Nun stehen sie wieder vor der Tür, die Jahresend-Gespräche mit dem Chef. Sie sind schwierig ? aber entscheidend. Hier werden Weichen für die Zukunft gestellt, Lohnerhöhungen ausgehandelt und Karriereleitern gezimmert. Was Wunder, dass die meisten Menschen feuchte Hände bekommen, wenn ihr Vorgesetzter zum Gespräch bittet oder wenn sie sich mit einer Bitte an den Vorgesetzten wenden wollen.

Es ist noch immer eine Tatsache, dass in erster Linie Chef wird, wer fachliche Kompetenz bewiesen hat und nicht, wer über kommunikative Fähigkeiten verfügt. Mitarbeiterorientierte Führungsstile werden nach wie vor als neumodischer Schnickschnack abgetan, der Hierarchien durcheinander bringt und den Zusammenhalt der Firma sowie das Leistungsgefüge bedroht. Dass die kommunikative Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Motivations- und Leistungssteigerung zur Folge haben könnte, passt nicht ins Weltbild vieler Vorgesetzter. Entsprechend schwierig gestaltet sich die Gesprächsatmosphäre für die Mitarbeiter.

*Rhetorische Tricks*

Zum Glück sind nicht alle Chefs stumme oder Tatsachen verdrehende Monster. Weil die Kommunikation der Schlüssel zum unbekannten Wesen Chef darstellt, ist es entscheidend zu wissen, was für eine Art von Kommunikation man selber pflegt und welches der Kommunikationsstil des Vorgesetzten ist. Der Psychologe und Buchautor Thomas Zimmermann unterteilt Chefs in drei Kommunikationstypen: Den kooperativen, den passiv-gleichgültigen und den autoritären. Doch egal, auf welchen Kommunikationsstil man bei seinem Vorgesetzten trifft: Entscheidend ist, wie gut man sich darin versteht, seinen eigenen Kommunikationsstil mit demjenigen des Chefs in Einklang zu bringen. Wem dies mehr schlecht denn recht gelingt, dem drohen ständige Missverständnisse.

Um in Gesprächssituationen ihre Ziele zu erreichen, greifen Chefs nicht selten in die rhetorische Trickkiste. Da auch Chefs nur Menschen sind und sich daher nur in den seltensten Fällen verändern lassen, bleibt einem nichts anderes übrig, als den rhetorischen Kniffs Paroli zu bieten.

So bedienen sich Vorgesetzte liebend gerne den «Ja, aber»-Antworten, das heisst, der Chef geht einen Schritt nach vorn und zwei zurück und muss damit nicht wirklich Stellung beziehen. Äusserst beliebt bei Vorgesetzten ist es auch, ihre eigene Meinung dem Gegenüber als Fakt zu verkaufen («Lassen Sie mich mal erklären, wie es wirklich ist»). Gegensteuer kann hier nur geben, wer sich gut auf das Gespräch vorbereitet hat und dem Chef höflich, aber unmissverständlich den Gegenbeweis zu seiner Behauptung liefern kann.

Häufig lassen Chefs auch Hinweise auf Statussymbole, Berufsabschlüsse oder höhere Autoritäten fallen. Auch in diesem Fall gilt: Gelassenheit bewahren und Ihr Problem oder Ihre Arbeit in der momentanen Situation unterstreichen. Gerade in Krisenzeiten besonders beliebt ist es, Mitarbeitern, die um eine Lohnerhöhung ersuchen, zu schmeicheln und eine zukünftige Belohnung in Aussicht zu stellen, um sich der gegenwärtigen Situation zu entziehen. Antworten im Stile von: «Sie sind eine langjährige und intelligente Mitarbeiterin und wissen, was dem Unternehmen gut tut. Das macht sich langfristig bezahlt. Haben Sie nur etwas Geduld!», haben schon so manche Mitarbeiterin zur Weissglut getrieben. Doch wie reagieren? «Der Satz: ?Danke, aber ich hoffe, meine Loyalität verführt Sie nicht dazu, mir meine Bitte abzuschlagen. Gerade wegen meiner Erfahrung sollten Sie mir die Bitte erfüllen?, hat in diesem Fall eine ungemein entwaffnende Wirkung», rät Thomas Zimmermann.

*Authentisch bleiben*

Um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu testen, wenden viele Vorgesetzte liebend gerne Psychotricks an oder umgarnen sie verbal derart, dass diese mehr von sich preisgeben, als ihnen lieb ist. Oder sie verschaffen sich ein Bild über eventuell vorhandene oder nicht vorhandene zusätzliche Leistungsbereitschaft. In Unter-vier-Augen-Situationen testen Vorgesetzte zudem gern die Grenzen und prüfen, wie weit sie gehen können. Aufgrund der hierarchischen Unterschiede müssen Untergebene immer damit rechnen, dass ihr Boss seine Position ihnen gegenüber ausnutzt oder zumindest versucht, sich auf deren Kosten einen Vorteil zu verschaffen. Wer sich im Gespräch von Seiten des Chefs unter Druck gesetzt fühlt, muss und kann sich aber gezielt dagegen wehren.

In dieser, wie in allen andern heiklen und entspannten Gesprächssituationen gilt: Bleiben Sie authentisch, lassen Sie sich nicht einschüchtern, nehmen Sie Ihr Gegenüber ernst, und verlangen Sie von diesem, dass auch er Sie wie ein erwachsener Mensch behandelt.

Literatur-Tipp: «Gespräche mit dem Chef», Silke Schubert, Thomas Zimmermann, GU Verlag.

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