Wann waren Sie das letzte Mal in einem Starbucks?
Giuseppe Lavazza: 1991.

Was haben Sie bestellt?
Ich kann mich nicht mehr erinnern, nur noch daran, dass es in Seattle war.

Und seither waren Sie nie wieder in einem Starbucks?
Nein.

War es so schlimm?
Ich bevorzuge eine andere Art von Kaffee.

Ist das für Sie überhaupt guter Kaffee?
Manche würden es als guten Kaffee bezeichnen, mein Geschmack ist es nicht, auch weil ich keine Milch trinke.

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Der Kafeemacher

Name: Giuseppe Lavazza

Funktion: Vizepräsident Lavazza Gruppe

Alter: 52

Familie: verheiratet, drei Kinder

Ausbildung: Wirtschaftsstudium an der Universität in Turin

Karriere:

  • 1991: Eintritt als Vorstandsmitglied bei Lavazza, danach hatte er verschiedene Führungspositionen im Unternehmen inne
  • 2005 bis 2008: Strategic Marketing Director Lavazza
  • seit 2008: Vizepräsident Lavazza Gruppe
Giuseppe Lavazza
Quelle: Lavazza

Und was ist richtig guter Kaffee?
Es gibt nicht den besten Kaffee. Der Kaffee, den Sie am liebsten mögen, ist der beste Kaffee für Sie. Geschmäcker sind nun mal verschieden.

Und der Grund, warum es so viele Variationen gibt wie Cappuccino, Latte macchiato, Café frappé.
Das ist das Schöne am Kaffee. Es ist ein sehr komplexes Getränk, das sich je nach Geschmack verändern lässt. Deshalb ist Kaffee weltweit auch so erfolgreich.

Was ist denn Ihr Lieblingskaffee?
Ich trinke am liebsten Kafa, einen wilden Kaffee aus Äthiopien, der dort ganz natürlich wächst.

Bio ist im Kaffee-Business gegenwärtig ein grosses Thema.
Absolut. Qualitativ hochwertiger, biologischer und nachhaltiger Kaffee – auch bei den Kapseln – ist momentan sehr beliebt. Die Nachfrage wird immer grösser. Zudem wächst die Anzahl von Kleinröstereien, die speziellen Kaffee in Herkunft, Röstung und Zubereitung anbieten. Und auch der Filterkaffee erlebt sein Comeback.

Ihre Übernahme von Kicking Horse Coffee, einem kanadischen Bio-Kaffee-Anbieter, kam da letztes Jahr ja genau richtig.
Wir wollen global wachsen. Aber ja, Lavazza wird in erster Linie als Spezialist für traditionell italienischen Kaffee wahrgenommen. Mit Kicking Horse besetzen wir nun verstärkt auch die Bio-Nische. Überdies planen wir viele Innovationen zum Thema Nachhaltigkeit – etwa in Bezug auf neue, umweltschonendere Verpackungen.

Mithilfe von Trendmarken wollen Unternehmen die immer individueller werdenden Kundenwünsche abdecken. Kicking Horse Coffee ist da ein gutes Beispiel. Zugleich nimmt der Wettbewerb stark zu, das Angebot wird immer differenzierter. Wird damit auch das Geschäft komplexer und teurer?
Komplexer definitiv. Ob es auch teurer wird, liegt an einem selbst. Arbeiten Sie effizient, wird es nicht teurer. Das macht ein gutes Unternehmen aus. Komplexer hingegen ist es auch wegen der Internetrevolution geworden. Denn der Konsument hat heutzutage genaue Vorstellungen und möchte spezielle Produkte, die er eben online findet. Damit müssen wir uns als Firma auseinandersetzen, ohne dass die Kosten steigen, um dem Kunden weiterhin einen guten Preis anbieten zu können.

Weil Preissteigerungen im Kaffeemarkt schwer durchzusetzen sind?
Es ist schwierig, wenn Sie keinen signifikanten Mehrwert haben, der den höheren Preis rechtfertigen würde.

