Der Chief Executive Officer (CEO) wird traditionell irgendwann Präsident des Verwaltungsrates (VRP) der UBS. Sollte der derzeit amtierende Marcel Ospel dem öffentlichen Druck nachgeben und kurzfristig von seinem Amt zurücktreten, dürfte es aber kaum der erst seit Juli 2007 agierende, 43 Jahre junge CEO Marcel Rohner sein, der ins Präsidium einzieht. Der muss die UBS erst mal operativ aus dem Schlamassel führen.

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Strategisch lässt eine Guideline vom obersten Organ der Bank, dem Verwaltungsrat, noch auf sich warten. Bislang herrscht eisiges Schweigen – und das, obwohl Führungskräfte in «schlechten Zeiten noch besser kommunizieren müssen als sonst», weiss Philippe Hertig, Partner bei Egon Zehnder in Zürich (siehe auch «Nachgefragt», Seite 15).

Nach Ospel herrscht ein Vakuum. Einst um ihre langfristig angelegte Personalpolitik in Führungssachen gerühmt, ist nach der überraschenden Mandatsverlängerung von Marcel Ospel im Sommer 2007 alles aus dem Lot geraten. Peter Wuffli nahm als ausgebooteter Nachfolger den Hut, Marcel Rohner wurde überraschend neuer CEO, und Marcel Ospel blieb, wo er war. Zumindest bis heute. Der öffentliche Druck auf den VRP steigt, aus dem Subprime-Debakel die Konsequenzen zu ziehen und seinen Hut zu nehmen. Sein Gegenargument, «Teil der Lösung» sein zu wollen, ist schon zur Redewendung mit Kultcharakter avanciert.

Hinter Ospel klafft ein Loch

Einige Insider erwarten daher, dass er spätestens an der ordentlichen Generalversammlung im April 2008 zurücktreten wird. Von offizieller Seite wird dies vehement dementiert. «Wir suchen derzeit keinen Nachfolger», heisst es bei der UBS. Ospel geniesse weiter das volle Vertrauen des Verwaltungsrates und der wichtigen Anteilseigner. Kein Wunder, denn der Verwaltungsrat wurde mehrheitlich von Ospel bestellt und wird daher kaum gemeinsame Front gegen ihn machen.

Dennoch, sollte Marcel Ospel von sich aus den Bettel hinschmeissen, klafft hinter ihm ein Loch, und die UBS muss einen neuen Präsidenten suchen. Bisher waren das immer UBSler, Bankfachleute und allesamt von Schweizer Herkunft. Am Beispiel des Amerikaners Brady Dougan, CEO der Credit Suisse, zeigt sich jedoch, wie die globale Strategie eines Unternehmens auch irgendwann ihren Niederschlag in der Personalpolitik finden kann. Für die UBS dürfte es aber ungleich schwerer sein, einen Nicht-Schweizer zum Präsidenten zu machen. Denn für die grösste Vermögensverwalterin der Welt ist die Schweiz auch ein Marketing- und Brandfaktor, steht sie doch weltweit als Inbegriff der professionellen Vermögensverwaltung – über die allein der UBS Gelder in Höhe von 3554 Mrd Fr. anvertraut sind.

EBK mischt nicht mit

«Die Kompetenz zur Wahl des VR-Präsidenten liegt ganz allein beim Unternehmen und damit letztlich bei den Aktionären», weist die EBK einen Pressebericht zurück, nach dem sie die UBS gedrängt haben soll, einen Schweizer Bürger als Nachfolger von Ospel zu bestellen. «Wir würden uns höchstens dann mit der Nachfolge kritisch auseinandersetzen, wenn eine vorgeschlagene Person aus unserer Sicht nicht geeignet erschiene», erläutert Alain Bichsel, Mediensprecher der EBK. Nicht geeignet laut Bankgesetz sind beispielsweise Personen, bei denen keine einwandfreie Geschäftstätigkeit gewährleistet wäre.

Folgt Marcel auf Marcel?

