Was hat Tamedia mit Local.ch vor?
Dorian Selz*: In der Schweiz gibt es verschiedene Anbieter von Adressenverzeichnissen. Zum einen die Plattform Search.ch. Daran besitzt die Tamedia die Mehrheit. Der andere grosse Mitspieler ist Local.ch. Die Plattform ist in Bezug auf die Nutzer- und Umsatzzahlen sehr erfolgreich. Die Firma versteht ihr Geschäft und schreibt Gewinn – im Gegensatz zu Search.ch. Schliesslich ist Google mit «Maps» der dritte grosse Konkurrent. Wenn Tamedia nun Local.ch und Search.ch zusammen bringt, hätte man die mit Abstand erfolgreichste Plattform im Schweizer Netz. Dann könnte man es mit Google aufnehmen. Die Grösse ist in diesem Marktsegment matchentscheidend. Zudem könnte man mit dem Zukauf von Local.ch einige Probleme bei Search.ch beheben.

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Tamedia bietet für Local.ch sowie für die Beteiligungen und Immobilien der Publigroupe 350 Millionen Franken. Wie schätzen Sie das Angebot ein?
Tamedia würde sich mit einer Übernahme Zugriff auf andere Assets verschaffen, welche das Medienhaus gewinnbringend verkaufen könnte. Alleine die Immobilie am Neumühlequai in Zürich ist laut Einschätzungen rund 90 Millionen wert. Hinzu kämen andere Beteiligungen im Wert von mehreren Dutzend Millionen. Letztlich würde Tamedia weit unter 150 Millionen für Local.ch zahlen. Die Plattform ist hochprofitabel. Letztes Jahr  machte sie 200 Millionen Umsatz bei 50 Millionen Betriebsergebnis. So gesehen wäre der Deal ein echtes Schnäppchen.

Warum will Tamedia gerade jetzt zuschlagen?
Die Publigroupe ist leider die Geschichte eines Niedergangs. Seit dem Verkauf der Publicitas – dem Kerngeschäft der Publigroupe – ist das Unternehmen faktisch nur noch eine Beteiligungsgesellschaft. Erst jetzt kann sich Tamedia die Übernahme leisten. Zudem hätte die Wettbewerbskommission vorher niemals grünes Licht für so einen Deal gegeben.

Local.ch ist ja nicht bloss ein Adressenverzeichnis. Man findet auch Sonderangebote von Restaurants, Bars oder Caterings. Wo sehen Sie das Potenzial von Local.ch?
Local.ch kann auf digitaler Ebene den Unternehmen unter die Arme greifen und diverse Vermittlungsdienstleistungen erbringen. In erster Linie hilft die Plattform KMU, dass sie gefunden werden. Nun kann man auch zusätzliche Dienstleistungen anbieten. Bei Local.ch lassen sich etwa Plätze in einem Restaurant reservieren. In einem weiteren Schritt ist es möglich, etwa lokale Coupons von Restaurants auf der Seite zu platzieren. Zum Beispiel einen Discount für das Mittagsmenu von heute. Auch das Einbinden eines Buchungssystems wäre möglich. Kunden könnten dann direkt im Adressverzeichnis eine Garage in der Nähe suchen und online einen Termin für Autoreparaturen buchen. Man wird so zu einem «Digital Enabler». Solche lokale Dienstleistungen werden heute noch sehr wenig betrieben. Daher ist das Geschäftsfeld sehr attraktiv.

Tamedia teilte mit, man wolle Local.ch und Search.ch als eigenständige Marken weiterführen. Was halten Sie davon?
Mehr Sinn würde es machen, nur eine Marke weiterzuführen. Und zwar jene, die stärker ist. Das wäre demnach Local.ch. Warum soll man zwei digitale Telefonbücher parallel betreiben wollen? Man sollte beide Ressourcen bündeln und etwas Grosses machen. Letztlich geht es nur um eines: Man will sich von Google abheben und bessere lokale Dienstleistungen anbieten.

Hat man denn gegen Google in diesem Geschäft eine Chance?
Google hat im Geschäft mit lokalen Dienstleistungen noch nicht richtig Fuss gefasst. Sie haben das Prinzip von solchen Angeboten noch nicht verstanden – zum Glück. Ein Coiffeur oder eine Garage hat in der Regel weder die Zeit noch die Ressourcen, um am Abend Werbung im Internet zu schalten. Daher muss man den kleinen Betrieben unter die Arme greifen und ihnen die entsprechenden Dienstleistungen zur Verfügung stellen. Dieses digitale Geschäft kann nur auf lokaler Ebene betrieben werden – und das macht Google eben nicht.

Warum interessiert sich Swisscom für Local.ch?
Die Swisscom ist dazu prädestiniert, ein «Digital Enabler» zu sein. Viele Klein- und Mittelunternehmen sind bereits Kunde von Swisscom. Zudem braucht jeder Betrieb eine Homepage, einen Server und andere digitale Dienstleistungen wie Rechnungsstellungen. Das alles auf lokaler Ebene anbieten zu können, wäre für die Swisscom sehr attraktiv. Da kommt Local.ch gerade recht. Schon an der Höhe des Angebots sieht man, dass Swisscom unbedingt Local.ch haben will. Die Swisscom will 230 Millionen für die von der Publigroupe gehaltene Hälfte von Local.ch hinblättern. Das sind letztlich rund 100 Millionen mehr als die Tamedia effektiv für die Plattform zahlen würde. Das zeigt vor allem eines: Die Swisscom wird Local.ch nicht kampflos aufgeben.

*Der 43-jährige Dorian Selz ist Gründer von Local.ch und Mitgründer sowie aktuell CEO des Startups Nektoon in Zürich.