Kaffeedynastie

Das 1895 von Luigi Lavazza gegründete Unternehmen befindet sich seit vier Generationen im Besitz der Familie Lavazza. Heute beschäftigt Italiens grösster Kaffeeproduzent über 3000 Mitarbeiter. 27 Milliarden Tassen des Muntermachers aus Turin werden jedes Jahr in über neunzig Ländern geschlürft. Die Konkurrenz jedoch schläft nicht: Seit 2012 kauft die deutsche Industriellendynastie Reimann mit ihrer Beteiligungsholding JAB die stark zersplitterte Branche auf und macht weltweit Jagd auf Marken. Laut Marktforscher Euromonitor ist Lavazza weltweit der drittgrösste Kaffeehersteller hinter Nestlé und Jacobs Douwe Egberts.

Lavazza
Quelle: Ari Perilstein/Getty Images

Wie hat sich Lavazza durch die Digitalisierung verändert?
Vor allem in der Produktion hat sich vieles verändert. Die Automatisierung hat stark zugenommen, sei es bei den Produktionslinien, im Lager oder bei der Qualitätskontrolle. Die Maschinen haben in erster Linie besonders monotone und belastende Tätigkeiten übernommen. Wir mussten diese Investitionen tätigen, um als Unternehmen wettbewerbsfähig zu bleiben.

Wie viele Arbeitsplätze hat das gekostet?
Keine. Wenn überhaupt, hat die Digitalisierung uns geholfen, zu wachsen. Wir beschäftigen heute über 3000 Mitarbeiter.

Wie viel verkaufen Sie inzwischen über Ihren Online-Shop?
Noch zu wenig. Wir wollen uns künftig stärker darauf konzentrieren. Die Märkte in Zentral- und Südeuropa sind, was das angeht, langsamer als etwa in Grossbritannien oder den USA. Doch es ist ein grosser Trend und für uns eine grosse Chance, wir müssen hier also deutlich mehr investieren.

In der Schweiz kann man noch nicht online bei Lavazza bestellen. Wann wird das kommen?
Die neue Website wird bis zum Ende des Sommers in der Schweiz online sein und Nutzern Online-Einkäufe ermöglichen.

Welche Rolle spielt der asiatische Markt für Lavazza?
Eine kleine Rolle. Wir sind zwar in China, Vietnam, Indonesien, Japan, Hongkong und Singapur präsent. Doch der Markt ist nicht sonderlich in unserem Fokus.

Warum nicht?
Der asiatische Markt ist einfach anders. Wir sehen mehr Chancen in den USA, Deutschland, Frankreich, Italien, Grossbritannien und Australien und konzentrieren uns entsprechend darauf. Aber auch Osteuropa und Kanada rücken in unseren Fokus.

In vielen anderen Branchen gilt der asiatische Markt als Zukunftsmarkt. Ist das bei Kaffee anders?
Was Kaffee angeht, wächst der asiatische Markt nur langsam. Vor allem die Länder, in denen auch Kaffee angebaut wird, etwa Indonesien oder Vietnam, entwickeln sich allmählich. Allerdings ist die Kaufkraft dort niedriger. Wir warten also noch etwas, bevor wir angreifen.

Wie sieht es mit dem Schweizer Markt aus?
Die Schweiz ist seit Ende der 1980er Jahre ein wichtiger Markt für uns. Vor allem Kapseln sind hier sehr beliebt. In den nächsten Jahren wollen wir in der Schweiz deutlich wachsen und Nestlé die Stirn bieten. Unser Ziel ist es, die attraktivste Espressomarke des Landes zu werden.

Giuseppe Lavazza

Giuseppe Lavazza trinkt am liebsten Kafa, einen wilden Kaffee aus Äthiopien.

Quelle: Lavazza

Das heisst?
Wir wollen unser Schweizer Geschäft bis 2020 vervierfachen.

Wie wollen Sie das schaffen?
Wir werden verschiedene Strategien implementieren. Im Detailhandel werden wir etwa neue Produkte einführen, die den Schweizer Geschmack noch besser treffen. Zudem wollen wir unsere Distribution in den Büros erhöhen.

Wie viel Umsatz generiert Lavazza gegenwärtig in der Schweiz?
Etwa 10 Millionen Euro.

