Früher, als Kaffee noch nicht in Kapseln getrunken wurde, also in den 1990er Jahren, liefen die Werbespots für die Kaffeemarke Jacobs Krönung fast in Dauerschlaufe. «Es war ein schönes Fest. Nur der Kaffee hatte kein Aroma», beschwert sich eine Hausfrau in einem Spot über die Hochzeit ihrer Tochter. Zu säuselnden Geigen stellt die Dame dann fest: «Nur die Krönung von Jacobs hat eben das Verwöhnaroma.»

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Tempi passati. Heute dreht sich im Hause Jacobs alles um Zahnmedizin. Bohrer und Brücken haben Schokolade und Kaffee abgelöst. Krone statt Krönung lautet die Devise in einer der reichsten Familien der Schweiz. Auf 8,5 Milliarden Franken schätzt die «Bilanz» das Vermögen des Jacobs-Clans. Das reicht für den 14. Platz unter den 300 Reichsten.

«Paneuropäische Ambitionen»

Mit der mittelmässigen Platzierung findet sich die Familie im Ranking der helvetischen Krösusse ohne Probleme ab. Im Wettbewerb um den Titel «Grösster Zahnarzt Europas» allerdings sind die Ziele höher gesteckt: «Die Jacobs Holding hat klar paneuropäische Ambitionen», sagt hierzu einer, der die Wachstumspläne einschätzen kann. «Die Familie will die grösste Zahnarztkette Europas aufbauen. Zumindest eine der grössten.» Die Familie ist schon nah dran an diesem Ziel. Sie besitzt 150 Kliniken in sechs Ländern und macht einen Jahresumsatz von 330 Millionen Franken.

Die Jacobs agieren dabei über die im Zürcher Seefeld beheimatete Gesellschaft Jacobs Holding, die vom früheren Adecco-Chef und heutigen Präsidenten von Barry Callebaut, Patrick De Maeseneire, geleitet wird. Zweck der Firma ist es, das Vermögen der Familie gewinnträchtig zu investieren, um mit den Erträgen die gemeinnützige Jacobs Foundation zu alimentieren. Die Stiftung engagiert sich weltweit in der Förderung von Kindern und Teenagern.

Mehrheit an Barry Callebaut

In der Familien-Holding parkiert ist die Mehrheitsbeteiligung von derzeit 50,1 Prozent am weltgrössten Kakao- und Schokoladenproduzenten Barry Callebaut. Sie hat der Holding zuletzt gegen 40 Millionen Franken an Dividenden in die Kasse gespült. Viel Geld. Aber Peanuts im Vergleich zu den rund 2,5 Milliarden Franken, welche die Familie beim Verkauf ihrer Beteiligung am Stellenvermittler Adecco vor rund drei Jahren gelöst hat.

Ein Vermögen, das angelegt sein will. Daher der Vorstoss in den lukrativen Dentalmarkt. Er ist gemäss Schätzungen in den Ländern Westeuropas rund 80 Milliarden Dollar gross. Und er wird in den meisten Staaten Europas von selbstständigen Zahnärzten dominiert. Einzig in Finnland, Spanien und Grossbritannien kommen Zahnarztketten auf zählbare Marktanteile.

Zersplitterter Markt

Der zersplitterte Markt hat in jüngster Zeit viele Private-Equity-Firmen auf den Plan gerufen. Sie liefern sich ein heisses Rennen um die Podestplätze bei den Zahnarztketten. Ein Deal jagt den nächsten. Die Beratungsfirma KPMG zählt seit 2013 über dreissig Übernahmen, wobei sich die Kadenz der Transaktionen Jahr für Jahr erhöht und zunehmend die Schweiz erfasst. Die britische Hesira etwa kaufte 2014 in der Romandie Adent. Laut Christoph Hürlimann, Inhaber des hiesigen Marktführers Zahnarztzentrum, flattern «regelmässig» Übernahmeangebote auf den Tisch. Und seit diesem Jahr ist besonders die Jacobs Holding aktiv.

Zuständig für die Deals im Namen der Jacobs Holding ist Tomas Aubell. Der frühere Chef-Investor des Family Office ist seit zwei Monaten Chef bei der Zürcher Colosseum Dental Group, dem zahnmedizinischen Powerhouse der Familie Jacobs. Über seine Pläne und Visionen für Colosseum darf er nicht reden. Die Familie wünsche derzeit keine Publicity, lässt er mit schwedischer Freundlichkeit ausrichten. Klar aber ist: Colosseum gehört heute schon zur europäischen Spitze.
In der Schweiz gehört die Kette Swiss Smile mit elf Standorten zu Colosseum. Die Jacobs Holding hat sie im letzten Juni der Beteiligungsgesellschaft EQT abgekauft. Gegründet wurde das Unternehmen von den Glamour-Zahnärztinnen Haleh und Golnar Abivardi.

Vier Deals in sieben Monaten

Der Swiss-Smile-Deal war für die Holding nur eine von vier Transaktionen in den letzten sieben Monaten. Und bei weitem nicht die grösste. In Grossbritannien kaufte sich die Familie mit Southern Dental eine Kette mit achtzig Kliniken, in Italien mit Odonto Salute ein Unternehmen mit rund vierzig Standorten und in Skandinavien mit Colosseum Smile den Marktführer in Norwegen, Schweden und Dänemark.

Europas Marktführer ist die Kette My Dentist mit 450 Standorten in Grossbritannien. Sie gehört zu Carlyle. Ebenfalls auf der britischen Insel aktiv ist die staatliche Oasis mit 300 Zahnarztpraxen. Dann folgt Colosseum - das Schweizer Unternehmen mit unschweizerisch grossen Ambitionen.
Warum das überbordende Interesse für ein Geschäft, mit dem die Konsumenten am liebsten gar nicht in Kontakt kämen? Ein Investor klärt auf: «Im Zahnarztmarkt ist das Konsolidierungspotenzial riesig. Und die Vorteile der Konsolidierung ebenso.»

Lockerung im wichtigen Dentalmarkt Deutschland

Immer mehr Länder deregulieren den Zahnarztmarkt. Unlängst etwa hat DeutschlandEuropas grösster Dentalmarkt – ein Verbot von Zahnarztketten aufgehoben. Das bietet Chancen - mit Vorteilen für Investoren, Zahnärzte und für Patienten. So verfügen Ketten gegenüber den Herstellern von Implantaten wie den Schweizer Anbietern Straumann und Nobel Biocare über mehr Einkaufsmacht als ein einzelner Zahnarzt. «Die Kosten für Material summieren sich bei einem Zahnarzt auf fast einen Drittel der Gesamtkosten. Gelingt es, diese Kosten zu drücken, schlägt das spürbar auf die Erfolgsrechnung durch», so der Investor. Zudem können Ketten die notwendigen teuren Gerätschaften besser auslasten. Aus Sicht der Patienten haben Ketten ebenfalls Vorteile. Sie bieten in der Regel längere Öffnungszeiten. «An den Weihnachtstagen ist bei uns immer viel los», sagt Unternehmer Hürlimann.

Schliesslich ist das Dental-Business ein stabiles, konjunkturunabhängiges Geschäft. Zur Dentalhygiene geht man – auch wenn es mal nicht rund läuft, auch in der Krise. Genau das gefällt den Jacobs. Sie suchen nicht den schnellen Gewinn, sondern Erträge für die Ewigkeit.

 

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