Derweil sich seine Altersgenossen mit Fischfang, Segeln und anderen kontemplativen Hobbys verlustieren, hat Louis-Philippe Bovard noch keinen Moment daran gedacht, seinen Beruf an den Nagel zu hängen. Denn Bovard ist Winzer aus Passion, und eine Passion wird man nicht so leicht los. Zumal nicht, wenn man Spross einer alteingesessenen Waadtländer Winzerfamilie ist.

Bereits seit mehreren Jahrhunderten bewirtschaftet die Familie Bovard ein Weingut in Cully im Lavaux-Gebiet. Zur Domäne gehören 17 Hektar Rebland in den Appellationen Dézaley, Calamin, St-Saphorin und Epesses. Deutlich früher als die meisten Waadtländer Winzer hatte sich Louis-Philippe Bovard höhere Ziele gesetzt. «Ich wollte erstklassige Weine machen, die gegen die internationale Konkurrenz mithalten und auch exportiert werden können», sagt Bovard.

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Die 90er Jahre wurden zum Jahrzehnt des Aufbruchs. Er bepflanzte kleinere Parzellen mit Sauvignon blanc und Chenin blanc sowie den roten Sorten Merlot und Syrah. Während der Sauvignon blanc reinsortig abgefüllt wird, kommt der Chenin blanc mit 50% Chasselas verschnitten als eigenwillige Cuvée auf den Markt. Auch mit dem in Barriques ausgebauten roten Dézaley, einer mutigen Assemblage aus Pinot noir, Merlot und Syrah, und dem roten St-Saphorin, einem Verschnitt aus den drei genannten Sorten mit wenig Gamay, hat Bovard Neuland betreten.

Chasselas mit kräftiger Säure

Das Gleiche gilt für den Chasselas der Grand-Cru-Lage Calamin. Von den beiden Gastronomen Freddy Girardet und Hans Stucki ermuntert, einen Chasselas ohne biologischen Säureabbau, das heisst mit kräftigerer Säure, zu erzeugen, experimentierte er mit verschiedenen Lagen. «Das meiste war schlicht nicht trinkbar», erinnert er sich. «Einzig die Trauben der Lage Calamin, die äusserst säurearme Weine ergibt, lieferten ein zufrieden stellendes Resultat.» Dieser ungewöhnliche, im Barrique vinifizierte Chasselas gehört seither zur Produktepalette des Traditionshauses Louis Bovard.

Machten die klassischen Chasselasweine vor zehn Jahren über 90% der Produktion aus, so hat sich dieser Anteil inzwischen auf 80% verringert. Das ist immer noch viel, und mit Sicherheit wäre es zu viel, würde Bovard anspruchslosen, spritzig-blumigen Apéro-Chasselas erzeugen. Das jedoch ist nicht seine Sache. «Wir haben uns auf unserer Domäne immer bemüht, die Weine so zu erzeugen, dass sie das Terroir optimal widerspiegeln», erklärt Bovard. Zwar soll in naher Zukunft der Chasselas-Anteil nochmals um 10% gesenkt werden, aber gleichwohl ist er ein dezidierter Verteidiger dieser Traubensorte. Nicht etwa «faute de mieux», wie bei vielen Waadtländer Weinbauern, die es verpasst haben, sich den Herausforderungen der liberalisierten Weinwirtschaft zu stellen, sondern weil er aus Erfahrung weiss, dass sich aus ihr gut strukturierte, alterungsfähige Gewächse erzeugen lassen, die ausgezeichnete Essensbegleiter sind.

Finessenreich und mineralig

Der Parade-Chasselas der bovardschen Domäne ist der Dézaley «Grand Cru Médinette». «Der Médinette zeigt sich nicht etwa in seiner Jugend, sondern erst nach fünf Jahren von seiner besten Seite. Dann ist ihm eine wunderschöne, durch mineralische Noten geprägte Finesse eigen.» Bovard verkauft deshalb nicht nur den jeweils neusten Médinette-Jahrgang, sondern auch ältere Flaschen. Zurzeit sind die Jahrgänge von 1994 bis 2002 erhältlich.

Das Wissen um den eigenständigen Charakter und das grosse Alterungspotenzial des Dézaley Grand Cru hat Bovard und einige andere qualitätsorientierte Produzenten dieser Appellation bewogen, 1994 die Vereinigung «La Baronnie du Dézaley» zu gründen. Die zurzeit zwölf Mitglieder verpflichten sich, die Regeln einer gemeinsam festgelegten Qualitäts-Charta einzuhalten. Ferner verfolgen sie das Ziel, in der Öffentlichkeit die Wertschätzung des Dézaley Grand Cru zu fördern. Dazu gehört auch, die gehobene Gastronomie davon zu überzeugen, dass erstklassige Dézaleygewächse verschiedenster Jahrgänge ausgezeichnete und vielseitig einsetzbare Essensbegleiter sind.

Einer, der nicht mehr davon überzeugt werden muss, ist André Jaeger, der Spitzenkoch und Chef vom Rheinhotel Fischerzunft in Schaffhausen. So hat er jüngst auf Initiative von Bovard ein Menü kreiert, das von den Amuse-Gueules bis zum Käse perfekt auf die von den verschiedenen Baronniemitgliedern erzeugten Weine abgestimmt war. Das Essen war ein Aha-Erlebnis, zeigte es doch, dass sich die Dézaleys der älteste stammte aus dem Jahr 1981 souverän mit Jaegers eigens dafür kreierten Gerichten vermählten, vom Thunfischtartar, der Gänselebermousse und der Misosuppe mit Langustinen über gebratenen Wolfsbarsch an Peperoni-Ingwersauce, Hummerspiess mit Zitronengrasrisotto, Kalbfleisch von Simmentaler Kühen im Teig bis hin zum Käseschmarren mit Etivaz.

Das Erlebnis bestärkte die Baronnie-Mitglieder, noch intensiver mit Restaurants der gehobenen Gastronomie zusammenzuarbeiten. «Wer einen jungen, guten Dézaley verkostet, würde nie glauben, dass er auf derart eindrückliche Weise zu altern vermag. Deshalb wollen wir neugierigen Weinliebhabern ältere Jahrgänge zugänglich machen.»

Biodynamischer Anbau

Bovard blickt auch nach vorne. Als nächstes Ziel hat er sich die Umstellung auf biodynamischen Anbau vorgenommen. Bei einem Viertel der Domäne ist dies bereits geschehen. In zwei Jahren soll auch der Rest so weit sein. «Unsere Massnahmen beschränken sich nicht nur auf die Kultivierung der Weinberge, sondern erstrecken sich auch auf die Arbeit im Keller. Wir versprechen uns, dadurch die Qualität und die terroirbedingte Typizität steigern zu können.» Kein Zweifel, Bovards Segelboot bleibt vorläufig meist an seinem Ankerplatz.

Domaine Louis Bovard Place d'Armes 2, 1096 Cully Telefon 021 799 21 25 Mail: vin@domainebovard.com