Wenn einer viel Macht hat, muss er sie nicht zwingend zum Wohle aller Interessierten anwenden. Also braucht er jemanden, der ihm auf die Finger schaut. Doch insbesondere im Falle von Doppelmandaten also der Personalunion von CEO und VR-Präsident fehlen adäquate Kontrollmechanismen: Wer kontrolliert den CEO eines Unternehmens, wenn dieser und der VR-Präsident ein und dieselbe Person ist? Wer urteilt über seine Leistungen? Wer legt sein Gehalt fest?

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Der Benimmcode für Wirtschaftssubjekte der Economiesuisse, der «Code of best practice», sieht deshalb vor, dass der Verwaltungsrat in solchen Fällen ein «nicht exekutives, erfahrenes Mitglied bestimmen kann, welches befugt ist, wenn nötig selbstständig eine Sitzung des Verwaltungsrats einzuberufen und zu leiten». Ohne dass der amtierende VR-Präsident teilnimmt.

Einen solchen so genannten «Lead Director» haben inzwischen die meisten namhaften Firmen mit Doppelmandaten an der Spitze eingesetzt so Novartis (seit 1999), ABB (seit 2003) oder Ascom.

Bei der Roche in Basel wird mit seiner Wahl in den Verwaltungsrat im April der ehemalige Notenbanker und jetzige SwissLife-Präsident Bruno Gehrig Lead Director werden. Er soll dann etwa jene Sitzungen des Verwaltungsrats leiten, an denen die Leistung von Konzernchef Franz Humer beurteilt wird.

Dickes Pflichtenheft

Doch Gehrig wird noch weit mehr müssen: Ein Lead Director, der seinen Namen verdient, ist als oberster aussenstehender Verwaltungsrat extern und intern Garant dafür, dass die Corporate Governance glaubwürdig umgesetzt wird was insbesondere Anlagestiftungen, Grossinvestoren und Ratingagenturen zunehmend kontrollieren.

Der Lead Director ist somit auch Ansprechpartner für diese Anspruchsgruppen und er muss deren Informationsbedürfnis auch bei heiklen Themen stillen können.

Seine Aufgabe ist es, die Machtfülle des Doppelmandatsträgers auszugleichen. Gleichzeitig hat er aber fast dieselbe Machtfülle wenn auch nicht operativ und muss deshalb über dieselben Informationen verfügen. Ein Lead Director ist somit alles andere als ein blosses Aushängeschild: Mit ihm wird sogar eine zusätzliche Hierarchieebene im Aufsichtsgremium eingeführt. Er sollte deshalb das Format und die Leadershipfähigkeiten haben, um den Mandatsinhaber jederzeit ersetzen zu können. Und er kann im Notfall mit Hilfe des Verwaltungsrates sogar den CEO absetzen.

Mit anderen Worten: Er ist faktisch der zweite Präsident, der ein globales Unternehmen führen können muss. «Bruno Gehrig wird bei der Roche eine ganz zentrale Rolle spielen», davon ist Headhunter Sandro V. Gianella überzeugt.

Die Unabhängigkeit ist somit wichtigstes Kriterium für einen Lead Director. Als zum Beispiel die CS Group auf Druck der Anlagestiftung Ethos wie auch als Folge des wachsenden Widerstandes aus den USA gegen Ämterkumulation dem damaligen Doppelmandatsträger Lukas Mühlemann 2001 den Nestlé-Chef Peter Brabeck als Lead Director zur Seite stellte, wurde dessen Unabhängigkeit in Frage gestellt, da er 21 Verwaltungs- und Stiftungsratsmandate innerhalb der CS Group, von Nestlé und Roche innehatte.

Anders bei der ABB: Dort hat Jacob Wallenberg die Funktion des Lead Directors inne. Der schwedische Grossaktionär ist Garant dafür, dass bei Interessenkonflikten von Dormann als CEO und VR-Präsident die Entscheide zumindest nicht zu Ungunsten des Unternehmens und der Geldgeber ausfallen.

Türöffner für Novartis?

In Anbetracht der Grösse von Roche und der Machtfülle von Franz Humer ist ein Lead Director eigentlich auch dort längst überfällig gewesen. Doch ist dessen Einsetzung hier zu Lande freiwillig, zumindest jedoch nicht gesetzlich gefordert.

So dürfte erst der Druck von Aktionären und Anlegern, die sichergehen wollen, dass die von Novartis bedrohte Roche-Führung ihre Entscheide zum Wohle der interessierten Anspruchsgruppen trifft, zur Einsetzung eines Lead Directors geführt haben. Bruno Gehrig könnte so in letzter Konsequenz sogar zum Türöffner für Novartis werden.