«Verantwortung für schwierige Entscheidungen übernehmen» lautet das Hauptthema des diesjährigen WEF vom 26. bis 30. Januar in Davos. Ein Thema wird auch die Flutkatastrophe in Asien sein. Welche Aktivitäten sind diesbezüglich vorgesehen?

Klaus Schwab: Wir wollen uns mit dem Wiederaufbau in den betroffenen Regionen befassen, dazu werden wir Gespräche zwischen bedeutenden politischen Verantwortlichen der Regionen und unseren Mitgliedern organisieren um festzustellen, wie alle am besten den Wiederaufbau unterstützen und voranbringen können.

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Planen Sie eine Initiative zugunsten der Flutopfer in Asien?

Schwab: Die unglaubliche Tragödie zeigt uns, wie schnell wir alle betroffen sein können und Probleme entstehen, die von keinem Land, keiner Bevölkerung und keiner Firma alleine bewältigt werden können. Das heisst, dass wir alle zusammenarbeiten müssen um Lösungen und Hilfe zu finden. Es verlangt von uns allen, Solidarität zu zeigen mit den Mitteln, über die wir verfügen. Als Beispiele weise ich auf die Hilfeaktionen einiger unserer Mitglieder wie Alcan, Deutsche Bank, Nestlé und Syngenta hin. Darüber hinaus hat unser Disaster Resource Network, eine Vereinigung von Transport-, Logistik und Baufirmen zur Hilfe bei Naturkatastrophen, mit seinen Spezialistenteams in Sri Lanka geholfen, dass in Rekordzeit alle ankommenden Hilfegüter ausgeladen und weitertransportiert wurden. Dies soll nun auch in Indonesien in Banda Aceh geschehen.

Zu den Hauptthemen des diesjährigen WEF-Meetings zählt auch die Frage, wie wir das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Welche Massnahmen sind nötig?

Schwab: Wir müssen das Vertrauen der Konsumenten und der Bürger in die Zukunft stärken. Viele Leute, vor allem in Europa, sind stark verunsichert. Das ist schlecht für die Wirtschaft.

Wie wollen Sie diese Stimmung ändern?

Schwab: Wir müssen die positiven Elemente, die Chancen, welche die Wirtschaft bietet, in den Vordergrund rücken. Wir müssen in der Gesellschaft und in der Wirtschaft eine Aufbruchstimmung schaffen. Es braucht mehr Unternehmergeist.

Wie beurteilen Sie die Perspektiven für die Unternehmen?

Schwab: Viele Firmen haben Mühe mit dem raschen Wandel. Sie stehen unter Druck, ihr Business-Modell laufend umschreiben zu müssen. Die Unternehmen, die ihr Business-Modell rasch genug verändern können, haben gute Perspektiven.

Und die anderen?

Schwab: Wir werden im Globalisierungsprozess vermehrt Verlierer sehen. Künftig können wir nicht mehr von der Wirtschaft als Ganzes sprechen, sondern müssen unterscheiden zwischen Unternehmen, die eine sehr gute Performance aufweisen, und jenen, die dem wachsenden globalen Konkurrenzdruck nicht gewachsen sind.

Ob eine Firma langfristig Erfolg hat, entscheidet sich auch an der Innovationsfähigkeit. Warum tun sich viele Schweizer Firmen mit Innovationen schwer?

Schwab: Es liegt an der Kultur. In der Schweiz fehlen Anreize für Innovationen. Das Schweizer Erziehungssystem fördert die Innovationskultur nicht.

Wie könnte das Erziehungssystem verbessert werden?

Schwab: Auch wenn man es nicht gerne hört, es braucht Eliten. Und zwar in allen Forschungsbereichen. Doch diese werden bei uns nicht gefördert. Ich wünsche mir eine nationale Stiftung zur Förderung der Eliten.

Wie wollen Sie diese finanzieren?

Schwab: Ich verfolge mit Traurigkeit die Diskussion um die Verwendung des Nationalbank-Goldes. Die Politiker wollen den Erlös von 21 Mrd Fr. aus dem Goldverkauf an die Kantone und den Bund verteilen. Dort versickert das Geld. Meines Erachtens sollten 6 Mrd Fr. in einen neu zu gründenden Fonds zur Förderung nationaler Eliten einbezahlt werden. Mit dem Zins könnte man Studenten aus der Schweiz unterstützen und sie motivieren, einen Teil ihres Studiums an den Schweizer Hochschulen und einen anderen Teil in Amerika und in Asien zu absolvieren. Wir müssen unsere jungen Leute in die neuen Märkte schicken.

Sie wünschen sich eine stärkere Verknüpfung der Hochschulen der Schweiz, der USA und Asien?

Schwab: Ja. Wenn die jungen Leute zusätzlich in Asien und Amerika studieren, bringt dies diesen Studenten, aber auch unserem Land, einen gewaltigen Erfahrungsschatz. Daraus würden sich viele Innovationen entwickeln. Für unser Land und für unsere Wirtschaft brächte dies einen starken Schub.

Zudem würden die Schweizer Forschung und die Wirtschaft stärker international vernetzt.

Schwab: Ja, genau. Innovationen entstehen über internationale Wissensnetze und weniger aufgrund der Leistung des Einzelnen in der Isolation. Dies zeigt sich stark in der Biotechnologie und generell im Technologiesektor.

Welche Rolle wird für die Unternehmen die Technologie angesichts des global härter werdenden Konkurrenzkampfs spielen?

