Silvio Berlusconi hat sich nahe seinem Palazzo schon jetzt sein Mausoleum bauen lassen. Keine Pyramide zwar, aber immerhin aus feinstem Marmor. Mit solch würdiger letzter Ruhestätte hofft er wohl, als Cavaliere und nicht als erster überführter Wirtschaftskrimineller auf dem paneuropäischen Thron in Erinnerung zu bleiben.

Überhaupt machen sich viele Sorgen um ihren Nachruf, und manche Menschen befällt panische Angst, wenn sie – zu Recht – fürchten, unter Abermilliarden erloschenen Schicksalen anonym vergessen zu werden. Dies trieb Herostratos 356 vor Christus dazu, den Tempel der Artemis in Ephesus, eines der sieben Weltwunder der Antike, anzuzünden. Er bekam, was er wollte: eine Hinrichtung und einen Platz in den Geschichtsbüchern. Eher unfreiwillig wiederum blieb der Leipziger Bürgermeister Abraham Christoph Platz in Erinnerung. Im Protokoll der Bestellung des Thomaskantors vom 9. April 1723 ist festgehalten: «Da man die Besten nicht bekommen kann, muss man Mittlere nehmen» – wobei Platz als Besten Telemann und als Mittleren Johann Sebastian Bach identifizierte.

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Da ist es schon besser, ein Centre Pompidou zu bauen, einen Eiffelturm aufzustellen oder eine Stiftung zu gründen, die, solange Geld da ist, den Namen des edlen Spenders einmal pro Jahr in die Zeitungen bringt. So hat sogar Nobels Dynamit den Lauf der Welt manchmal etwas verbessert.

Tom Hornbein, einer der brillantesten amerikanischen Anästhesieprofessoren, wird nicht unbedingt als Arzt in unserer Erinnerung bleiben, sondern eher, weil er 1961 die Frechheit hatte, am Mount Everest eine Lawinenrinne zum Gipfel hinaufzuklettern, die seitdem «Hornbeincouloir» heisst. Und wenn wir von Eugene Gippenreiter reden, denken wir weniger an seine Verdienste für die russische Raumfahrt und Höhenmedizin als vielmehr an seine Methode, russische Bergsteiger auf ihre Höhentauglichkeit zu testen, die er uns einmal in einem Film vorführte: Er sperrte mehrere zusammen in eine Unterdruckkammer und reduzierte rasch den Druck so lange, bis alle bewusstlos am Boden lagen. Wer die Tortur am längsten aushielt, durfte auf Expedition. Eugene würde mit uns mitlachen.

Weniger amüsiert über seine Nachzeile wäre Dr. phil. Williams, ein ehemaliger Parlamentarier der walisischen Nationalpartei. Sein Obituarist vermeldete die Umstände des Todes als besonders bemerkenswert: Der konservative Dr. Williams starb nämlich in einem heruntergekommenen Massagesalon mit dem ansprechenden Namen «A Touch of Class».

Besonders schmerzlich ist es aber, schon zu Lebzeiten Position und Macht zu verlieren und erfahren zu müssen, dass man unweigerlich irgendwann vergessen wird. So traf ich unlängst einen pensionierten Ordinarius, der mir sichtlich enttäuscht berichtete, am Tage nach seiner Emeritierung ein offizielles Schreiben der Post erhalten zu haben, auf dem die diversen akademischen Titel fehlten – Identitätsverlust von gestern auf heute. Kein Wunder, kleben allerlei Herren auf immer bescheideneren Sesseln. Darum ist es trostvoll, wenn schon zu Lebzeiten eine Strasse nach einem benannt wird – ich verbrachte meine beiden ersten Lebensjahre in einer Hermann-Göring-Strasse, und davon gab es einige im Reich.

Der Welten- und Jahrhundertbeglücker Wolfgang Amadeus Mozart erhielt kein Mausoleum. Wenn wir Formans Film «Amadeus» Glauben schenken, hätte er über solches Begehren nur hysterisch gekichert. Viel lieber mag er sich unter Tischen mit Weiberröcken und ihrem Inhalt beschäftigt haben – auch wenn wir uns des Meisters kaum wegen seiner zotigen Briefe an sein Bäschen erinnern. Ein Modell seines Sarges habe ich im Stift Zwettl gesehen. Ein durchaus lebensnaher, freundlicher Mönch präsentierte das unter dem praktischen und sparsamen Kaiser Joseph II. verwendete letzte Behältnis. Wenn die Trauernden sich zum Leichenschmaus davongemacht hatten, öffnete man mit einer Klappe den beweglichen Sargboden, und der Verblichene stürzte im Totenhemd in ein Massengrab. Und eben deshalb gibt es kein Mozart-Mausoleum.