Der vom Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein (SIA) zusammen mit dem Bund Schweizerischer Architekten (BSA) neu lancierte Kostengarantievertrag ist eine sinnvolle Ergänzung für Bauwerke, welche im traditionellen Einzelleistungsverfahren unter der Gesamtleitung von Architekten realisiert werden. Der Bauherr erhält für ein fertig projektiertes Objekt eine weit gehende Absicherung der veranschlagten Kosten.
Immer mehr Bauherren und Investoren realisieren ihre Bauvorhaben mit Generalunternehmen (GU). Gemäss Jahresbericht des Verbandes Schweizerischer Generalunternehmen (VSGU) betrug im Jahre 2002 der von den Verbandsfirmen bearbeitete Umsatz in der Schweiz 4754 Mio Fr. Dies entspricht einem Anteil von rund 11% der jährlich gesamtschweizerisch getätigten Bauinvestitionen.
Bei steigender Komplexität der Bauten ist der frühzeitige Einbezug des GU in den Entwicklungs-, Planungs- und Optimierungsprozess von Vorteil. Der GU in seiner Funktion als TU oder als Gesamtleistungsanbieter gewährleistet dem Kunden umfassende Sicherheiten bezüglich Funktionalität, Erstellungskosten, Qualität, Termine sowie optimierte Betriebs- und Unterhaltskosten. Vielfach arbeitet er nach gemeinsam mit dem Kunden definierten Zielvorgaben (Design to cost).
In diesem Umfeld ist die Rolle des Architekten, gleichzeitig als Fachplaner die Architektur zu prägen, das Baumanagement als Generalist zu erbringen und auch noch treuhänderisch für den Bauherren aufzutreten, gefährdet. Ein Interessenskonflikt kann für die Bauherren gravierende Folgen haben. Streitigkeiten bei Eintreten von Mehrkosten sind unangenehm und schaden dem Image der Baubranche.
Es ist deshalb gut verständlich, dass auch die Architekten Wege suchen, um dem Bauherrn weiter gehende Garantien anbieten zu können. Der Kostengarantievertrag SIA V1018 ist ein entsprechendes Angebot auf dem Markt, welches den Bauherrn zumindest von unerwünschten Mehrkosten schützen will. Dabei übernimmt ein Garant gegen Honorierung sowie mit einer Versicherungsprämie eine weit gehende Controllingfunktion und die Kostengarantie über den genehmigten Kostenvoranschlag (KV) bis zur Schlussabrechnung. Der Garant deckt sein Risiko einerseits durch Reserven im KV und anderseits durch eine Versicherung ab. Zudem teilt er bei Unterschreitung der Kostengarantiesumme den Gewinn mit dem Bauherrn und dem Architekten.
Die Besonderheiten des Kostengarantievertrages
Das Kostengarantiemodell SIA/ BSA ist eine sinnvolle Ergänzung zum traditionellen Bauverfahren mit Einzelleistungsträgern. Sowohl alle Planer, als auch die Vielzahl der beteiligten Unternehmer, stehen in direkten Vertragsverhältnissen mit dem Bauherrn. Das Modell bietet dem Bauherrn zusätzlich die Möglichkeit einer Preisabsicherung. Der planende und bauleitende Architekt erbringt alle in den Honorarordnungen vorgesehenen Leistungen selbst und tritt weiterhin treuhänderisch für den Bauherrn auf.
Die Firma des Garanten ist von Architekten geführt und übt die Controllingfunktion mit eigenen Architekten aus. Damit wird sichergestellt, dass Architekt und Garant die gleiche Sprache sprechen. Im Sinne einer «second opinion» macht ein solches Vorgehen durchaus Sinn.
Interessant(er) wäre der Ideenwettbewerb
Fraglicher ist der Zeitpunkt des Abschlusses eines Kostengarantievertrages. Bedingung sind nämlich eine vorliegende Werkplanung im Massstab 1:50 sowie Detailpäne und der detaillierte Kostenvoranschlag. Das bedeutet, dass das Projekt weit gehend definiert ist; der Optimierungsspielraum ist klein. Einzig das Einholen von marktkonformen Preisen für die Ausführung lässt noch Spielraum offen.
Für den Bauherrn wäre es jedoch oft viel interessanter, wenn der Wettbewerb über Ideen geführt würde, also über einen Leistungswettbewerb, wie zum Beispiel im Gesamtleistungsverfahren. Der Einfluss auf die Kosten eines Bauvorhabens ist nämlich in der frühesten Planungsphase am grössten.
