Am liebsten arbeite ich mit Menschen im Team», sagt Evelin Rüeger. Die 18-Jährige ist eine von 300 jungen Personen, die sich zur Fachangestellten Gesundheit ausbilden lassen. Den Beruf gibt es seit zwei Jahren. «Wir sind mit Bewerbungen geradezu überrannt worden», sagt Elisabeth Sampson, Leiterin des Alters- und Pflegeheims Eglisau. Im Unterschied zur verwandten Krankenpflegerin ist die Fachangestellte Gesundheit eine Allrounderin, die nicht nur Patienten betreut, sondern sich auch in Küche, Cafeteria, Wäscherei, Administration auskennt.
Ebenfalls neu ist die Sozialagogin, mit ähnlichem Einsatzgebiet wie die Fachangestellte Gesundheit. Brigitte Sattler, Projektleiterin für diese Berufslehre, streicht als Differenz heraus: «Sozialagoginnen pflegen nicht, sondern helfen Leuten, die in ihrer Alltagsgestaltung Unterstützung brauchen.» Sie arbeiten mit Kranken, Behinderten, Betagten und Kindern. Noch läuft die neue Ausbildung als Pilotprojekt, aber die Nachfrage ist enorm, 320 Lehrlinge gibt es.
Körperliche Anforderungen schrecken ab
Berufe im Sozial- und Gesundheitswesen erfreuen sich prinzipiell höchster Beliebtheit. Weniger begehrt sind gewisse gewerblich-industrielle Bereiche, so etwa das Baugewerbe. Selbst wenn hier ganz neue Berufslehren geschaffen werden, ist es schwierig, genügend Lehrlinge zu rekrutieren, zum Beispiel für den vor drei Jahren ins Leben gerufenen Gerüstmonteur. «Wir mussten viel Werbung machen, um das Ziel von 15 bis 20 Lehrlingen pro Jahrgang zu erreichen», sagt der beim Schweizerischen Gerüstbau-Unternehmer-Verband (SGUV) für die Ausbildung verantwortliche Blasius Böll. Dabei sind die späteren beruflichen Aussichten glänzend. «Auf dem Arbeitsmarkt sind die Gerüstmonteure begehrt wie frische Weggli», so Böll. Dass es trotzdem keinen Run auf die Lehrstellen gibt, liegt an den körperlichen Strapazen. «Schwindelfrei, robust und stark muss einer sein und 4 bis 6 t täglich herumschleppen», erklärt der im 3. Lehrjahr steckende Stefan Köppel aus Birmenstorf. Das tönt nach Knochenarbeit.
Auch für 2005 werden laut Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) 13 neue Berufslehren angeboten, darunter Küchenangestellter, Hotellerieangestellter, Restaurationspraktiker, Detailhandelsassistentin, Milchpraktiker und Reifenpraktiker. Für 2006 sind gar 15 neue Lehren vorgesehen. «Die wenigsten sind natürlich wirklich neu», räumt Robert Galliker, Sekretär der Schweizerischen Berufsbildungsämterkonferenz (SBBK), ein. Gemäss dem neuen Berufsbildungsgesetz, das seit Anfang 2004 in Kraft ist, werden in den nächsten fünf Jahren im Rahmen eines Masterplans sämtliche rund 200 anerkannten Lehren reformiert. Dabei ist bereits in den letzten Jahren einiges bewegt worden. So wurde die kaufmännische Lehre neu konzipiert, und traditionelle Berufe wurden an den Technologiewandel angepasst. Aus dem Radio- und Fernsehelektriker entstand zum Beispiel der Multimediaelektroniker, und die Informationstechnologie generierte ein halbes Dutzend neue Berufslehren.
Attestausbildungen auf dem Prüfstand
Der Reformeifer trägt noch nicht sonderlich Früchte. Das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) geht davon aus, dass in diesem Jahr 69500 Lehrverträge abgeschlossen werden können, 1500 mehr als im Vorjahr. Entspannung auf dem Lehrstellenmarkt ist aber deswegen keineswegs in Sicht. Die Warteschlange von Jugendlichen, die bei der Suche leer ausgegangen sind und jetzt mit Zwischenlösung (10. Schuljahr, Praktikum, Sprachaufenthalt) überbrücken, um es 2005 nochmals zu versuchen, ist auf 21000 Personen (+500) angewachsen.
Vor allem für schwächere Schüler wird das Bemühen um eine Lehrstelle zum Spiessrutenlaufen. Das BBT und die SBBK hoffen nun auf die so genannten Attestausbildungen, die für mehr als die Hälfte der neuen Berufe verantwortlich sind. Es handelt sich um praktisch ausgerichtete zweijährige Lehren mit einer standardisierten und anerkannten Qualifikation. Beispiel Milchpraktiker: Er lernt zwar nur gewisse Tätigkeiten des Milchtechnologen, muss diese aber ebenfalls perfekt beherrschen.
Offen ist noch, wie die Attestausbildungen später auf dem Stellenmarkt positioniert werden. «Es sind neue, eigenständige Berufe, bei denen es sich weder um eine aufgewertete Anlehre noch um eine nivellierte Berufslehre handelt», stellt Daniel Duttweiler vom BBT klar. Er erwartet, dass die Wirtschaft gewillt ist, die «Attestausgebildeten» besser zu entlöhnen als ehemalige Angelernte oder Hilfskräfte. Sonst erleidet das Attestmodell auf dem Arbeitsmarkt schnell Schiffbruch.