Nach dem Absturz einer Flash-Airlines-Maschine ins Rote Meer wird nach den Schuldigen gesucht. Die These: Die 148 Menschen an Bord starben, weil bei der Sicherheit gespart wurde. Ob dies wirklich Ursache der Tragödie war, werden zwar erst die Ergebnisse der angelaufenen Unfalluntersuchung zeigen. Sicher ist aber schon jetzt, dass der Glaube an das «sicherste Transportmittel» ein Mal mehr erschüttert wurde.

«Zu Recht», sagt Hans Meier*, Mitglied im Topkader einer Wartungsfirma. Die Öffentlichkeit müsse endlich erfahren, wie es wirklich um die Sicherheit in der Fliegerei bestellt sei. «Wenn ich mir alles theoretisch vor Augen halte, was sich in unserer Branche zurzeit abspielt, muss ich mich fragen, ob und wie ich weiterfliegen will», sagt Meier, der seit mehreren Jahrzehnten im Flugbusiness tätig ist.

*Harter Preiskampf zwingt die Airlines zum Rotstift*

Auslöser für Meiers Kritik ist die radikale Sparkur, die sich die Airlines vorordnet haben. Selbst bei stolzen und altgedienten Fluggesellschaften ist «billig» in aller Munde. Flüge werden gestrichen, Flieger eingemottet - zurzeit stehen weit über 2500 Flugzeuge ungenutzt am Boden -, Personal zu Tausenden entlassen und bei den verbleibenden Angestellten die Löhne gekürzt. Kein Wunder,

sind doch die Überkapazitäten wie auch die Schuldenberge gross,

der Konkurrenzkampf gnadenlos und das Verlangen nach noch günstigeren Flugreisen nicht nachlassend.

Doch wo spart eine Airline, wenn die Standzeiten verkürzt, der Overhead gestutzt, das Personal ausgeblutet und die Infrastruktur so weit wie möglich verkleinert wurde? «Leider oft bei der Wartung», antwortet Meier - und damit auch bei der Sicherheit. «Hier sind die Sparmöglichkeiten riesig», weiss Aviatik-Experte Roger Ackermann. Alleine durch den Einbau von nicht zugelassenen Ersatzteilen können 50% und mehr Kosten eingespart werden - was bei einem einzelnen Komponenten rasch einige Hunderttausend Franken ausmachen kann.

*Ausrangierte Ersatzteile werden für neu verkauft*

Der Spartrick dabei ist ein simpler: Anstatt Originalersatzteile des Flugzeugherstellers oder eines von ihm zertifizierten Produzenten einzubauen, werden Günstig-Komponenten von Zwischenhändlern verwendet. Die Billig-Bauteile stammen entweder von ausgeschlachteten, alten Flugzeugen, wurden gestohlen oder von einer nicht vom Flugzeugbauer zugelassenen Firma hergestellt. «Solche Kopien haben zum Teil die gleiche Qualität wie Originalteile», relativiert Meier. Doch genau das öffnet dem Missbrauch Tür und Tor. Meier: «Ein Wartungsunternehmen kann unmöglich feststellen, ob ein Bauteil nur deswegen viel günstiger als zum Marktpreis zu haben ist, weil es kopiert wurde, oder weil es schlicht Schrott ist.» Denn den Ersatzteilen sieht man Verschleisserscheinungen meist nicht an.

Das wissen auch die Zwischenhändler, die ausrangierte Teile für neu verkaufen. Ein Beispiel: Ein Triebwerksteil eines bestimmten Flugzeugtyps muss nach

50000 Cycles - also Motorstarts - ausgewechselt werden. Statt nach dem Ausbau aus dem Verkehr gezogen, wird es als Gebrauchtteil mit bisher 2000 Cycles zum Spottpreis weiterverkauft. Ein leicht fälschbares Zertifikat mit einigen Angaben und einer Unterschrift genügt, und das von den Luftfahrtsbehörden verlangte Dokument für den Einbau des Ersatzteils ist fertig. Selbst die Eingangskontrollen der Wartungsfirmen können solche Fälschungen kaum entlarven. SR-Technics-Sprecher Dominik Müller: «Das ganze Sicherungssystem ist so ausgelegt, dass wir auf diese Dokumente vertrauen müssen. Sind diese gefälscht, stossen wir an unsere Grenzen.»

