Den Tourismusbehörden von Crans-Montana ist es in diesem Jahr endgültig zu bunt geworden. Seit Jahren beobachten sie mit der Faust im Sack, wie Zweitwohnungen im Unterwalliser Tourismusdorf wie Pilze aus dem Boden schiessen. Einmal fertig gebaut, stehen die teils prunkvollen Appartements, mit Ausnahme von wenigen Wochen im Jahr, dann aber leer.

Die erschreckende Entwicklung von Crans-Montana in den letzten 20 Jahren: Rückgang der Hotelbetten von 5500 auf 2500, parallel dazu eine Verdoppelung von Schlafstellen in Zweitwohnungen, sogenannte «kalte Betten», von 17000 auf 33000. Resultat: Der touristische Umsatz ist von 165 auf 143 Mio Fr. geschrumpft und das Dorfbild wird von geschlossenen Fensterläden geprägt.

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Wallis und Engadin als Vorreiter

«Schluss mit dieser Entwicklung», sagen sich die Unterwalliser und lancieren jetzt ein Projekt zur Bekämpfung der «kalten Betten». In einem ersten Schritt will die Gemeinde ähnlich gelagerte Komplexe mit Ferienwohnungen zusammenfassen und durch ein Reisebüro zentral vermarkten. Mittelfristig sollen durch diese Massnahme 800 «kalte Betten» warm werden und während 200 Nächten pro Jahr belegt sein.

Crans-Montana ist einer von vielen Ferienorten in den Schweizer Bergen, die mit demselben Problem zu kämpfen haben. Die «kalten Betten» verschandeln ihre Landschaften und bringen die Destinationen in wirtschaftliche Bedrängnis. Denn sie müssen ihre Infrastrukturen auf die Spitzenzeiten ausrichten und produzieren in den langen Nebensaisons deshalb viel Leerlauf. Vor allem in den wichtigsten Tourismuskantonen Wallis und Graubünden ist man nun aktiv geworden. Im Wallis hat der CVP-Staatsrat Jean-Michel Cina verschiedenen Gemeinden ein Moratorium auferlegt. Orte wie Zermatt, Saas-Fee oder auch Crans-Montana haben mit Unterstützung des Stimmvolkes den Bau von Zweitwohnungen seither eingeschränkt.

Vermietungszwang in St. Moritz

Die Zermatter etwa haben jüngst per Urnengang eine jährliche Obergrenze von 850 m2 Bruttogeschossfläche für den Bau von Zweitwohnungen festgesetzt. Zusätzlich geprüft werden nun hohe Lenkungsabgaben für Zweitwohnungsbesitzer, jährlich zum Beispiel über 10000 Fr. für eine 3,5-Zimmer-Wohnung, mit denen man die Eigentümer zur Untervermietung ihrer Wohnungen bewegen will.

Auch in Saas-Fee oder im Oberengadin hat das Stimmvolk Baustopps für Zweitwohnungen durchgesetzt. Der langjährige St. Moritzer Tourismusdirektor Hanspeter Danuser forderte unlängst sogar einen Vermietungszwang für alle Zweitwohnungs-Besitzer, stiess damit aber auf heftige Kritik. Eine innovative Massnahme im Kampf gegen «kalte Betten» ist dem kleinen Bündner Ort Savognin gelungen.

In der neuen Ferienresidenz «Alpin Surses» hat man im letzten Jahr Wohnungen mit insgesamt 400 Betten geschaffen, die von internationalen Reiseveranstaltern kommerziell vermietet werden. Die Wohnungen sollen künftig während mindestens 30 Wochen im Jahr belegt sein. Das Savogniner Projekt erhält in Fachkreisen gute Noten. Für Thomas Bieger, Tourismusexperte an der Universität St. Gallen, ist es eine Musterlösung für kleinere Orte, die aufgrund ihrer geringeren Hoteldichte auf Einnahmen aus der Parahotellerie (Ferienwohnungen) angewiesen sind, ohne Immobilien verkaufen zu müssen.

Debatte um Aufhebung

Während sich viele Tourismusorte selber helfen, ist in der Politik ein heftiger Disput um die Abschaffung der Lex Koller entbrannt. Das Gesetz schränkt den Erwerb von Wohneigentum durch Ausländer ein und wurde ursprünglich als Massnahme gegen den «Ausverkauf der Heimat» lanciert.

Dies sei nicht mehr zeitgemäss, findet der Bundesrat, und plädiert für eine rasche Abschaffung. Unterstützung erhält er von der Mehrheit der Tourismusgemeinden. Das Problem des überwuchernden Zweitwohnungsbaus habe nichts mit der Nationalität der Käufer zu tun, so der Grundtenor.

Urs Zenhäusern etwa, Direktor von Wallis Tourismus, stellt fest, dass die Lex Koller der Problematik der Landschaftszersiedelung durch Zweitwohnungen bislang nichts entgegensetzen konnte. Im Gegenteil: «In der Regel sind ausländische Besitzer von Zweitwohnungen sogar eher bereit, ihre Ferienwohnung zur professionellen Vermarktung freizugeben als Schweizer.» Zenhäusern ist für die Abschaffung unter der Voraussetzung, dass Kanton und Gemeinden ihre Verantwortung in der Raumplanung wahrnehmen. Er befürwortet separate Einzellösungen für jeden Ort, da die Voraussetzungen überall unterschiedlich seien.

Nichts von Eigenverantwortung auf kommunaler Ebene halten hingegen vor allem politisch linke Kreise. Zwei junge Bündner SP-Politiker haben dazu unlängst eine «Erklärung von Zernez» abgegeben und kritisieren vorab bürgerliche Politiker, die «der Abschaffung der Lex Koller zustimmen, ohne konkrete Begleitmassnahmen zu nennen».

