Der Beitritt Liechtensteins zum Europäischen Wirtschaftsraum führte 1996 zur Schaffung des nationalen «Gesetzes über Investmentunternehmen» (IUG). Inwiefern unterscheidet sich ein Anlagefonds in Form eines liechtensteinischen Investmentunternehmens von einer Luxemburger Sicav?
Matthias Voigt: Die Prospekt- und Anlagereglemente sind durchaus miteinander vergleichbar. Die beiden Fondstypen unterscheiden sich nur durch das ihnen unterliegende rechtliche Rahmenwerk. So hat Liechtenstein neben einer Sicav-Struktur eine treuhänderische Lösung entwickelt, bei welcher der Anlagefonds ähnlich wie ein Trust behandelt wird. Was den Anleger betrifft, spielt das eigentlich eine eher untergeordnete Rolle.
Muss das Liechtensteinische Gesetz nun also im Sinne der EU-Fondsdirektive revidiert werden?
Voigt: Das IUG wird derzeit an die letzten EU-Direktiven angepasst. In Kürze wird der Vernehmlassungsbericht der Regierung erstellt und den Berufsverbänden zur Stellungnahme vorgelegt. Die Gesetzesanpassung wird dann voraussichtlich im Herbst vom Landtag behandelt werden. Zeitlich sind wir damit etwas hinter der von der EU gesetzten Frist. Dafür wird das revidierte Gesetz gleich samt Verordnungen und Code of Conduct in Kraft treten können.
Wie hat sich das liechtensteinische Fondswesen seit dem Inkrafttreten des IUG entwickelt?
Voigt: Vor 1996 hatte es im Fürstentum einen einzigen Anlagefonds gegeben. Auch nach der Verabschiedung des Gesetzes ist zunächst einmal relativ wenig passiert. Seit 1998 hat aber eine fulminante Entwicklung stattgefunden. Heute beläuft sich das Anlagevermögen von rund 230 Einzelfonds auf 13,9 Mrd Fr. gegenüber 2,2 Mrd Fr. vor fünf Jahren. Das Wachstum setzt sich fort, auch durch die Erweiterung des Angebots. So liegen neben weiteren Wertschriften-Portefeuilles erstmals Anträge zur Konzessionierung eines Immobilienfonds, eines Fund of Hedge Funds und eines Private-Equity-Fonds vor. Heute sind bereits 25 Anbieter am Markt tätig.
Gehören dazu auch Sitzgesellschaften?
Voigt: Nein. Alle Fondsgesellschaften sind liechtensteinische Unternehmen mit einem physischen Sitz im Fürstentum. Es sind auch keine eigentlichen Grossanbieter darunter. Das erkennt man an einem Vergleich der Anzahl Fonds mit dem Anlagevermögen.
Welche Vorteile bietet eine liechtensteinische Konzession?
Voigt: Als EWR-Mitglied musste Liechtenstein die EU-Richtlinien übernehmen. Dadurch hat die liechtensteinische Konzession den Vorteil, dass der Vertrieb im EU-/ EWR-Raum nur noch den Aufsichtsbehörden angezeigt werden muss, was die Zulassung stark vereinfacht. Die kürzlich erfolgte EU-Ost-Erweiterung erhöht zudem die Anzahl der potenziellen Kunden erheblich.
Schreckt das Domizil Liechtenstein aber nicht manche EU-Anleger ab?
Voigt: Der Ruf Liechtensteins hat sich verbessert. Wir werden unseren Fondsplatz aber vermehrt nach aussen tragen und neben der Produktion den Standort vermarkten, dies sowohl durch unsere Mitgliedschaft in der europäischen Dachorganisation Fefsi als auch durch Vorträge oder Messebesuche.
Wir arbeiten sehr hart daran, Liechtenstein als offenen, transparenten Teil der Finanzwelt zu präsentieren. Weiterhin ist der Gesetzgeber im Moment daran, das schon strenge Sorgfaltspflichtgesetz nochmals zu überarbeiten. Schwerpunkte bilden dabei die Verhinderung der Terrorismusfinanzierung und die Erweiterung des Kreises der unterstellten Finanzintermediäre. Zudem hat der IWF anlässlich seines Assessments im Herbst 2001 die bereits in die Wege geleiteten Schritte gewürdigt und anerkannt. Also mehr internationale Anerkennung und keine Abschreckung!
Wie sieht es mit der Zulassungspraxis des Amts für Finanzdienstleistungen aus?
Voigt: Das Amt hat einen Stil entwickelt, der sich, ohne an Schärfe zu verlieren, als pragmatisch und speditiv erwiesen hat. Fondsanbieter profitieren vom Modell der kurzen Wege, das nicht zuletzt dank der Kleinheit des Landes möglich ist.
Was halten Sie für die Hauptattraktion liechtensteinischer Anlagefonds den steuerlichen Vorteil oder den Einfallsreichtum hiesiger Anbieter?
Voigt: Trotz der sehr niedrigen Besteuerung der Investmentunternehmen gibt es keine grossen Steuervorteile. Wegen fehlender Doppelbesteuerungsabkommen entsteht für manche Kunden sogar ein Nachteil, indem ausländische Quellensteuern auf Wertpapiererträge nicht zurückgefordert werden können. Die Besonderheit des liechtensteinischen Fondsplatzes liegt viel eher in der Effizienz und in der Individualität der einzelnen Produkte. Wenn Luxemburg als Grosshändler anzusehen wäre, ist Liechtenstein eine Boutique.
Profil: Steckbrief
Name: Matthias Voigt
Funktion: CEO ProfitFund Com AG, Vaduz
Verbandstätigkeit: Präsident Liechtensteinischer Anlagefondsverband