Unternehmen unterschiedlicher Branchen sehen sich grundsätzlich mit sehr verschiedenen Logistikanforderungen konfrontiert. Abhängig sind diese beschränkt man die Sicht auf produzierende Firmen von der Art des Produktes, seiner Materialien und Bestandteile sowie seines Herstellungsprozesses, von der Vertriebsstruktur des Unternehmens, dem Konsumverhalten des Endkunden und Marktentwicklungen, auf die unmittelbar reagiert werden muss. Betrachtet man beispielsweise die Lebensmittel- und die Pharmaindustrie, so scheinen diese beiden Branchen hinsichtlich ihrer Organisation und Prozesse zunächst sehr verschieden. Neben vielen unterschiedlichen Aspekten, welche die Logistik in diesen beiden Industriebereichen beeinflussen, gibt es allerdings auch Gemeinsamkeiten, wie beispielsweise die Regularien der amerikanischen Food & Drug Administration, die für alle Firmen bindend sind, die ihre Produkte auch in den USA anbieten.
Komplexe Anforderungen
Die Herstellung von neuen Arzneimitteln wird immer komplexer und aufwendiger. Aufgrund der steigenden Forschungskosten, die vor der tatsächlichen Markteinführung eines Medikamentes anfallen, haben langfristig nur Konzerne eine wirkliche Chance, in dieser Branche profitabel zu agieren. Aktuelle Übernahmen, Fusionen und enge Kooperationen werfen unter anderem die Frage auf, wie Pharmaunternehmen ihre Logistik optimieren können. Überholte Distributionskonzepte müssen überdacht und komplexe Vertriebsstrukturen effizient genutzt werden. Durch die Marktkonzentration in dieser Branche gewinnen logistische Fragestellungen mehr und mehr an Bedeutung.
Internationale Pharmakonzerne müssen die Vorgaben der Food & Drug Administration erfüllen, wenn sie ihre Produkte auf dem US-amerikanischen Markt vertreiben wollen. Diese Richtlinien betreffen zum einen die Prozessabläufe in der Herstellung von Medikamenten als auch die Ausstattung und Infrastruktur dieser Unternehmen. Auch Logistikeinrichtungen müssen die so genannten Good-Manufacturing-Practice-Anforderungen der FDA erfüllen. Diese beziehen sich unter anderem auf die Verwendung bestimmter Materialien (Chromstahl) und die spezielle Konstruktionsweise ohne offene Profile oder Hinterschneidungen, an denen sich Staub oder Schmutz ablagern könnte. Sowohl der zunehmende wirtschaftliche Druck, der weltweit auf Pharmaunternehmen lastet, als auch die Erfüllung anspruchsvoller Vorgaben zur Wahrung von Hygiene und Sicherheit werden die Automatisierung von Lagerung und Kommissionierung in dieser Branche in den kommenden Jahren stark vorantreiben. Die begrenzte Haltbarkeit von Medikamenten, von Land zu Land unterschiedliche Arzneimittelvorschriften und ein saisonaler und durch aufwendige Marketingkampagnen stark beeinflusster Absatz stellen zusätzliche Anforderungen an die Logistik in der Pharmaindustrie.
Auch Unternehmen der Lebensmittelbranche unterliegen strengsten Kontrollen von staatlichen Institutionen. Ähnlich wie bei Pharmakonzernen ist die Logistik in diesem Industriezweig höchsten Ansprüchen an Hygiene, Qualität und Sicherheit verpflichtet. Spezielle Bedingungen gelten für frische Waren wie beispielsweise Molkereiprodukte. Ihre Distribution erfordert idealer Weise eine lückenlose Kühlkette, in manchen Fällen wie bei der Lagerung von Käse sogar unterschiedliche Klimazonen.
Ab Januar 2005 sind europäische Hersteller von Nahrungsmitteln zudem dazu verpflichtet, ihre Warenströme durchgängig zu verfolgen und zu dokumentieren. Die Erfüllung der neuen EU-Richtlinie 178/2002 stellt zusätzliche Anforderungen an die Logistik in der Lebensmittelindustrie dar. Viele Unternehmen der Branche führen derzeit Systeme ein, die ihre Warenverfolgung von der Produktionscharge bis zum Verkaufsort unterstützen sollen.
Ersetzt RFID den Barcode?
Eine technologische Innovation, deren Nutzen derzeit von vielen Zulieferern des Einzelhandels geprüft wird, ist Radio Frequency Identification (RFID). Gerade Unternehmen der Nahrungsmittelindustrie, deren Erfolg von kurzen Durchlaufzeiten, hohen Lieferfrequenzen und kleinen, auftragsspezifisch kommissionierten Bestellungen abhängt, sehen die Vorteile dieser Technologie für ihre Distribution. Experten sprechen davon, dass RFID mittelfristig die Kennzeichnung von Waren mit Barcodes komplett ablösen wird. Während in der Pharmaindustrie zumindest in Europa derzeit ein deutlicher Trend zur Vollautomatisierung in Lagern und Verteilzentren zu beobachten ist, sind manuelle Tätigkeiten aus der Kommissionierung von Lebensmitteln kaum wegzudenken.
Den Automatisierungsgrad je nach Branche flexibilisieren
Eine breite Angebotsvielfalt, ein rascher Sortimentswechsel mit immer neuen Produktangeboten und geringe Stückzahlen in der filialspezifischen Kommissionierung machen die Flexibilität menschlicher Arbeitskraft in dieser Branche nahezu unentbehrlich. Deshalb sind Lösungen zu entwickeln, die einen angepassten Automatisierungsgrad aufweisen. Wichtig dabei ist, dass die Prozessschritte, die das grösste Nutzen-/Kostenverhältnis aufweisen, automatisiert werden, ohne dabei die Flexibilität und den Liefergradservice zu beeinträchtigen. Dies ermöglicht eine manuelle Kommissionierung, welche durch eine ergonomische Automation unterstützt wird. Swisslog setzt für solche Fälle den CaddyPick ein. Hier wird die klassische «Ware zu Mann»-Kommissionierung um ein selbstfahrendes, an der Decke hängendes Kommisionierfahrzeug ergänzt. Dieser fährt eine Pickposition selbstständig an und leuchtet die entsprechende Picklokation an.
Der Kommissionierer liest die zu pickende Menge von dem Terminal am CaddyPick ab und legt die entsprechende Menge auf die Palette oder den Rollcontainer, den der CaddyPick mitführt. Über ein integriertes Wägesystem erkennt er selbstständig, wann die Position korrekt gepickt wurde, quittiert und fährt autonom weiter. Bei Mengenfehlern wird dies automatisch erkannt. Ist der Auftrag auf dem CaddyPick fertig, fährt dieser selbstständig in den Warenausgang, gibt den Auftrag ab, holt sich neue Auftragsgebinde und fährt wieder zurück ins Kommissioniersystem.