Die meisten Finanzdienstleister beklagen die Qualität der gespeicherten Kundendaten. Kein Wunder bis zu 10% der Kundendaten einer Bank sind Dubletten oder fehlerhaft. Für Banken können fehlerhafte Kundenstammdaten sehr weit reichende Folgen haben: Umsatzstarke Kunden beenden die Geschäftsbeziehung, weil sie mit dem Service nicht mehr zufrieden sind, doppelt oder dreifach angeschrieben werden oder irrelevante Informationen über neue Produkte und Dienstleistungen erhalten. Das Problem wird zwar in vielen Fällen als solches erkannt, doch die meisten Banken gehen nicht gründlich genug an seine Lösung heran: Es ist nämlich nicht damit getan, Daten zu filtern und zu konsolidieren sowie gelegentlich eine Abgleichung der Adressen vorzunehmen. Die Ursachen für fehlerhafte Kundendaten liegen viel tiefer und sind schwer zu analysieren.
Im Umgang mit Kundenstammdaten gibt es im Finanzbereich mehrere Fehlerquellen. In einem ersten Schritt müssen die Prozesse und Systeme, mit denen solche Daten erfasst und gepflegt werden, analysiert werden. Die Erfahrung aus vielen Projekten zeigt, dass die häufigsten Fehlerquellen die folgenden sind: Eingabefehler bei der Erfassung von Daten, mangelndes Bewusstsein für die Problematik, Alterung der Datenbestände sowie Schnittstellen- und Synchronisationsprobleme zwischen verschiedenen IT-Systemen.
Fehler bei der Erfassung
Trotz der heute üblichen automatischen Konsistenzprüfungen passieren nach wie vor die meisten Fehler bei der Erfassung von Daten. Oft kommt es zur unfreiwilligen Anlegung von Dubletten, weil bereits bestehende Einträge desselben Kunden übersehen werden. Dies kann beispielsweise daran liegen, dass die Such-Funktionalitäten eines Systems mangelhaft sind. Der Ursprung kann aber auch eine Stresssituation bei der Datenerfassung sein oder die unzureichende Schulung der Mitarbeitenden an den Kundenkontaktstellen. Die fatale Folge von Dubletten ist dann, dass gute Kunden mehrere Kundennummern haben.
Eine vollständige Betrachtung der Kundenbeziehung wird dadurch natürlich verunmöglicht. Der Kundenwert wird nicht erkannt, und es entstehen Nachlässigkeiten im Service. Der Kunde wird im Extremfall doppelt oder dreifach angeschrieben, was neben der Verärgerung des Empfängers auch unnötig hohe Portokosten verursacht.
Die meisten Unternehmen unterschätzen bei der Pflege von Adressdaten die Häufigkeit von Umzügen. Rund 7 bis 8% der Bevölkerung zügeln jährlich. Genauso hoch ist auch die Anzahl der Telefonnummern, die im Verlauf eines Jahres wechseln. Es wäre falsch zu glauben, dass einen die Kunden von sich aus über einen Umzug in Kenntnis setzen. Gerade deshalb empfiehlt sich der Einsatz eines Serviceunternehmens, um die von der Post gelieferten Umzugsdaten regelmässig mit den bankeigenen Kundendatenbeständen abzugleichen. Bei Vertragsadressen ist allerdings Vorsicht geboten: Denn auch Umzugsdaten sind nicht immer fehlerfrei. Im Fall von Inkonsistenzen sollte ein genau definierter Prozess ausgelöst werden, um die Änderung über einen Kundenkontakt genau abzuklären.
Verschiedene IT-Systeme, andere Sicht auf die Daten
Viele kritische Daten für eine Bank wie Kunden-, Produkt- oder Vertragsinformationen sind in verschiedenen Anwendungen und Datenbanken gespeichert oder verteilt. Nur selten kann eine Konsolidierung durch den Einsatz einer Standardsoftware bewerkstelligt werden. In den meisten Fällen müssen Kundendaten auch langfristig unter der Zuhilfenahme von verschiedenen Anwendungen gepflegt werden. Dabei benutzen die einzelnen Systeme verschiede-ne Synchronisationsmechanismen, die im ungünstigsten Fall genauso veraltet sind wie die damit verbundenen Anwendungen. Häufig sind aber auch Systemausfälle die Ursache für Inkonsistenzen.
