Say it in German, please», wies Bundeskanzler Gerhard Schröder an der ersten Pressekonferenz nach seiner Wiederwahl einen Journalisten zurecht, der die Frechheit besass, seine Frage in Englisch zu stellen. Was auch immer den Kanzler zu dieser Reaktion bewogen haben mag, es zeigt deutlich, dass Fremdsprachenkenntnisse auch in einer anglophil globalisierten Welt ein Vorteil sind. Nicht alle verstehen und sprechen englisch. Oder es fehlt die Lust dazu.

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Die Globalisierung und der Siegeszug des Englischen verdrängen andere Sprachen nicht. Sie steigern vielmehr den Bedarf nach Übersetzungsleistungen. Gemäss einer Studie von Allied Business Intelligence beträgt das Marktvolumen gobal 9,5 Mrd Dollar. Tendenz steigend. Das ist ein Haufen Geld und ein Berg von Übersetzungen: Weltweit rechnet das Transforum, die Koordinationsstelle Praxis und Lehre deutscher Übersetzer und Dolmetscher, mit einem Volumen von 200 Mio DIN-A4-Seiten pro Jahr. Allein im EU-Raum werden jährlich 100 Mio Seiten von einer Sprache in die andere übertragen. Europa als wichtigster Übersetzungsmarkt beschäftigt gemäss einer EU-Studie rund 100000 Übersetzer und Dolmetscher, die mit ihren Dienstleistungen einen Umsatz von 3,75 Mrd Euro erwirtschaften. Weitaus grösser ist der Markt Deutschland, gefolgt von Frankreich, Italien, Grossbritannien, Schweden und den Niederlanden.

Star und CLS vorn dabei

Wie viel von diesem Kuchen die Schweizer Sprachdienstleister abschneiden, lässt sich nur spekulieren. Klar ist: Die Schweiz ist ein wichtiger Fleck auf der globalen Übersetzungslandkarte. Mit dem einfachen Grund: Die Schweiz zählt vier Landessprachen. Mit Deutsch, Französisch und Italienisch gehören drei der bedeutendsten Sprachen dazu. Vom Verfassungsartikel bis zu Sitzungsprotokollen müssen Unmengen von Dokumenten übersetzt werden. Das verschafft einem Heer von fleissigen Übersetzern und Dolmetschern Arbeit. In der Schweiz gibt es heute 2700 Übersetzer. Mit 380 Übersetzern pro 1 Mio Einwohner nimmt die Schweiz in Europa eine Spitzenposition ein, die nur von den Benelux-Staaten und Schweden übertroffen wird, wie aus einer EU-Studie hervorgeht.

Dieser starke Binnenmarkt bietet ideale Voraussetzungen, um Übersetzungsleistungen ins Ausland zu exportieren. Die in Ramsen (Schaffhausen) ansässige Star Group hat diesen Vorteil als Erste erkannt. Das 1984 gegründete Unternehmen beschäftigt mittlerweile 650 Übersetzer und ist an 33 Standorten in 22 Ländern vertreten. Mit einem Umsatz von gut 100 Mio Fr. zählen die Schweizer heute zu den grössten Sprachdienstleistern weltweit (siehe Tabelle). Star AG betreut Firmen wie ABB, BMW, DaimlerChrysler, Microsoft oder Rolex.

Eine ganz andere Entstehungsgeschichte hat die CLS Corporate Language Service AG. Das Unternehmen, das in der Schweiz Büros in Zürich, Basel, Lausanne und Chiasso unterhält, ist erst seit 1997 auf dem Markt und zählt mit einem Umsatz von 37 Mio Fr. ebenfalls zu den Grössten. Es ist aus den internen Sprachabteilungen des ehemaligen Bankvereins und der Zürich-Versicherungsgruppe hervorgegangen. Sein thematischer Schwerpunkt liegt im Finanzbereich.

