So richtig Stimmung ins Vorrentnerdasein kommt bei den Stichworten «Monopol» und – erstaunlich – «Kanton Aargau». Seine Frau stamme aus Baden, der Schwiegervater habe als langjähriger BBC-Generaldirektor fungiert, im Übrigen habe er selber mal im Rüeblikanton gewohnt, ereifert sich Medienunternehmer Roger Schawinski (61), der sich bis dato lieber mit der Affiche Medienmanager, Berlin, positionierte.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Nun also hat er seine Leidenschaft für den Kanton Aargau entdeckt und im Innersten den Auftrag, gegen das Medienmonopol von Verleger Peter Wanner («Mittelland Zeitung», Radio Argovia, Tele M1) anzukämpfen. Widerstand als Lebenselixier, die Metapher David gegen Goliath als ewiger Antrieb – deshalb will der Radiopionier ein neues Radio im Kanton Aargau lancieren. Und, logisch, Schawinski stürzt sich natürlich zum Wohl der Medienkonsumenten und der Meinungsvielfalt ins regionale Gewühl.

Die beiden Kontrahenten Wanner und Schawinski kennen sich seit bald zwei Jahrzehnten, als man gemeinsam an der Stanford University in Kalifornien die Schulbank drückte und einen Managementkurs absolvierte. Peter Wanner meint heute, er habe Roger Schawinski an der West Coast erst auf die Idee gebracht, Regionalfernsehen zu machen. Was dieser zu Hause auch brav umsetzte. Schawinski keilt zurück, redet von mangelnder Excellence im Wanner-Monopolreich und grüsst schon mal nach Baden: «Welcome to the real world!» Eine Welt, in der schon bald Konkurrenz regieren soll.

Nicht nur im Aargau will Schawinski ins Lokalradiogeschäft, auch in Zürich sucht er mit Radio 1 und ein paar Millionen den medialen Neustart. Damit wiederum stösst er auf Radio 24, das er einst gründete und das nun dem Tamedia-Konzern gehört. Komplex ist das Verhältnis auch zu diesem Medienhaus und mithin zur Besitzerfamilie Coninx-Supino. Einst hat Pietro Supino, heute Verwaltungsratspräsident der Tamedia, das Privatvermögen Schawinskis verwaltet. Als sich Supinos Family Office mit dem Namen Private Client Partners spaltete, zog Schawinski das Geld aus dessen Obhut ab. Jahre später verkaufte er sein nicht überaus rentables Radio- und TV-Reich (Radio 24, Tele Züri) an die Tamedia, in deren Verwaltungsrat sein ehemaliger Vermögensverwalter als Mitglied Einsitz hatte. Das war im Jahr 2001.

Der stolze Verkaufspreis habe runde 90 Millionen Franken betragen, heisst es. Bei all seinen Deals – Gründungen, Liquidation oder Weiterverkauf – setzte der Radiomann auf die Paragrafen- und Zahlenfestigkeit von Rechtsanwalt Armin Zucker aus der Zürcher Kanzlei Meyer Lustenberger. Mit Zucker ist Roger Schawinski seit 20 Jahren befreundet. Ein eingespieltes Duo also, das ein famoses Businessmodell perfektionierte: ein Projekt anreissen, aufbauen, schliesslich überteuert und gerade noch rechtzeitig der potenten Tamedia unterjubeln.

Es funktionierte nicht nur beim Totalausverkauf von 2001, sondern bereits mit dem Stadtmagazin «Bonus»: Von Schawinski 1988 gegründet, griff Tamedia 1999 beherzt zu, um das Defizitobjekt bloss zwei Jahre später sang- und klanglos einzustampfen.