Schwab: Technologie ist für die Unternehmen neben den Menschen der grösste Erfolgsfaktor. Technologie wandelt unsere Gesellschaft ständig um. Der Kollaps der Internet-Blase hat diese Entwicklung nicht zum Stillstand gebracht. In vielen Bereichen der Technologieentwicklung stehen wir erst am Anfang. Die nächsten technologischen Revolutionen stehen noch bevor.

Auf Unternehmensebene hatten wir eine starke Devestitionswelle. Was ist der nächste Trend?

Schwab: Der globale Konkurrenzkampf wird so hart sein, dass die Firmen künftig noch mehr fokussieren müssen. Die Unternehmen müssen ihre Kräfte konzentrieren, um die Besten in ihrem Bereich sein zu können.

Und wie können die besten Firmen der Zukunft gefördert werden?

Schwab: Wir haben in der Schweiz starke Konzerne wie Novartis, Roche, Nestlé oder die Grossbanken. Was in der Schweiz aber fehlt, ist das Nachwachsen von Unternehmen, die in der Zukunft globale Unternehmen sein können. Als ich 1970 das erste Weltwirtschafts-Forum in Davos eröffnet hatte, war Bill Gates, der spätere Microsoft-Gründer, noch in der Schule. Heute ist Microsoft das am höchsten bewertete Unternehmen der Welt. Abgesehen von den bereits erfolgreichen haben wir in der Schweiz zu wenig Gesellschaften, die das Potenzial haben, sich später global durchzusetzen.

Woran liegt das?

Schwab: Die Leute haben zu wenig Mut, etwas Neues zu wagen. Wenn bei uns in einer Firma etwas schief läuft, wird man fast als Verbrecher dargestellt. Wenn ein Unternehmen nicht gleich Erfolg hat, gilt man in der Schweiz als Versager. Das ist falsch. Unternehmertum beinhaltet Risiken. Aber man darf Leute, die etwas wagen, nicht bestrafen, nur weil sie keinen Erfolg mit ihrer Idee haben.

Aus den Managerhelden sind Buh-männer der Gesellschaft geworden.

Schwab: Nicht nur Manager, auch Politiker haben ein schlechtes Ansehen. Das ist fatal, denn sie sind die Leader-Persönlichkeiten unserer Gesellschaft. Leider haben wir eine Null-Toleranz für Fehler. Diese Mentalität führt dazu, dass sich niemand exponieren will. Jeder spielt sich als Pharisäer auf und prangert kleine Schwächen an.

Kritisiert wurden Manager primär, weil sich längst nicht alle redlich verhielten. Genügen unsere Corporate-Governance-Regeln?

Schwab: Diese genügen nie. Statt immer mehr Regeln zu schaffen, sollten wir aber die Grundhaltung der Führungskräfte verbessern. Jede Entscheidung sollte nach moralischen Leitlinien erfolgen, welche die Folgen berücksichtigt.

Muss die Wirtschaft der Gesellschaft dienen?

Schwab: Ja. Das war meine Motivation, als ich vor 35 Jahren das Weltwirtschafts-Forum gründete. Die Firmen dürfen nicht nur den Aktionären dienen, sondern auch den Mitarbeitern, Lieferanten, Kunden, dem Staat und so weiter. All diese Stakeholders haben ein gemeinsames Interesse, nämlich die Stärkung der langfristigen Überlebensfähigkeit des Unternehmens.

Welche Aufgabe hat die Gesellschaft gegenüber der Wirtschaft?

Schwab: Nur ein leistungsfähiges Unternehmen kann Arbeit schaffen, kann Löhne und Steuern zahlen und es sich leisten, die Umwelt nicht zu verpesten. Die Gesellschaft sollte die Leistungen der Wirtschaft schätzen. Der Staat darf die Firmen nicht bremsen.

Einen wichtigen Platz auf der Agenda des diesjährigen WEF hat China: Wird nicht zu wenig bedacht, welche politischen Folgen der Aufstieg Chinas hat?

Schwab: Man darf China nicht nur als eine Produktionsstätte und als einen grossen Markt sehen, wie es die meisten Unternehmen tun. China wird ein harter Konkurrent auf den Weltmärkten sein. Weiter muss man berücksichtigen, dass es in der Geschichte immer Gläubigernationen waren, die eine Weltmachtfunktion ausübten. Früher war das England, später Amerika. Doch bereits heute ist China zusammen mit Japan die grosse Gläubigernation der Welt, während Amerika eine Schuldnernation ist.

Was bedeutet dies weltpolitisch?

Schwab: China und Indien sind wahrscheinlich schon in 20 Jahren hinter den USA die Wirtschaftsmächte Nummer 2 und 3. Im Moment haben wir ein unipolares System mit den USA. In einer künftigen Welt werden wir wohl ein multipolares System erleben. Ich frage mich dabei, ob Europa dieser Herausforderung gewachsen ist.

Haben Sie keine Angst vor einem Terroranschlag, wenn sich am WEF so viele Spitzenpolitiker und -manager versammeln?

Schwab: Man muss leider davon ausgehen, dass heute überall ein Terrorrisiko vorhanden ist. Dank der Sicherheitsmassnahmen, die der Bund eingeleitet hat, kann ich sagen, dass das Weltwirtschafts-Forum Davos gut gegen Terroranschläge geschützt ist.

Halten Sie am Standort Davos fest?

Schwab: Ja, wir sind in Davos zu Hause. Die einzige Sorge, die wir haben, ist die Hotel-Qualität in Davos. Das ist ein Problem der gesamten Hotellerie in der Schweiz. Vor allem die Vier-Sterne-Hotellerie wird nicht mehr den internationalen Qualitätsansprüchen gerecht.