens und bauen den Einfluss weiter aus. Wenn wir in Deutschland mehr oder weniger flächendeckend organisiert sind, wird es nötig sein, in andere Teile Europas zu expandieren und Firmen zu übernehmen.

Kommt Ihnen der Kauf der britischen Logistikfirma Exel durch die Deutsche Post in die Quere?

Herms: Warum? Wir sehen für uns keine Probleme. Die Deutsche Post ist in der Kontraktlogistik nicht sehr breit aufgestellt, im Gegensatz zu Exel, die weltweit präsent ist. Zudem hat Exel in den letzten Jahren die Luftfahrtspedition sehr stark entwickelt. Die Fusion bedeutet, dass die Unternehmen zusammen die erste Position in der Luftfracht und in der Kontraktlogistik einnehmen. Wir behalten die Führungsposition in der Seefracht.

Doch sind Private konkurrenzfähig, wenn Ex-Post-Monopolisten im Logistikmarkt diversifizieren?

Herms: Es ist nicht in Ordnung, dass ein Staatsunternehmen, wie es die Deutsche Post einmal war, aus einem Monopol heraus ungehemmt und ohne wirtschaftliche Grenzen Akquisitionen durchführt. Doch damit müssen wir leben. Ob es richtig ist, dass man begünstigt durch ein Monopol das «Spielgeld» so leicht bekommt, im Gegensatz zu denjenigen, die das hart im Wettbewerb erarbeitet haben, sei dahingestellt.

Beschäftigen dürften Sie auch die steigenden Öl- und Treibstoffpreise: Panalpina sagt, dass sie in der See- und Luftfracht alles den Kunden überwälzen könne. Wie sieht es denn aus im Landverkehr?

Herms: Im Landverkehr ist es nicht institutionalisiert, dass die Preisschwankungen eins zu eins weitergegeben werden. Aber da die Verträge sehr kurzfristig sind, merken wir die Fluktuationen kaum.

Kein steigender Margendruck?

Herms: Nein.

Nachdem in der Seefracht in den letzten Jahren Engpässe bei den Frachtkapazitäten die Preise nach oben trieben, wurden nun so viele Extra-Kapazitäten produziert, dass Ende Jahr mit Überkapazitäten gerechnet wird. Zerfallen die Preise?

Herms: Die Seefrachtraten haben sich über die letzten vier bis fünf Jahre hinweg nach oben bewegt. Der Höhepunkt wurde vor einem halben Jahr erreicht. Derzeit kommen zusätzliche Kapazitäten auf den Markt, dadurch werden die Raten sinken. Doch aufgrund der zunehmenden Engpässe bei den Infrastrukturen den Häfen und den Eisenbahnnetzen Amerikas beispielsweise werden erhebliche Verzögerungen auftreten.

Eine grosse Herausforderung?

Herms: Die Hafen- und Bahninfrastruktur sind eine sehr grosse Herausforderung, wenn das Wachstum der letzten Jahre anhält.

Tun die Länder zu wenig, um ihre Infrastrukturen auszubauen?

Herms: Sie engagieren sich, aber es dauert. In Europa gibt es nur einen grossen Hafen in Rotterdam. Ein neuer Hafen in Wilhelmshaven wird erst um 2010 fertig sein. Wenn die Schiffe aus Fernost grösser werden, haben diese zunehmend Probleme in einem anderen Hafen als Rotterdam zu löschen.

Schon 2004 gab es Umwege wegen Engpässen in den Häfen. Hat sich das zugespitzt?

Herms: Wir haben uns vor allem in den USA bemüht, von West nach Ost nicht die Bahn zu benutzen, sondern den Panamakanal. Aber der ist zu klein für Schiffe mit über 5000 Containern. Deshalb müssen einige Schiffe die Pazifik-Atlantik-Route zur Ostküste Amerikas nehmen. Dort findet der Hauptkonsum statt. Dort kommt es tatsächlich zu grossen Engpässen.