Sehen Sie tatsächlich eine Chance gegen Nestlé?
Wir haben bereits angegriffen, indem wir mit Carte Noire ins Geschäft mit Nespresso-kompatiblen Kapseln eingestiegen sind. Zudem bieten wir Kapseln für unsere eigenen Espresso-Maschinen an. Überdies haben wir seit 2016 unseren eigenen löslichen Instant-Kaffee und planen hier eine weitere, neue Produktlinie. Ich sehe also definitiv eine Chance gegen Nestlé.

Da haben Sie sich viel vorgenommen, zumal Sie im Schweizer Detailhandel vergleichsweise wenig Regalfläche besitzen.
In der Tat ist der Schweizer Markt kein einfacher Markt, die Konkurrenz ist sehr stark und die Distribution speziell. Doch mithilfe von Coca-Cola HBC als neuem Distributor erhoffen wir uns nun eine stärkere Durchdringung.

Vor einigen Jahren hat auch die Migros Markenartikel eingeführt. Haben Sie sich mal darum bemüht, dort gelistet zu werden?
Ja, leider ohne Erfolg.

Würden Sie sagen, dass Sie es hierzulande wegen Nestlé schwerer haben?
Ja. Nestlé ist ein starker Konkurrent. Und die Schweizer mögen Nestlé. Automatische Espresso-Maschinen und Kaffeekapseln sind sehr beliebt und der verfügbare Platz neben Nestlé nicht allzu gross. Ich sehe aber wie gesagt Chancen.

Wie oft hat Nestlé Ihnen eigentlich schon ein Kaufangebot gemacht?
In der Vergangenheit schon sehr häufig. Vor allem in den 1990er Jahren. Inzwischen haben wir schon länger nichts mehr von denen gehört.

Die Familie Reimann drängt seit 2012 mit ihrer JAB Holding in den Kaffeemarkt und hat inzwischen Marken im Wert von über 30 Milliarden Franken aufgekauft. Haben die es auch versucht?
Ja – vor etwa drei, vier Jahren. Ebenfalls vergebens.

Warum haben Sie abgelehnt?
Angebote bekommen wir seit Jahren. Aber wir sind noch immer hier und wir werden es auch in Zukunft sein. Und unser neuer Hauptsitz Nuvola in Turin ist die ultimative Antwort auf jedes Angebot. Er ist Ausdruck unserer Entschlossenheit und unseres Willens, führend in puncto Innovation und Wachstum zu werden. Wir sind bereit zu konkurrieren, aber auch zu kooperieren.

Hauptsitz von Lavazza in turin

Der neue Hauptsitz von Lavazza in Turin.

Quelle: NurPhoto/Getty Images

Was denken Sie über die Reimann’schen Ambitionen?
Für uns als Kaffeeunternehmen ist das ein gutes Zeichen, denn es zeigt, dass wir uns in einem sehr attraktiven Markt bewegen. Warum sollten sie sonst so viel Geld investieren? Sie sind überzeugt, dass der Markt weiterwachsen wird und grosses Potenzial bietet. Für uns ist das nur gut.

Aber mit JAB, Nestlé und auch Starbucks preschen grosse Konzerne mit enormen Investitionen auf den Kaffeemarkt vor. Bereitet Ihnen das keine Sorgen?
Wir tätigen ebenso grosse Investitionen. Seit 2015 haben wir 1 Milliarde Euro investiert und viele Marken wie Carte Noire, Merrild und Kicking Horse gekauft. Natürlich ist uns bewusst, dass wir es mit starker Konkurrenz zu tun haben. Doch wir haben das notwendige Kapital und die Mittel, dagegenzuhalten. Wenn man zu den Besten gehören will, muss man international expandieren und wachsen. Das machen wir. 70 Prozent unseres Umsatzes generieren wir bereits im Ausland und nur 30 Prozent in unserem Heimmarkt Italien. Lavazza ist also bereit, die Herausforderung anzunehmen, weil wir dazu in der Lage sind.

Mit so viel Konkurrenz im Nacken wird das Geschäft nicht gerade einfacher.
Natürlich, aber einfach war es noch nie. Früher haben wir mit ebenso grossen Playern wie Procter & Gamble und Kraft konkurriert. Und trotzdem haben wir unseren Umsatz steigern können. 2006 hatten wir einen Gesamtumsatz von 1 Milliarde Euro, 2017 haben wir nun 2 Milliarden. In zehn Jahren haben wir den Umsatz also verdoppelt.