In der Zwischenzeit sind mit Swisscom, Sunrise und Raiffeisen weitere Sprachenabteilungen zur CLS hinzugestossen. In diesen Tagen eröffnet die CLS einen Sitz in New Jersey. Dieser soll laut CLS nicht primär Kunden akquirieren, sondern rund um die Uhr Dienste anbieten. Die Idee: Kommt eine dringliche Übersetzung in der Schweiz kurz vor Büroschluss herein, wird diese den Kollegen in den USA weitergereicht. Das Tempo bleibt hoch, ohne dass Nachtschichten geschoben werden müssen. Den Schweizer Übersetzern bietet sich die Chance, im Ausland zu arbeiten.

tempo und Technik

Die Kunden fordern nicht nur ein höheres Übersetzungstempo, sondern auch tiefere Kosten. Wird der Zeilenpreis um 10% gedrückt, kommt bei Grosskunden wie der UBS rasch eine hübsche Summe zusammen. Die Bank hat ein jährliches Auftragsvolumen von 13000 Übersetzungen. Um Kosten zu senken, müssen Sprachdienstleister ihre internen Prozesse optimieren und clevere Workflow-Systeme einführen, die die Übersetzercrew optimal auslasten und die Durchlaufzeit eines Dokuments kurz halten. Doch das reicht längst nicht mehr: Übersetzungsfirmen versuchen durch Einsatz von Sprachtechnologien die Kosten zu drücken.

Eines der wichtigsten Hilfsmittel ist das so genannte Translation Memory. Die Funktionsweise dieses Werkzeuges ist einfach: Bevor ein Übersetzer das erste Mal das Wörterbuch zückt, schickt er den so genannten Ausgangstext durchs Memory, das auf Satzebene nach Entsprechungen in die Zielsprache sucht. Ist ein Satz schon mal übersetzt worden, findet ihn das System. Der Übersetzer braucht den Satz nicht ein zweites Mal zu bearbeiten, es reicht ein Klick. Translation Memorys sind dann sinnvoll, wenn für einen Kunden während Jahren viele Übersetzungen gemacht werden. Je standardisierter der Text ist, desto höher die Trefferquote. Diese kann schon mal bei über 50% liegen.

Terminologiedatenbanken, die kunden- und fachspezifische Begriffe und ihre Entsprechungen in den Fremdsprachen beschreiben, sind ein weiteres kostensenkendes Hilfsmittel. Sie sind wichtig, um eine Konsistenz in den Originaltexten und Übersetzungen zu erreichen. Grosse Hoffnungen setzen Übersetzungsfirmen in die maschinelle Übersetzung. Die Systeme dafür liefern aber noch kaum befriedigende Resultate. Meist haben sie die Funktion von «Verständigungsmaschinen». Dies hindert freilich grössere Übersetzungsfirmen nicht daran, viel Geld in Übersetzungsanlagen zu stecken (siehe Kasten).

Technologie

Maschinelles Übersetzen

Das Schweizer Sprachdienstleistungsunternehmen CLS Corporate Language Service AG setzt auf maschinelles Übersetzen (MÜ) und hat mehrere Mio Fr. in den Aufbau eines MÜ-Zentrums investiert. Es soll nicht druckfertige Texte generieren, sondern das Verständnis fremdsprachiger Texte erleichtern. Kunden können das Werkzeug über eine Webmaske selbst bedienen. Wie ein Pilotversuch gezeigt hat, werden die maschinell erzeugten Übersetzungen entweder weiterverarbeitet (60%) oder in ihrer Rohform belassen (40%) und für den Eigengebrauch genutzt. Die Übersetzungsqualität ist dank zahlreichen Fachlexiken wesentlich höher als bei gängigen Online-Übersetzungsdiensten wie Bablefish. Geld verdienen lässt sich damit heute nicht. Der teuren Maschine von CLS fehlen ein akzeptables Abrechnungsmodell und Kunden. Das Potenzial wird laut Allied Business Intelligence sehr bescheiden bleiben.(bs)