Ein weiteres Problem sind die unterschiedlichen Definitionen für Daten in verschiedenen IT-Systemen. So ist etwa die Postleitzahl in einem System alphanumerisch definiert und erlaubt so auch die Erfassung ausländischer Anschriften, im zweiten System ist sie jedoch als rein numerische 5-stellige Grösse erfasst. Beim Versuch, eine ausländische Adresse von einem System ins andere zu übermitteln, kommt es deshalb unweigerlich zu Fehlern. Der einzige Ausweg ist der Aufbau einer Datensynchronisationsarchitektur, die Dateninkonsistenzen erkennt, korrigiert und somit vermeidet. In diesem Fall empfiehlt sich der Zuzug von Experten, denn von den meisten IT-Mitarbeitenden wird die Problematik nicht in ihrer Komplexität erkannt.
Die vorgängig beschriebenen Ursachen für fehlerhafte und inkonsistente Kundenstammdaten müssen unterschiedlich behandelt werden. Eingabefehler und mangelndes Problembewusstsein können in vielen Fällen durch verbesserte Schulung reduziert werden. Sie werden allerdings nie vollständig beseitigt. Eine Analyse der Prozesse, die den Kontakt mit dem Kunden beinhalten am Schalter, im Call-Center, auf dem Briefweg, in der Internetbank , kann Möglichkeiten aufzeigen, wie durch Prozessanpassungen Fehlerquellen reduziert werden können.
Einer unfreiwilligen Alterung der Datenbestände kann mit einer konsequenten Kommunikation mit den Kunden unter der Verwendung eines sauberen Kampagnenmanagements begegnet werden. Kunden, mit denen die Bank regelmässig in Kontakt steht, werden auch im Falle der Änderung ihrer eigenen Daten eher von sich aus aktiv.
Synchronisationsprobleme zwischen verschiedenen Anwendungen wiederum erfordern einen anderen Ansatz. Alle Geschäftsprozesse, die eine Synchronisation von Daten erfordern, müssen von der Bank im Zusammenhang mit den betroffenen Anwendungen analysiert werden. Dabei werden für jedes Datenattribut entsprechende Eignersysteme festgelegt sowie nachfolgende Synchronisationsabläufe entworfen und implementiert. IT-Experten unterscheiden dabei verschiedene Architekturen wie Single master, Single masterpartitioned, Single master federated, Multi-master und Single Source of Truth.
Alle diese Lösungen haben Vor- und Nachteile, und ihre Auswahl bedarf einer umfassenden Kenntnis der Konsequenzen. In den meisten Banken bedeutet ein Projekt für eine Verbesserung der Qualität von Kundenstammdaten eine mehrjährige Anstrengung. Es empfiehlt sich daher, die Investition genau zu analysieren und klare Business-Prioritäten zu setzen. Darauf aufbauend, soll ein tragfähiges Gesamtkonzept erarbeitet und die Lösung schrittweise implementiert werden.
Peter Hubele, Principal CRM Consultant, Cambridge Technology Partners (Novell Business), Zürich.
Anrufe «ohne Grund»: Mangelndes Problembewusstsein
Eine erfolgreiche Kundenkommunikation erfordert die Sammlung von zahlreichen «weichen» Kundendaten. Die Mitarbeitenden, die diese eigentlich erfassen sollten, tun dies oft nicht mit der notwendigen Aufmerksamkeit, weil diese Daten von der eigenen Abteilung nicht gebraucht werden, sondern vielmehr «nur» für das Marketing bestimmt sind. Selbst die Anlage von Pflichtfeldern, die von den Schalter-Mitarbeitenden auszufüllen sind, hilft nicht wirklich weiter. Mit Pflichtfeldern wird letztlich bloss die Eingabe von «Dummydaten» gefördert.
Ein Praxisbeispiel einer Bank: Im Call-Center ergab die Auswertung nach dem Grund der Anrufe bei 40% das Resultat «ohne Grund». Natürlich war es nicht so, dass 40% der Bankkunden «ohne Grund» anriefen. Vielmehr befand sich auf der Eingabemaske ein Pflichtfeld mit hinterlegter Auswahlliste. Der erste Eintrag war «ohne Grund». (ph)