Panalpina wird einen grösseren Free Float haben, bei Kühne + Nagel sind nur 34% der Aktien im Publikum. Präsident Klaus-Michael Kühne wäre bereit, für Akquisitionen seinen Anteil zu reduzieren.

Herms: Zuerst müssten wir ein geeignetes Objekt finden, das wir akquirieren wollen und eine Ausdehnung des Free Float notwendig macht. Bevor überhaupt darüber nachgedacht wird, seinen Anteil zu reduzieren, werden wir die 9% Treasury Shares im eigenen Bestand verkaufen. Aber dazu besteht unmittelbar keine Notwendigkeit.

Eine allfällige grössere Übernahme würden Sie aber auf jeden Fall im Bereich Kontraktlogistik tätigen?

Herms: Ja, weil wir in der See- und Luftfracht weltweit schon stark aufgestellt sind, dass weitere Übernahmen nicht notwendig sind.

Befürchten Sie Portfolioumschichtungen zu Ungunsten von K + N wenn Panalpina an der Börse ist?

Herms: Wir bieten integrierte Dienstleistungen im See-, Luft-, Land-, Lager- und Verteilgeschäft aus einer Hand. Panalpina hat ein anderes Modell, sie macht nur interkontinentale Verkehre. Unser Modell ist zwar mühsamer. Angesichts der Konsolidierung im Landverkehr wird dieses Geschäft zunehmend interessant. Dasselbe gilt für die Kontraktlogistik.

Die Luft- und Seespedition ist weniger interessant?

Herms: Der See- und Luftfrachtverkehr ist heute eine Commodity. Die Commodisierung trägt nicht zu hohen Margen bei. Es bringt erhebliche Vorteile, von der Fabrik bis zum Kaufhaus Prozesse organisieren zu können. Es wird sich die nächsten Jahren zeigen, welches das bessere Modell ist. Jedenfalls sind Kunden, bei denen wir eine erhebliche Integration haben, die interessantesten. Sie bieten uns die besten Wachstumsmöglichkeiten.

Also sind die rentablen Sparten jene, die Panalpina nicht hat?

Herms: Das kann man so nicht sagen. Die See- und die Luftfrachttransporte sind standardisierte Produkte mit hohem Wachstumspotenzial. Die Integration der See- und Luftfracht mit der Kontraktlogistik führt zu einer höheren Wertschöpfung bei interkontinentalen und kontinentalen Transporten.

Noch etwas Politisches: Wie wichtig sind für Kühne + Nagel die bilateralen Verträge Schweiz-EU?

Herms: Unser Umsatz in der Schweiz ist eher gering. Allerdings sind die bilateralen Verträge für alle von Vorteil. Früher war Kühne + Nagel Schweiz sehr stark abhängig von der Exportindustrie. Da sich die Produktion reduziert hat, haben wir uns zunehmend auf den Import konzentriert. Wir werden mittlerweile als ein Schweizer Unternehmen gesehen.



Der Asienkenner: Steckbrief

Name: Klaus Herms

Funktion: CEO Kühne + Nagel

Alter: 64

Familie: Verheiratet, zwei Kinder

Ausbildung: Betriebswirt Aussenhandel und Verkehrswesen

Karriere

1963-1965 Textilkaufmann bei Firmen in Berlin und Neuenburg

1968-1973 Praktikant bei Kühne+Nagel Bremen, Leitungsfunktionen Hongkong

1974-1999 Regionalmanager Fernost, Chef Asien/Pazifik

Seit 1999 CEO Kühne + Nagel

Kühne + Nagel

Letzter Kurs: Fr. 285.25

Fazit

Der Logistikkonzern ist gut positioniert, um von der anhaltenden Produktionsverlagerung in Billiglohnländer sowie deren zunehmenden Import zu profitieren. Allerdings ist mit dem Börsengang von Panalpina mit Portfolioumschichtungen zu rechnen.