Sie fordern klare Massnahmen und Beschlüsse vom Bund, die sowohl für Schweizer als auch Ausländer zu gelten hätten. Auch grüne Politiker befürchten, dass eine sorglose Aufhebung des Gesetzes zu einer Zubetonierung der Schweiz führen und einer massiven Bodenpreiserhöhung durch Spekulation Tür und Tor öffnen würde.

Widerstand von links bis rechts

Der Naturschützer Franz Weber möchte mit seiner Initiative «Rettet den Schweizer Boden» die Lex Koller deshalb retten und erhält dabei Unterstützung von ganz rechts aussen. Die Schweizer Demokraten argumentieren einfach anders: Sie wollen den «Ausverkauf der Heimat» verhindern. Über die Abschaffung oder Beibehaltung der Lex Koller dürfte in der ersten Legislaturperiode nach den Parlamentswahlen entschieden werden.

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NACHGEFRAGT Jean-Michel Cina, Volkswirtschaftsdirektor Kanton Wallis, Sitten: «Lex Koller verhindert Resorts von ausländischen Investoren»

Hand auf Herz: Als Volkswirtschaftsdirektor eines Kantons, der wesentlich von ausländischen Touristen lebt, können Sie doch nur für die Aufhebung der Lex Koller sein.

Jean-Michel Cina: Natürlich trete ich für die Aufhebung ein, weil diese für das Wallis wirtschaftlich von grosser Bedeutung ist. Gleichzeitig bin ich mir aber bewusst, dass es Rahmenbedingungen für den Übergang braucht.

Also birgt die Aufhebung Gefahr?

Cina: Die Aufhebung wird – nicht nur im Wallis – eine hohe Nachfrage nach Wohnraum auslösen, was an sich positiv ist. Wir haben aber in unserem Kanton heute schon die Problematik der «kalten Betten». Deshalb müssen wir auch um die Auslastung neuer Betten besorgt sein.

Nun mussten Sie dieses Jahr selber per Moratorium einigen Walliser Gemeinden einen Baustopp auferlegen, weil diese sich über die Quoten und Klauseln der Lex Koller hinweggesetzt haben. Ist das

kein böses Omen für eine Aufhebung?

Cina: Die Auslastung von Zweitwohnungen und die Lex-Koller-Debatte sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Das bedeutet, dass auch mit einer möglichen Abschaffung der Lex Koller die Zweitwohnungs-Problematik noch zu lösen sein wird.

Welche Arbeiten in diese Richtung haben Sie bereits angepackt?

Cina: Schon jetzt in Kraft ist ein Raumplanungs-Richtplan, der mit der Aufhebung der Lex Koller von den Gemeinden bis 2010 individuell umzusetzen ist. Von 88 betroffenen Gemeinden besteht nur bei 30 Nachholbedarf.

Welche weiteren Massnahmen braucht es?

Cina: Erstens gilt es, das Wachstum raumplanerisch zu bremsen. Zweitens muss eine klare Ansiedlungspolitik gefunden werden, die auch neue Formen der Hotellerie, wie etwa von ausländischen Investoren betriebene Resorts, zulässt. Drittens braucht es Lenkungsabgaben, welche die Vermietung fördern. All dies muss schliesslich in einen Masterplan einfliessen.

Resorts? Hoffen Sie, mit der Aufhebung der Lex Koller Projekte à la Andermatt anzulocken?

Cina: Das schwebt uns vor, vielleicht nicht in der Grösse. Resorts mit Villen und Hotels fallen unter «Mischformen der Hotellerie», und dort verhindert die Lex Koller das Engagement ausländischer Investoren. Ein grosser Nachteil, denn Resorts können von Touroperatoren betrieben werden, was eine gute Auslastung garantiert.

Haben Sie Projekte auf dem Tisch?

Cina: Tatsächlich liegen uns gleich mehrere sehr gute Projekte vor. Sie sind aber heute blockiert, und wir könnten sie an das Ausland verlieren. Die französische Maison de Biarritz hat ein Resort-Projekt in Champéry geplant. Pierre et Vacances, bereits an der Côte d’Azur aufgestellt, interessiert sich ebenfalls für unsere Wintersportdestinationen.

Schön für das Wallis. Aber was bringt die Aufhebung den Städten?

Cina: Ein Wust an Bewilligungsverfahren würde wegfallen. Mit dem von Ausländern geschaffenen Wohnraum könnten auch die Mietpreise gedämpft werden.

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Gesetz von 1983: Gegen eine mögliche «Überfremdung»

Lex Koller

So wird das schweizerische Bundesgesetz vom 16. Dezember 1983 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland bezeichnet. Der Name des Gesetzes geht auf den ehemaligen Bundesrat Arnold Koller zurück, der bei der Ausarbeitung des Gesetzes Nationalrat war. Zweck der Lex Koller nach der damaligen Sicht ist die Bekämpfung der «Überfremdung des einheimischen Bodens». Es beinhaltet eine Beschränkung der Erwerbsmöglichkeiten von Schweizer Liegenschaften durch Ausländer und ersetzte damals die Lex Friedrich. Seither ist viel Zeit vergangen - und die Opposition gegen das Gesetz hat nun einen Höhepunkt erreicht. So spricht sich nebst verschiedenen Parlamentariern auch der Bundesrat inzwischen für eine rasche Abschaffung aus. Käme es dazu - die Debatte hat wegen der Wahlen an Fahrt verloren, sodass mit Entscheiden erst 2008 gerechnet werden kann -, sind Lenkungsmassnahmen für den Übergang gefordert. Wie diese genau aussehen sollen, ist aber immer noch Gegenstand der Diskussion. (hz/wikipedia)