Noch sind Roger Schawinskis zwei neue Radioprojekte nicht am Strom, dazu bedarf es erst des höchstbehördlichen Segens. Der Anreisser vom Dienst hat auch hier vorgespurt. Mit Medienminister Moritz Leuenberger, einem Freund bis zu jenem Tag, als Schawinski ihm den Rücktritt aus der Politik nahelegte, ist nun, nach einer einstündigen Unterredung, wieder «alles in Minne». Bis Mitte letzter Woche musste Schawinski seine Radiogesuche in Bundesbern einreichen.

Seine spezielle Beziehung zu Ringier

Mit dem Zürcher Grossverleger Michael Ringier («Blick», «SonntagsBlick», «Schweizer Illustrierte») verbindet Roger Schawinski eine Rollercoaster-Beziehung. Eigentlich gehört er zum näheren Umfeld, ist er doch Götti einer Tochter Ringiers. In den letzten Jahren hat sich das Verhältnis allerdings abgekühlt. Der Grund: Frank A. Meyer. Meyer und Schawinski vertragen sich nicht. Nach der «SonntagsBlick»-Affäre, welche die hoffnungsvolle Karriere von Botschafter Thomas Borer beendete, rief Schawinski den «Blick»-Verleger öffentlich zu Meyers Entmachtung auf – weil «der schliesslich deinen ganzen Verlag gefährdet», wie er in einem offenen Brief schrieb.

Frank A. Meyer blieb bei Ringier, dislozierte aber immerhin nach Berlin. Mit Schawinskis Engagement beim deutschen Privatsender Sat.1 sind sich die beiden mehrmals im Shuttle Berlin–Zürich begegnet, um sich wortreich anzuschweigen.

Ansonsten ist Roger Schawinski, der sich nie zur klassischen Unternehmer- und Managerwelt zählte, keiner Zunft und auch keinem Service-Club zugehörig. «Meine Unabhängigkeit ist mein Asset.» Engen Kontakt hält er mit ehemaligen Mitarbeitern (Matthias Ackeret, «Persönlich», Hanspeter Bürgin, «SonntagsZeitung», Frank Baumann, Arosa Humor-Festival, Nik Niethammer, Sat.1) und mit Kulturschaffenden (Viktor Giacobbo, Ruth Waldburger).

Seine St. Galler Kommilitonen

Aus seiner Studienzeit in St. Gallen kennt der promovierte Ökonom den Zürcher Headhunter Bjørn Johansson, Rechtsanwalt Peter Nobel und den heutigen Zürcher Stadtpräsidenten, Elmar Ledergeber. Daselbst studierte auch Lukas Mühlemann, späterer Konzernchef der Credit Suisse. In überschäumender Euphorie über die schöne, grosse E-Medien-Welt beteiligte sich seine CS First Boston Private Equity mit 40 Prozent an Roger Schawinskis Betriebsgesellschaft Belcom und hoffte auf einen fulminanten Börsengang.

Das war im Jahr 1999, zielgenau vor dem Platzen der IT-Blase. Schliesslich trennte sich die Bank von ihrem Belcom-Paket, ohne Verlust, wie sie betont.

Lukas Mühlemann selber wurde 2002 verabschiedet.

Noch heute ist Schawinski mit der Alma Mater in der Ostschweiz verbunden. Diesen Winter absolvierte er im Rahmen der Haniel Stiftung einen Zyklus über Medienmanagement.

Seine Hausbekanntschaften

Mit der Berufung zum Sat.1-Geschäftsführer zog Schawinski 2003 nach Berlin-Mitte, wo er sich an prominenter Adresse Eigentum kaufte. In derselben Liegenschaft wohnen René R. Obermann, Deutsche Telekom, Vicky Leandros, Schlagersängerin, Maybrit Illner, ZDF-Talkerin, Wim Wenders, Filmer. Ein Umzug in die Schweiz ist geplant: Schawinskis Haus am Zürichberg ist renoviert, ein Pool ein- und der Dachstock ausgebaut. Der Radio- und Fernsehmann hat endlich vom Bürostuhl aus freie Sicht auf den Zürichsee.