*Bereits gab es Tote wegen Billig-Ersatzteilen*

Wie verbreitet der Handel mit defekten und gefälschten Ersatzteilen ist, zeigt der Fall der italienischen Gesellschaft Panaviation und ihrer amerikanischen Töchter. Diese haben über zehn Jahre hinweg gebrauchte und imitierte Ersatzteile mit falschen Garantiescheinen als neue Teile an Fluggesellschaften in der ganzen Welt weiterverkauft. Eingebaut wurden die minderwertigen Ersatzteile in mehrere Hundert Flugzeuge. Der Leiter von Panaviation, zwei Funktionäre der italienischen Fluggesellschaft Meridiana sowie drei weitere Personen wurden Anfang 2002 festgenommen und über 80000 verdächtige Ersatzteile beschlagnahmt. Seither wurde ermittelt. Vor kurzem hat der angeklagte Inhaber von Panaviation, Enzo Fregonese, im laufenden Prozess selbst auf schuldig plädiert.

Die minderwertigen Ersatzteile der römischen Firma wurden unter anderem als Ursache des Flugunglücks vom 12. November 2001 vermutet, bei dem eine Maschine der American Airlines auf den New Yorker Stadtteil Queens stürzte. 265 Personen kamen dabei ums Leben. Ein Zusammenhang zwischen dem Unglück und Panaviation konnte nicht ermittelt werden.

Beim Absturz einer Convair 580 auf dem Flug von Hamburg nach Oslo im September 1989 verloren 55 Menschen ihr Leben. Hier wurde die Ursache vier Jahre später gefunden: Gefälschte Haltebolzen und eine fehlerhafte Aufhängung eines Stromaggregats.

Bislang ist laut Insidern rund jeder sechste Flugzeugabsturz auf minderwertige Ersatzteile oder eine mangelhafte Wartung zurückzuführen.

*«Es ist nur eine Frage der Zeit bis zum nächsten Absturz»*

Dass bisher nicht noch mehr Unglücke die Ursache bei unzulässigen Ersatzteilen haben, erstaunt Airline-Spezialist Meier nicht: «Sämtliche Teile eines Flugzeuges haben aus Sicherheitsgründen eine bis zu doppelt so lange Lebensdauer, wie sie im Betrieb bleiben dürfen.»

Zudem hat die Verwendung von minderwertigen Ersatzteilen «vor allem in den letzten paar Jahren extrem zugenommen», sagt Aviatik-Journalist Tim van Beveren, der seit über 12 Jahren dem Handel mit gefälschten Ersatzteilen auf der Spur ist. Da der Preiskampf und damit der Spardruck weiter anhalte sei keine Trendumkehr zu erwarten - im Gegenteil. «Seit einigen Jahren gibt es Fälle in den USA, bei welchen ehemalige Drogendealer als Zwischenhändler von gefälschten Flugzeug-Ersatzteilen auftreten. Als Grund für ihre neue Tätigkeit geben sie an, die Märkte seien gleich lukrativ.»

Bis vor drei Jahren war in den USA der Verkauf von illegalen Ersatzteilen auch deshalb interes-sant, weil das Strafmass im Vergleich mit dem Drogenhandel wesentlich kleiner war. Dann verhängten die USA drakonische Strafen bis zu lebenslänglicher Haft für den Handel mit minderwertigen Flugzeugteilen. Der Grund: In der Airforce One, dem Flieger des US-Präsidenten, wurden im Feuerlöschsystem gefälschte Komponenten entdeckt. In Europa gibt es keine vergleichbare Gesetzgebung.

Diese Entwicklung auf Kosten der Sicherheit lässt Meier mit Sorgen in die Zukunft blicken. «Nicht nur die Airlines, auch die Wartungsfirmen stehen unter einem enormen Kostendruck.» Halte dieser an, werde sich auch die Situation in der Wartung verschärfen.

Ein Insider bringt es auf den Punkt «Es ist nur eine Frage der Zeit, bis weitere Flieger wegen mangelhafter Ersatzteile vom Himmel stürzen.»

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* Name von der Redaktion geändert