Die Kostengarantie ist umfassend geregelt. Es ist verständlich, dass im Vertragswerk einerseits klare Spielregeln aufgestellt und andererseits auch Ausschlüsse so unter anderem die teuerungsbedingten Mehrkosten aufgeführt werden. Schade ist, dass die Kostengarantie mit der Genehmigung der Schlussabrechnung aufhört. Regelungen für die Phase der Werkgarantie (zwei/fünf/zehn Jahre ) sind keine vorgesehen. Damit trägt der Bauherr das Risiko der Durchsetzung seiner Mängelrechte, das Nahtstellenrisiko bei unklarer Verantwortung für einen Mangel sowie das Bonitätsrisiko der beauftragten Unternehmer (Nachlass, Konkurs). Im weiteren ist der Bauherr gegen drohende Bauhandwerkerpfandrechte kaum geschützt.
Verschiedene der erwähnten Risiken sichert ein GU gegenüber dem Bauherrn mit umfassenden Erfüllungs- und Mängelhaftungsgarantien ab. Im Kostengarantievertrag ist hinsichtlich Sicherheiten nichts geregelt. Der Bauherr kann somit nur auf die üblichen Solidarbürgschaften, welche die Unternehmer stellen, zurückgreifen. Im Streitfall zeigt sich immer wieder, dass diese meist nicht genügen und der Kunde bezahlen muss.
Wie weit geht die Termingarantie?
Im Kostengarantiemodell ist zudem die Möglichkeit des Abschlusses einer Termingarantie vorgesehen. Allerdings beschränkt sich diese auf Terminverzögerungen «soweit diese versicherbar sind», also in erster Linie auf solche aus Schadenfällen. Es ist anzunehmen, dass terminliche Erfüllungsrisiken, die ein GU üblicherweise trägt, inklusive Konventionalstrafen und Folgekosten aus einerTerminüberschreitung, nicht einschliessbar sind.
Dass die Kostengarantie nicht gratis ist, versteht sich von selbst. So ist vorgesehen, 3 bis 4% der Bausumme als «Unvorhergesehenes» in den KV einfliessen zu lassen. Die Leistung des Garanten ist über ein Honorar zu vergüten; und die Versicherungsleistung ist über eine risikogerechte Prämie abzudecken.
Für die GU ist es sicher beruhigend zu wissen, dass diese Preisbildung aus betriebswirtschaftlicher Sicht nun auch vom SIA und BSA anerkannt wird. Damit rechtfertigt sich der in jeder GU-Kalkulation einfliessende Risikozuschlag resp. Risikobetrag. Dieser kann nicht, wie immer wieder behauptet wird, einfach als Mehrkosten gegenüber traditionellen Verfahren abgetan werden. Für den Bauheren lohnen sich die anfänglichen Mehrausgaben sowohl beim Kostengarantievertrag als auch beim GU-Vertrag durchaus.
Wirds günstiger, gibts sogar einen Bonus
Im weiteren erstaunt die Regelung einer Win-win-win-Situation. Sowohl Bauherr als auch Architekt und der Garant teilen sich den Gewinn bei Unterschreitung der Kostengarantiesumme. Diese finanzielle Motivation muss als wichtiger Erfolgsfaktor für dieses Modell eingestuft werden. Damit werden sowohl Bauherr wie Architekt angehalten, sich kostenbewusst zu verhalten. Die Frage sei dennoch erlaubt, inwieweit Treuhandfunktion und Gewinnbeteiligung verträglich sind.
In der deutschen Schweiz fehlt die Erfahrung aus vollendeten Garantieverträgen. Es scheint aber, dass das Dreieckverhältnis Bauherr Architekt Garant und die vielen Einzelvertragsbeziehungen zwischen dem Bauherrn mit den Unternehmern sowie den Planern etwas schwerfällig sind und Konfliktpotenzial beinhalten. Streitfälle sind im Bauprozess leider unvermeidlich. Wie diese bei Kostengarantieverträgen gelöst werden können, wird mitentscheidend sein, ob sich das Modell durchsetzen wird.
Urs Zoller, dipl. Ing. ETH/SIA, ist Inhaber der Beratungsfirma Consense GmbH in Riehen BS und Mediator im Bauwesen.