An unseren Maschinen machen wir eigentlich alles selber», sagt Uli Kern, «wir kaufen nur ganz wenige Grundkomponenten wie Stahl- und Aluminium-Gussplatten ein.» Kern steht im Keller seiner Firma, der Kern AG in Konolfingen BE, wo das Warenlager untergebracht ist. Er schreitet zwischen den Gestellen hindurch, in denen sorgfältig aufgereihte Kästen aus Massivholz stehen. Die Stirnseite der Holzkästen ist verzapft, wie es sich für eine gewissenhafte Schreinerarbeit gehört. «In diesem Raum», sagt Kern, «lagern 40  000 Einzelteile oder Komponenten wie spezielle Schrauben, bearbeitete Aluminiumplatten, gummibeschichtete Achsen oder Kupplungen, die wir für die Produktion unserer Maschinen brauchen.»

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Die Kern-Gruppe ist nicht irgendeine Firma – das KMU am Eingang zum Emmental ist Weltspitze, wenn es um das Abpacken von Briefcouverts geht. Und es gehört zu den drei global grössten Anbietern von Briefverpackungsmaschinen. Das Flaggschiff in der reichhaltigen Palette von Kern-Maschinen ist die Kern 3500. Sie sieht gediegen aus, wie sie im Vorführraum in ihrer ganzen Länge von 16 Metern so dasteht. «Wir haben eine ganze Reihe von Industriedesign-Preisen dafür erhalten», sagt der Chef sichtlich stolz auf sein Produkt.

Die 3500er hat bei ihrer Markteinführung 2002 neue Standards in der Branche gesetzt. Sie kann einfach alles, was eine Maschine zur Verarbeitung von Dokumenten können muss, und sie kann es vor allem schnell und gründlich. «Fehler», sagt Kern, «können wir uns mit unseren Maschinen nicht erlauben.» Die Couvertiermaschine schneidet die auf Rollen oder im Endlosformular angelieferten Dokumente auf die erforderliche Grösse zu und befördert sie auf einem Band weiter. Mehrere Dokumente oder auch Prospekte können dank dem modularen Aufbau gleichzeitig gefaltet, gruppiert und verarbeitet werden. Die Maschine kann die Dokumente auch wenden, heften und kleben. Zudem liest sie mit optischen Systemen individuelle Daten auf Briefen ab und überwacht so den Prozessverlauf. Schliesslich werden die gebündelten Couverts in einem weiteren Modul zum Versand in Postkisten abgepackt. Es versteht sich von selbst, dass diese mit der richtigen Postleitzahl versehen werden. «Eine solche Maschine kostet bis zu eine Million Franken.»

Begonnen hat die Erfolgsgeschichte der Hightechmaschinen von Kern 1947 in Belgien. Vater Marc erfuhr als junger Berufsmann auf Wanderschaft, dass ein grosser Bedarf für eine Maschine bestand, die Briefe automatisch falten und abpacken könnte. Zurück in der Schweiz entwickelte er in kurzer Zeit die erste Falz- und Couvertiermaschine. Seither setzt die Firma erfolgreich auf Innovation. In den sechziger Jahren entwickelten die Kern-Ingenieure die optische Lesung und die Online-Verarbeitung. Modulare Versandsysteme folgten in den Achtzigern. Die Kern 3000, das weltweit schnellste Couvertiersystem, kam in den Neunzigern auf den Markt. Im neuen Jahrtausend schliesslich kam dann die Anwendung der Robotik hinzu. «Die Software machen wir seit je inhouse», sagt Kern, «und die Hardware zunehmend auch.»

Die Kern-Gruppe investiert elf Prozent ihres Umsatzes von 210 Millionen Franken in die Forschung und Entwicklung. Immerhin 85 der rund 920 Mitarbeiter sind in diesem Bereich tätig. «Das ist», bemerkt Kern, «ein relativ hoher Anteil für unsere Branche.» Die Gruppe sorgt mit ihren Entwicklungen regelmässig für Aufsehen. Dies war mit dem Folienverpackungssystem Kern 40 oder dem neuen Kreditkarten-Verpackungssystem der Fall. Der Versand von Kreditkarten erfordert speziell hohe Sicherheitsstandards, die nur dank ausgefeilten optischen Sicherheitssystemen und Robotern der neusten Generation zu erfüllen sind.

Es ist nicht erstaunlich, dass die Gruppe in den letzten Jahren mit zweistelligen
Raten gewachsen ist – im letzten Jahr um 15 Prozent. Speziell expandiert hat Kern im Ausland. Die erste Tochterfirma wurde 1982 in Deutschland gegründet, dem Hauptmarkt in Europa. Wichtige Kern-Märkte sind zudem Frankreich, Italien, Spanien, England, Japan und die USA. Derzeit besitzt die Firma zehn Tochtergesellschaften im Ausland und 70 Vertriebspartner. Produziert wird in der Schweiz mit nur 300 Mitarbeitern, dabei gehen 95 Prozent der Maschinen in den Export. Der Anteil der Schweiz am Gesamtumsatz liegt bei 60 Prozent.

Die Wachstumsmärkte indessen liegen in Asien, Osteuropa und Südamerika. In China ist Kern mit Vertriebspartnern präsent, in Russland hat die Firma eine eigene Niederlassung, und in Brasilien besteht ein Joint Venture. «Das sind unsere Zukunftsmärkte», sagt Kern. In Brasilien sei der Aufbau von Fertigungskapazitäten in Prüfung. Überhaupt stösst die Firma an Grenzen. Firmenchef Kern empfindet die Verzettelung an vier Standorten in der Schweiz – Konolfingen, Stalden, Aegerten und Münsingen – als nicht optimal. Die Pläne für einen Neubau hat Kern schon in der Schublade: Er hat in Münsingen 12  000 Quadratmeter Industrieland erworben. Es pressiert ihm aber nicht damit. Das Produkt und seine technologische Qualität stehen im Vordergrund. Das Credo der Firma heisst nicht umsonst: «Dynamics in Technology».

Kern-Gruppe

Firmenname: Kern AG
Hauptsitz: Konolfingen BE
Gruppenumsatz: 210 Millionen Franken
Mitarbeiter: 920
Produktionsstandorte: Schweiz, Frankreich, Italien
Exportanteil: 95 Prozent
Produkte: Systeme zur Dokumentenverarbeitung und -verpackung