Derzeit ist in der ersten Reihe kein geeigneter Kandidat in Sichtweite, und tritt Ospel nicht selber zurück, bleibt letztlich alles, wie es war, und der 58 Jahre alt gewordene VRP bleibt die nächsten Jahre auf seinem Stuhl kleben und baut in dieser Zeit UBS-CEO Rohner als Nachfolger auf. Bis dahin dürfte sich auch die Subprime-Krise gelegt haben. Schon fast in Vergessenheit geraten ist, dass es unter Ospel als CEO 1998 zum LCTM-Debakel kam. Der dazumal als dramatisch empfundene Verlust von 1 Mrd Fr. kostete den damaligen VRP Mathis Cabiallavetta das Amt.

Die Auslegeordnung

In der Öffentlichkeit wurde in den vergangenen Wochen eine Reihe von möglichen Kandidaten für das VR-Präsidium herumgeboten. Mehrere haben bereits abgelehnt oder dürften wohl eher nicht in Frage kommen:

Josef Ackermann Der seit Mai 2002 als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank agierende Schweizer hat dort nicht nur Bankmanagement, sondern auch Turnaround-Qualitäten bewiesen. Zudem ist Ackermann ein Schweizer Banker alter Schule, er hat seine ersten Berufserfahrungen bei der damaligen SKA gesammelt, deren Vorsitzender er 1993 wurde. Eine Rückkehr in die Schweiz, um das Flaggschiff des Finanzplatzes wieder auf Kurs zu bringen, dürfte nach seinem – aufgrund von Meinungsverschiedenenheiten mit dem Verwaltungsrat der Credit Suisse erfolgtem – Abgang im Jahr 1996 mehr als eine Genugtuung für den 1948 in Mels im Sarganserland geborenen Schweizer sein. Bei der Präsentation der Jahreszahlen 2007 der Deutschen Bank hat er jüngst aber erneut betont, seinen Vertrag mit den Deutschen planmässig zu erfüllen und weitere zwei Jahre zu bleiben. Danach, so hat er schon vorher in Interviews verkündet, würde Ackermann gerne an die Hochschule zurück, um sein Wissen weiterzugeben. Damit liess er bereits mehrmals durchblicken, dass er für das UBS-Präsidium nicht zur Verfügung stehe. Mit einer Übernahme des Ruders und erfolgreicher Kurssetzung bei der UBS könnte sich Ackermann jedoch auf dem Höhepunkt seiner Karriere selber die Krone aufsetzen.

Philipp Hildebrand Der seit Juli 2003 amtierende Direktor der Schweizerischen Nationalbank (SNB) gilt als brillanter Analytiker. Berufserfahrungen im Bankbereich hat der 1963 geborene Schweizer bei Moore Capital Management in London und New York gesammelt, als Chief Investment Officer bei der Vontobel-Gruppe und als Chief Investment Officer und Mitglied des Exekutivkomitees bei der Union Bancaire Privée in Genf. Hildebrand hat aber ebenfalls bekannt gegeben, dass er bei der SNB bleiben wolle.

Marco Suter Der 1958 geborene Schweizer ist zwar ein treuer UBSler und Banker, der wie Ospel von der Pike auf gelernt hat. Fachlich würde er das nötige Rüstzeug mitbringen, aber an ihm haftet das gleiche Problem wie an Marcel Ospel: Auch Suter ist als Group Chief Financial Officer und vormals als Group Chief Credit Officer Teil des Problems.

Sergio Marchionne Beobachter sähen den 1952 geborenen CEO von Fiat aufgrund seiner Turnaround-Erfahrung gerne als neuen VRP der UBS. Doch leider fehlt es dem Italo-Kanadier an Bankerfahrung und bei der UBS hat er ausser als Verwaltungsrat noch keinerlei Posten innegehabt. Zudem ist er als CEO und VR noch in verschiedenen anderen Unternehmen tätig, sodass ihm auch schlicht die Zeit und die Unabhängigkeit fehlen dürften. Zudem hat er kürzlich gegenüber der Presse seine Treue zum Automobilsektor bekräftigt.

Peter Voser Ebenfalls ein Wunschkandidat ist der 1958 geborene Schweizer Chief Financial Officer der Royal Dutch Shell. Seit 2005 hat er einen Platz im VR der UBS. Ähnlich wie Marchionne hat Voser einen ausgezeichneten Ruf als Manager, aber kaum als Bankfachmann. Und auch er dürfte als CFO der Royal Dutch Shell eine genügend volle Agenda haben.

