Wohin Yves Carcelle auch blickt: Irgendwer trägt immer ein Täschchen, auf dem das Zeichen seines Unternehmens prangt. Trotzdem kann sich Carcelle, Chef der Pariser Luxusgüterfirma Louis Vuitton (LV), nicht freuen: Weit mehr als die Hälfte der Produkte mit dem LV-Logo ist gefälscht. Der 57-Jährige schreckt mittlerweile gar vor persönlichen Attacken nicht mehr zurück. «Wenn ich auf meinen vielen Flügen jemanden in der First oder der Business Class mit einer getürkten Tasche erblicke, verstehe ich keinen Spass mehr», gibt er Journalisten gerne zu Protokoll. «Ich sage allen ins Gesicht, sie sollen ihre Fälschung noch geniessen, denn bei ihrer Ankunft riskieren sie Scherereien mit dem Zoll.»

Die Luxuskonzerne wissen, wo der Feind sitzt. An der Spitze der Fälscherindustrie steht China, gefolgt von Südkorea, Taiwan, Thailand, der Türkei und Ländern in Osteuropa. Nach Schätzungen internationaler Handelsverbände entgehen den Nobelhäusern jährlich zwischen 100 und 500 Mrd Fr., Tendenz steigend. Denn je erfolgreicher die Luxusmarken sind, desto aktiver wird die Fälscherindustrie.

Beim Pariser Unternehmen LV etwa, das seit 1987 zum Luxusgüterimperium Louis Vuitton Moët Hennessy (LVMH) gehört, beobachtete man 2003 einen regelrechten Schub von Fälschungen. Damals brachte LV die bunten, von Takashi Murakami entworfenen Taschen auf den Markt. Das spielerisch kombinierte Logo mit Kirschblüten traf den Geschmack der Zeit und rief Heerscharen von Nachahmern auf den Plan. Heute, so schätzen die Handelsverbände, werden Imitate in allen Grössen und Formen in Asien, in der Türkei und Osteuropa millionenfach verkauft - meistens an Touristen aus Industrienationen, welche sich teure Originale nicht leisten können. Vor einem ähnlichen Dilemma steht auch das britische Traditionshaus Burberry, dessen einprägsames Karomuster ab 1997 vom Topdesigner Roberto Menichetti entstaubt wurde und seither auch bei der jungen Klientel wieder hip ist.

Der Schaden, den die Luxuskonzerne durch Fälscher erleiden, kann nicht direkt mit Umsatzausfällen nachgewiesen werden. «Wir verkaufen nicht direkt weniger, weil es Fälschungen gibt», räumt LV-Chef Yves Carcelle ein. «Ein Problem ergibt sich aber für unser Image.» Deshalb schlagen sich die Kosten zur Schadensbehebung vor allem im Werbeaufwand nieder. Je häufiger ein Unternehmen im Zusammenhang mit gefälschten Produkten gebracht wird, desto grösser fällt der Etat für die nächste Werbekampagne aus. Im Schnitt werfen die Luxushäuser laut eigenen Angaben zwischen 5 und 10% ihres Umsatzes für die Werbung auf. Insider gehen aber von bis zu 15% aus. Zum Vergleich: Burberry erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2003/2004 bis zum Jahresabschluss Ende März einen Umsatz von 1,68 Mrd Fr. LV generierte 2004 rund 5 Mrd Fr. und übertrifft damit die beiden stärksten Konkurrenten Prada und Gucci um beinahe das Doppelte.

*Spezialisten sagen Kampf an*

Die Aufstockung der Werbeetats ist aber keine langfristige Lösung. Denn je berühmter die Produkte werden, desto häufiger werden sie kopiert. Um dem Teufelskreis zu entkommen, ziehen die Nobelhäuser neue Saiten auf. Die Speerspitze bilden LV und Burberry. Deren Produkte werden besonders oft kopiert, da Logo und Dessin einen besonders hohen Wiedererkennungswert aufweisen. Gemäss Carcelle setzt LV im Kampf gegen die Fälscherindustrie jährlich ein Budget von 22 Mio Fr. ein und hat gegen 30 Spezialisten engagiert. Burberry beschäftigt in London eine «Anti-Counterfeiting»-Abteilung mit zwölf Vollzeitstellen.

Laut einem LV-Kadermitarbeiter in Paris, der nicht genannt werden will, ist eine Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden zur Aufspürung von Fälschern wenig fruchtbar, da diese wenige Wochen später wieder im Geschäft seien. Deshalb werfen die Luxuskonzerne ihre Fangnetze auch an den Grenzen aus: Dank Hilfeleistungen durch die Zollverwaltungen wird der Güterverkehr auf verdächtige Produkte überwacht. Die Personalien der Besitzer von gefälschten Produkten überreichen die Zollverwaltungen an die Luxushäuser.

Ob Luxusgüterkonzerne auch die Eidgenössische Oberzolldirektion avisiert haben, darüber gibt Daniel Wagner, Sachbearbeiter Markenschutz bei der Sektion Zollverfahren, aus juristischen Gründen keine Auskunft. Er sagt aber: «Unternehmen aus fast jeder Branche haben Antrag auf Hilfeleistungen gestellt.» Fakt ist: 2003 fielen 12% aller angehaltenen Sendungen an der Schweizer Grenze auf Luxuskleider und Nobelaccessoires. Innert einem Jahr sank der Anteil auf 7%.

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