Zuverlässigkeit, Qualität und ein schneller Service - damit konnten deutsche Industriefirmen bisher in Russland punkten. Doch mit den drohenden Wirtschaftssanktionen wegen der Ukraine-Krise treten die bisherigen Wettbewerbsvorteile in den Hintergrund. Russische Auftraggeber sind vorsichtig geworden und schauen immer öfter gen Osten: In Südkorea, Japan und vor allem China stehen die Unternehmen in den Startlöchern, um der deutschen Konkurrenz Geschäfte in Russland abspenstig zu machen. «Das geht sogar so weit, dass chinesische Firmen zum Teil damit werben, zuverlässiger zu sein als deutsche, weil sie sanktionsfreie Warenströme gewährleisten könnten. Das nimmt schon absurde Züge an», berichtet Bernd Hones von seinen Erfahrungen. Als Vertreter der Gesellschaft zur Außenwirtschaftförderung Germany Trade & Invest in Moskau berät er deutsche Firmen, die in Russland Geschäfte machen wollen.

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«Keine verlässlichen Geschäftspartner mehr»

Die EU, die sich bei ihren Maßnahmen gegen Russland bisher auf Einreiseverbote und Kontensperrungen für einzelne Personen beschränkte, will nun weiterreichende Wirtschaftssanktionen beschließen, die zum ersten Mal auch ganze Branchen betreffen. Deutschland gehört nach China zu den wichtigsten Handelspartnern Russlands. Umgekehrt steht das riesige Schwellenland mit einem Handelsvolumen von 76,5 Milliarden Euro an elfter Stelle der deutschen Handelsstatistik. Bei den meisten der 6300 in Russland tätigen deutschen Firmen schrillen daher die Alarmglocken. Und bei den Wirtschaftsverbänden laufen die Drähte heiß: «Deutsche Unternehmen berichten uns, dass die russischen Firmen sagen: Sorry, ihr seid für uns keine verlässlichen Geschäftspartner mehr», sagt Volker Treier, Außenhandelschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Allein die Diskussion über Sanktionen führe bereits dazu, dass sich langjährige russische Geschäftspartner abwendeten.

Woher bekomme ich die Ersatzteile?

Vor allem die Maschinenbaubranche ist betroffen. Anlagen und Maschinen machen mit 24 Prozent einen Großteil der deutschen Exporte nach Russland aus. In den ersten fünf Monaten 2014 brachen die Ausfuhren hiesiger Firmen nach Russland um fast 15 Prozent ein, die Exporte der Maschinenbauer um fast 20 Prozent.

Die Firma Eisenmann, die unter anderem Lackieranlagen und Umwelttechnik an die Autoindustrie liefert und rund 15 Prozent ihres Umsatzes in Russland macht, kann davon ein Lied singen. «Wir haben zum Beispiel eine Lackieranlage geliefert, bei der Verschleißteile, etwa Filter oder andere Komponenten, regelmäßig gewechselt werden müssen. Da kam die Frage vom Kunden: Was ist, wenn Sanktionen erhoben werden? Woher bekomme ich dann die Ersatzteile?», erzählt Thomas Dehm, Geschäftsführer der russischen Niederlassung des Böblinger Familienunternehmens mit weltweit 3800 Mitarbeitern. Einem ostdeutschen Maschinenbauer brach ein Millionenauftrag weg, obwohl er die Ausschreibung gewonnen hatte. «Der Kunde hatte Angst, dass er eine Anzahlung für Produkte machen muss, die dann wegen der Sanktionen nicht geliefert werden können», sagt der Geschäftsführer, der anonym bleiben will.

Fernost profitiert von Sanktionen

In diesem Fall erhielt schließlich ein Wettbewerber aus Russland den Zuschlag. Profiteure der Sanktionsdiskussionen sind aber vor allem Unternehmen aus Fernost. «Wir spüren ganz gewaltig einen Konkurrenzdruck aus China und anderen asiatischen Staaten. Wir haben konkret Kunden, die ihren Mitarbeitern raten, sich schon mal Visa für China zu besorgen, um sich dort umzuschauen», berichtet Eisenmann-Manager Dehm. Schon länger sind chinesische Unternehmen in Russland auf dem Vormarsch - auch weil der Rubel zum Euro an Wert verloren hat und deutsche Waren damit verteuert. Die Exporte von China nach Russland stiegen nach Daten der chinesischen Zollbehörden dagegen in den ersten fünf Monaten 2014 um 1,8 Prozent.

Chinesische Firmen gewinnen Grossprojekte

Während deutsche Firmen ihre Expansionspläne für Russland auf Eis legen, mischen chinesische Firmen zunehmend bei Großprojekten in Russland mit: So wird das jüngste Prestige-Vorhaben von Präsident Wladimir Putin - eine vier Kilometer lange Brücke, die die Halbinsel Krim mit dem russischen Festland verbindet - von China Communications Construction gebaut. Auch bei der Errichtung einer Flüssiggasanlage auf der sibirischen Halbinsel Jamal sind chinesische Firmen beteiligt, genauso bei der Pipeline, durch die russisches Gas aus Sibirien nach China fließen soll, oder einem Wasserkraftwerk für den Versorger RusHydro.

«Das Ausmaß, in dem chinesische Unternehmen nun bei großen Infrastrukturprojekten in Russland zum Zuge kommen oder selbst Werke in Russland bauen, ist schon sehr ungewöhnlich», sagt Hones von Germany Trade & Invest. Auch das werde den Warenhandel mit China beflügeln: «Wenn die chinesische Firmen den Zuschlag für ein Großprojekt bekommen, bringen diese häufig ihre eigenen Anlagen und Maschinen mit. In solchen Fällen benötigen sie in der Regel keine Planierraupen aus Deutschland.»

In Russland politisch gewollt

Die Hinwendung nach Osten ist in Russland politisch gewollt - Präsident Putin hat wegen der drohenden Sanktionen des Westens mehrfach gedroht, dass sich Russland künftig stärker nach Asien orientieren könne. Im Mai vereinbarte der staatliche russische Monopolist Gazprom einen milliardenschweren Gasliefervertrag mit China. Nach den Worten des russischen Vize-Ministerpräsidenten Dmitri Rogosin soll sich das Handelsvolumen mit dem Reich der Mitte, das 2013 bei 88 Milliarden Dollar lag, bis 2020 auf 200 Milliarden Dollar mehr als verdoppeln.

(reuters/ccr)