Fred Kindle Jüngst von seinem Job als ABB-CEO zurückgetreten, ist auch er auf die Kandidatenliste gerutscht. Keine Frage, Kindle hat Managerqualitäten und am Beispiel ABB bewiesen, wie man Unternehmen auf Kurs bringt. Jedoch mangelt es auch dem 1959 geborenen Liechtensteiner an Bankerfahrung. Er hat noch nicht einmal einen Platz im VR der UBS.

 

NACHGEFRAGT

«Kompetenz wichtiger als Name»

Philippe Hertig, Managing Partner, Egon Zehnder Int., Zürich

Welches ist die wichtigste Eigenschaft, die jemand mitbringen muss, der Präsident des Verwaltungsrates (VRP) eines internationalen Konzerns werden will?

Philippe Hertig: Je nach Unternehmenslage und Herausforderungen braucht es ein anders Profil. Wichtig ist jedoch, dass der Verwaltungsrat in seiner Zusammensetzung ausbalanciert ist.

Nach welchen Kriterien?

Hertig: Nach unterschiedlichen Kompetenzen, wie zum Beispiel nach Fachkompetenzen, Industrie-Know-how oder nach Marktkenntnissen. Plant ein Unternehmen beispielsweise die Expansion in gewisse Märkte oder Regionen, kann jemand, der ein spezifisches Know-how darüber mitbringt, für die Balance des gesamten Gremiums sehr dienlich sein.

Wie wichtig ist Turnaround-Erfahrung für jemanden, der VRP eines kriselnden Unternehmens wird?

Hertig: Die kann sehr wichtig sein, denn Krisensituationen verlangen vom VRP, dass er ergebnisorientiert handelt, aber gleichzeitig auch die strategische Orientierung gibt. Zudem ist eine kommunikative Persönlichkeit gefordert, denn in

schwierigen Zeiten muss noch intensiver kommuniziert werden als sonst. Und um Management und Mitarbeitende zu mobilisieren, braucht ein VRP zudem eine hohe Führungs- und Sozialkompetenz.

Sind Interimslösungen ratsam?

Hertig: Besser wäre es, eine Lösung für längere Zeit zu suchen. Interimslösungen können in Ausnahmefällen auch Sinn machen, da das Kompetenzprofil eines Krisenmanagers anders ist als das eines Wachstumsmanagers.

Wie sieht das Kompetenzprofil eines «normalen» VRP aus?

Hertig: Es gibt drei Kernkompetenzen: Erstens Integrität und Unabhängigkeit, denn als oberster Kopf des Unternehmens darf ein VRP in keine Interessenkonflikte mit anderen Tätigkeiten geraten. Zweitens: Führungsstärke. Diese beweist er mit relevanter Erfahrung als CEO eines vergleichbaren Unternehmens oder eines Unternehmens in einer vergleichbaren

Situation. Zudem sollte er in der Lage sein, den Verwaltungsrat zu empowern, um das dort versammelte Know-how nutzbar zu machen. Und drittens soll ein VR strategieorientiert sein, also eine Strategie formulieren und für deren Umsetzung sorgen.

Wie wichtig sind Alter, Geschlecht oder Nationalität?

Hertig: Vollkommen irrelevant. Solche Dinge dürfen keine Entscheidungskriterien sein. Einzig vielleicht eine Untergrenze beim Alter, denn es braucht eine gewisse Erfahrung, um das Mandat des VRP zu erfüllen.

Wie wichtig ist der Bekanntheitsgrad der Person?

Hertig: Das hängt von der Unternehmenssituation ab. Es gibt Firmen, die grosse Namen brauchen, um beispielsweise Stabilität zu bekommen. Grundsätzlich ist aber das Kompetenzprofil sehr viel wichtiger als der Name.

Ist es besser, jemand von intern oder von extern zu holen?

Hertig: Das hängt von der Zusammensetzung des VR ab. Aber in Krisensituationen ist es oft besser, jemanden von extern zu holen. Denn der kann, da er keine Mitschuld an der Misere trägt, leichter wieder Vertrauen aufbauen.