Er könnte für das Betreten seines Büros glatt Eintritt verlangen. Die Schaltzentrale von Walter Güntensperger liegt hoch im obersten Stock eines Glashauses im Zürcher Vorort Glattbrugg. Vom Schreibtisch aus geniesst der Leiter von Hotelplan Schweiz einen Blick auf den Flughafen Kloten, als stünde er direkt auf dessen Aussichtsterrasse. Die Sicht auf die Jets beflügelt ihn. «Das neue Gebäude soll unseren Zukunftsglauben symbolisieren», sagt Güntensperger.

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Mit Aufmunterungen dieser Art wird bei Hotelplan seit Jahren eine bessere Zukunft beschworen. Anfang 2001 erfolgte der Spatenstich für den ambitiösen Hotelplan-Hauptsitz, wenige Monate bevor die Reisebranche in die grösste Krise ihrer Geschichte schlitterte. Das Gebäude ist trotzdem wie geplant gebaut worden. Angesichts der aktuellen Marktlage ist das Raumprogramm für 600 Mitarbeiter grosszügig bemessen. Bei Hotelplan Schweiz herrscht Einstellungsstopp. Der Umsatz stagniert, der Ertrag ist ungenügend. Doch nun, ist Güntensperger überzeugt, habe das Unternehmen Boden gefunden.

Reisemanager zu sein, war lange Zeit eine aufregende Sache. In den Neunzigerjahren herrschte in der Branche Partystimmung. Der Markt wuchs, Aktionen kamen auf, der Last-Minute-Boom, neue, auch ausländische Anbieter drangen ins Land, das Übernahmekarussell drehte sich. Doch auf den Höhenflug folgte der Absturz, der noch viel härter war als jener nach dem ersten Golfkrieg Anfang der Neunzigerjahre. Während sich die Branche damals rasch erholt hatte, folgte auf den 11. September 2001 fast im Monatsrhythmus Schock auf Schock. Im Vergleich der Geschäftsjahre von 1999 bis 2003 sind Kuoni und Hotelplan, die Nummern eins und zwei der Branche, massiv geschrumpft, die Erträge brachen um ein Drittel ein.

Und nun, exakt zur Zeit des erhofften Aufbruchs, erhalten die beiden Hauptkonkurrenten neue Konzernchefs. Bei Hotelplan hat am 1. Oktober 2004 Christof Zuber das Ruder übernommen, der zuvor Tela und Feldschlösschen geführt und an ausländische Konzerne verkauft hatte. Zuber will sich bis Anfang 2005 Zeit nehmen, um die strategischen Eckpunkte auszuarbeiten. Er wird unterstützt von einer Reihe altgedienter Kaderleute wie Hotelplan-Schweiz-Chef Walter Güntensperger. Bei Kuoni wird im April 2005 Migros-Mann Armin Meier das Chefbüro beziehen, auch er ist umgeben von Profis, die teilweise schon Jahrzehnte am Hauptsitz wirbeln. Die beiden neuen CEOs müssen nicht nur mit etablierten Seilschafen zu Rande kommen, sondern sich an einen Wettbewerb gewöhnen, der wie eine aufreibende Zweierbeziehung funktioniert. «Der Wettbewerb spielt in Zyklen», sagt Güntensperger, «auf ruinöse Bekämpfungsszenarien folgen oft wieder Vernunftlösungen, etwa in der Zusammenarbeit im Charterbereich.»

Beinahe wäre es statt zur ordentlichen Stabsübergabe zu einer spektakulären Neuordnung der Branche gekommen. Im Frühling verkaufte Kuoni die Beteiligung von 49 Prozent an TUI Suisse, dem drittgrössten Reiseveranstalter mit den Marken Imholz und Vögele Reisen. «Als Minderheitsaktionär hatten wir nur beschränkten Einfluss», begründet Thomas Stirnimann, Chef von Kuoni Schweiz, die Trennung. Zudem ist es beim Verkauf auch darum gegangen, eine Verlustquelle zu eliminieren. Branchenspezialisten wollen wissen, dass TUI Suisse seit Bestehen nie schwarze Zahlen geschrieben habe, was von TUI weder bestätigt noch dementiert wird.

Kaum war die Entflechtung perfekt, streckte Hotelplan die Fühler aus und wollte TUI Suisse übernehmen. Zusammen mit dem Unternehmen, das vergangenes Jahr 527 Millionen Franken umsetzte, wäre Hotelplan mit einem Schlag Marktführer geworden, und zwar mit Abstand. Gleichzeitig kamen in der TUI-Zentrale in Hannover Gelüste nach der Akquisition von Hotelplan auf. Wo immer sich die deutschen Touristiker im Ausland beteiligen, streben sie eine dominante Stellung mit Mehrheitsbeteiligung an. Damit stiessen sie aber in Zürich auf Widerstand. Am Ende scheiterten die monatelangen Verhandlungen «an unterschiedlichen Zielvorstellungen», wie es ein Insider formuliert.