Und 2027 werden Sie Ihren Umsatz verdreifacht haben?
Wer weiss, wir sind zumindest auf einem guten Weg. Erst mal wollen wir bis 2021 2,5 Milliarden Euro umsetzen.

Sie haben also keine Angst, dass Ihr Qualitätsvorsprung als Edelrösterei schmelzen wird?
Ganz im Gegenteil. Wir glauben, dass unser Qualitätsbestreben durch den globalen Wettbewerb nochmals einen Kick bekommen wird und wir unseren Vorsprung weiter ausbauen können. Lavazza steht für die italienische Art des Kaffeegenusses, das ist unser gewinnbringender Vorteil.

Ketten wie Starbucks boomen. Zeigt das nicht, dass es bei Kaffee heutzutage viel mehr um Lifestyle als um den Genuss geht?
Wenn es um perfekten Kaffee geht, dreht sich alles um den Geschmack. So versuchen wir, Kaffeesorten auf der ganzen Welt zu kombinieren, um ständig neue Produkte und Aromen mit verschiedenen Ursprüngen auf den Markt zu bringen, um allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Diese Arbeitsweise unterscheidet uns von Unternehmen wie Starbucks: Während Starbucks Coffeeshops betreibt, kocht Lavazza Kaffee. Wir konzentrieren uns ganz auf den Prozess von Kaffee, von der Bohne bis zur Tasse.

Dieses Jahr eröffnet Starbucks seine erste Filiale in Italien. Ändert das Ihren Heimmarkt?
Wir werden sehen. Es wird auf jeden Fall den Wettbewerb beleben und das ist sehr willkommen.

Welche Chance geben Sie Starbucks in Italien?
Italien ist die Heimat des Espressokaffees. Zweifelslos wird es für Starbucks eine grosse Herausforderung, doch für die Firma war es der nächste konsequente Schritt.

Der Kaffeekonsum ist zuletzt stetig gestiegen. Wird der Trend sich fortsetzen?
Ja, der Kaffeekonsum wächst weiter jedes Jahr um etwa 2 Prozent. Und auch der Kapsel-Boom hält an.

Entsprechend brauchen Sie genügend Plantagen, um den Bedarf decken zu können. In Anbetracht des Klimawandels ist das sicherlich eine grosse Herausforderung.
In der Tat. Der Klimawandel ist eine ernsthafte Bedrohung für den Kaffeeanbau, die Bohnen – vor allem die Sorte Arabica – reagieren empfindlich auf Temperaturveränderungen. Die Ernte und auch die Preise sind dadurch sehr volatil. Hinzu kommt das Nachwuchsproblem in der Landwirtschaft. Insbesondere bei kleineren Betrieben entscheiden sich junge Leute heutzutage oft gegen das Leben auf dem Land und ziehen in die grossen Städte. Für uns ist das ein grosses Thema, weswegen wir über unsere Foundation Projekte unterstützen, die etwa den Umweltschutz und der sozialen Fürsorge dienen. Tun wir das nicht, werden wir den Bedarf irgendwann nicht mehr decken können. Es liegt also in unserem eigenen Interesse, uns hier zu engagieren.

Haben Sie eigene Plantagen oder arbeiten Sie mit lokalen Partnern zusammen?
Wir haben keine eigenen Plantagen. Wir arbeiten mit Exporteuren, an die die Bauern ihren Kaffee verkaufen. Wir kennen aber unsere Bauern und besuchen sie regelmässig.

Lavazza befindet sich in vierter Generation. Wie viele Familienmitglieder sind zurzeit im Unternehmen tätig?
Sechs. Neben mir noch meine Schwester Francesca, mein Cousin Marco sowie zwei weitere Cousins und deren Vater Alberto als Präsident.

Ihren Verwaltungsrat haben Sie vor einiger Zeit auch für externe Mitglieder geöffnet. Warum?
Wir wollen, dass unser Unternehmen bestmöglich für die Zukunft gewappnet ist. Das erfordert gutes Know-how und entsprechend die Unterstützung von externen Personen.