Letztlich wäre es Kuoni und Hotelplan mit der TUI-Suisse-Beteiligung darum gegangen, einen Konkurrenten zu eliminieren. Statt einer Neuordnung herrscht nun in der Branche wieder eine ähnliche Konstellation wie in den Neunzigerjahren mit Kuoni und Hotelplan an der Spitze und TUI Suisse als dritter Kraft.

Im Gegensatz zu damals, als Kuoni und Hotelplan den deutschen Rivalen boykottierten, hat sich allerdings der Wettbewerb entspannt. In dem stagnierenden Markt raffen sich die drei eigenständigen Anbieter vermehrt dazu auf, Charterflüge gemeinsam zu nutzen. Ab dem neuen Flugplan, der im November in Kraft tritt, fliegt etwa Hotelplan mit der Kuoni-Fluggesellschaft Edelweiss Air in die Karibik und nach Kenia, umgekehrt reisen Kuoni-Kunden im Hotelplan-eigenen Belair-Flugzeug nach Mexiko. Passagiere von TUI Suisse kommen nun für Flüge in die Karibik und nach Mexiko bei Belair unter und für Reisen in die Malediven bei Edelweiss.

«Die Kunst der Reiseveranstaltung besteht mehr denn je darin, Volumen und Kapazitäten in Einklang zu bringen», sagt Hotelplan-Manager Walter Güntensperger. Für Reisemanager gibt es nichts Unproduktiveres als schlecht ausgelastete oder herumstehende Flugzeuge.

Wer zu viele Plätze und zu wenige Passagiere hat, dem bleibt nichts anderes übrig, als die freien Sitze in letzter Minute zu tiefen Preisen loszuschlagen. Ende August kritisierte der frühere Hotelplan-Chef Claus Niederer in der Fachzeitschrift «Travel Manager» das Gebaren der Industrie: «Ein intensiver Wettbewerb, geringe Margen und ein hohes unternehmerisches Risiko sind charakteristisch fürs Touristikgeschäft. Um dabei noch erfolgreich zu sein, muss man vorsichtig handeln. Dass trotz diesen Erkenntnissen nicht so gehandelt wird und mit der Verramschung von Überkapazitäten mittels unverantwortlicher Dumping-Preise – sprich: Aktionen – das Unglück geradezu und immer wieder gesucht und provoziert wird, ist wohl symptomatisch für diese Branche.»

Die Aussage kann als Seitenhieb gegen Hauptkonkurrent Kuoni verstanden werden, der einiges forscher auftritt als die Migros-Tochter Hotelplan. Im vergangenen Frühling etwa senkte Kuoni die Preise vor allem für Badeferien und zwang Hotelplan dazu, bereits gedruckte Preislisten einzustampfen. Kuoni hatte im Geschäftsjahr 2003 in einem stagnierenden Markt 13 Umsatzprozente verloren, die mit einem aggressiven Auftritt wieder zurückgeholt werden sollten. «Wir gehen davon aus, dass wir dieses Jahr Marktanteile gewinnen», sagt Kuoni-Manager Thomas Stirnimann. Der Geschäftsabschluss Ende Dezember wird zeigen, ob die Rechnung aufgegangen ist. Gemäss Halbjahresbericht konnte erst ein Teil des Rückgangs von 2003 kompensiert werden.

Hotelplan ist mit dem Erfolgsrezept der Migros, Ideen der Konkurrenz nachzuahmen – etwa mit der Gründung der Fluggesellschaft Belair oder der Lancierung des Direktanbieters Easy –, gar nicht so schlecht gefahren. Die Nummer zwei entwickelt sich konstanter als der Marktführer. Aber um aus eigener Kraft an die Spitze zu kommen, werden Hartnäckigkeit und Solidität nicht reichen.

In dem gesättigten Schweizer Markt bleibt den Strategen keine andere Wahl, als sich neue Quellen im Ausland zu erschliessen. Während der Auslandanteil in der Hotelplan-Gruppe seit 1999 von 50 auf 56 Prozent gestiegen ist, stagnierte er im Kuoni-Konzern bei 73 Prozent. Bislang expandierten die Schweizer Tour-Operators mit viel Wagemut, aber wenig Glück über die Grenze. Während sie in der Schweiz über 50 Prozent des Reisegeschäfts dominieren, sind sie im Ausland Winzlinge und führen dort mehrere verlustreiche Positionen. Die Auslandstrategie wirkt hier wie dort diffus und ist, abgesehen von den britischen Tochtergesellschaften, nur mässig erfolgreich.

Sie gehört zu den wichtigsten Dossiers der beiden neuen Konzernchefs. Der neue Kuoni-Lenker, Armin Meier, muss darüber nachdenken, ob er etwa das gewichtige Asiengeschäft wie sein Vorgänger Hans Lerch selber leiten will. Und Hotelplan-Chef Christof Zuber muss sich entscheiden, ob er den lauter werdenden Stimmen im Unternehmen, die eine Expansion nach Übersee anstreben, folgen will. Das Büro, das er vor kurzem bezogen hat, ist weniger inspirierend als das von Hotelplan-Schweiz-Chef Güntensperger. Zuber blickt direkt an die Fassade des Nachbargebäudes.