Als Donald Marron am Morgen des 13. Juli 2000 im New-Yorker Hotel Waldorf-Astoria ans Rednerpult trat, kochten – ganz entgegen den sonst eher dezenten Gepflogenheiten im internationalen Bankengeschäft – die Emotionen hoch. «Wie werden die Schweizer mit der Kultur zurechtkommen?», brüllte einer der anwesenden Journalisten in den Raum. «Wird es Entlassungen geben?», wollte ein anderer wissen.

Lächelnd und sichtlich zufrieden konterte der langjährige Chef des Finanzhauses PaineWebber die skeptischen Einwürfe. Hier war klar: Durch lästige Nachfrager wollte sich Spitzenbanker Marron die Freude am Deal seines Lebens nicht vermiesen lassen. In einem zweimonatigen Verhandlungsmarathon hatten er und sein Gegenpart Marcel Ospel jene Übernahme eingefädelt, die von der internationalen Finanzpresse am nächsten Tag als «the most complementary transatlantic merger ever» gefeiert werden sollte. Die schweizerische Grossbank UBS übernahm für 10,8 Milliarden Dollar den amerikanischen Vermögensverwalter PaineWebber. Für 73.50 Dollar pro Aktie, was einen Aufschlag von satten 46 Prozent bedeutete, sicherten sich die Eidgenossen ein Wertpapierhandelshaus mit starkem Vertriebsapparat, der die UBS im gehobenen Privatkundengeschäft in den Vereinigten Staaten nach vorne katapultieren sollte. Nach Marrons Einschätzung schien alles perfekt zu passen: «Die Logik dieses Deals wurde am Ende der Verhandlungen immer klarer: Es waren die richtigen Motive, der richtige Übernahmepartner und – nach einer gewissen Weile – auch der richtige Preis.»

Für Don Marron kam die Übernahme wohl tatsächlich zum idealen Zeitpunkt, konnte sich der Edelbanker doch über die einmalige Überweisung von 85 Millionen Dollar auf sein Konto freuen. Ob im Zürcher Hauptquartier der UBS dagegen die Begeisterung für die damalige Milliardenakquisition immer noch so ungeteilt ist wie vor knapp zwei Jahren, dürfte zumindest zweifelhaft sein. UBS PaineWebber hat die hoch gesteckten Erwartungen bisher nicht erfüllen können. Angetreten, den Schweizern den Weg in das gelobte Land Amerika zu ebnen, wurde der Geldverwalter der Superreichen voll von der Flaute im Geschäft mit amerikanischen Privatanlegern erwischt. Im letzten Jahr verursachte UBS PaineWebber neben den üblichen Aufwendungen für Personal und Material denn auch Kosten von über zwei Milliarden Franken – vorab für Goodwill-Abschreibungen und RetentionsZahlungen im Umfang von 436 Millionen Franken. Der Vorsteuergewinn fiel demgegenüber mit 258 Millionen Franken ausgesprochen überschaubar aus. Zudem wird PaineWebber die Rechnung der Grossbank weiter belasten: So sind bis Ende 2003 noch Retentions-Zahlungen zur Bindung wichtiger Mitarbeiter von einer Milliarde Franken fällig. Insgesamt 875 Millionen Dollar hatten Marron und Grano nach der Übernahme für «besondere Schlüsselangestellte» zurückgestellt. «Retention», so Grano damals, sei ein hässliches Wort, er bevorzuge «Anerkennung».

Unabhängig von derlei semantischen Spitzfindigkeiten: Die Zahlen tun weh, insbesondere, weil man sich in den Reihen der UBS lange Zeit klammheimlich darüber gefreut haben dürfte, dass der Hauptkonkurrent Credit Suisse First Boston nach allgemeiner Einschätzung in den USA im dümmsten Moment die Investment-Bank Donaldson, Lufkin & Jenrette von der französischen Versicherungsgruppe Axa gekauft hatte, der eigene Deal aber immer als glänzend dargestellt wurde. Weitherum jubelte die Presse über den strategischen Sprung der UBS.

Je schneller die Schonfrist abläuft, desto deutlicher wird: PaineWebber ist unter Joe Grano nicht der grosse Antriebsmotor, sondern eher ein kränkelndes Sorgenkind mit wenig Aussicht auf kurzfristige Genesung. Evangelos Kavouriadis, Analyst bei Sanford C. Bernstein & Company in New York, hält die jüngste Ausgliederung PaineWebbers aus dem Verbund mit UBS Warburg und die Beförderung von Joe Grano zum Chef des Wealth Management Board denn auch eher für einen stoischen Vertrauensbeweis in die langfristige Perspektive PaineWebbers als eine Belohnung der bis dato gezeigten Leistungen. «Die Earnings bei PaineWebber sind grottenschlecht», lästert der Analyst unverblümt. Noch hält es Kavouriadis für verfrüht, die Integration PaineWebbers in den Verbund der Schweizer Grossbank für gescheitert zu erklären. «Aber wenn in einem Jahr die Ergebnisse immer noch so miserabel sind, würde ich sagen, es hat nicht funktioniert.»

Hausgemachte Probleme
Das Fatale an der derzeitigen Situation ist, dass die Probleme bei PaineWebber wohl hausgemacht sind. Im Gespräch mit BILANZ argumentierte Joe Grano zwar, dass sich die Renditen seines Hauses durchaus mit denen der Konkurrenten messen lassen könnten. Doch viele Branchenexperten können das nicht nachvollziehen. «Granos Argument ist immer, dass man Äpfel nicht mit Birnen vergleichen kann. Ich dagegen behaupte, dass ein Vergleich von PaineWebber etwa mit dem US-Geschäft von Merrill Lynch und deren Private Client Group durchaus legitim ist», sagt Analyst Kinner Lakhani von Bear Stearns Ltd. in London. Dabei fällt die Gegenüberstellung für UBS PaineWebber alles andere als schmeichelhaft aus: Während die Schweiz-Amerikaner letztes Jahr eine Rendite von 10 Prozent erwirtschaftet haben (die Goodwill-Abschreibungen und Retentions-Zahlungen eingerechnet sogar nur 4 Prozent), liegt der Wert bei Hauptkonkurrent Merrill Lynch bei rund 14 Prozent, bei Salomon Smith Barney gar bei über 20 Prozent.

Das Überraschende ist, dass es PaineWebber im schwierigen Umfeld des Jahres 2001 gelungen ist, 21,6 Milliarden Dollar (36 Milliarden Schweizerfranken) an neuen Kundengeldern zu akquirieren und somit die Höhe der verwalteten Einlagen auf 468 Milliarden Dollar (782 Milliarden Franken) zu schrauben. Was Joe Grano und sein Team dagegen versäumt hätten, sei, die Kosten unter Kontrolle zu bringen, meint Bear-Stearns-Mann Lakhani. «Aus meiner Sicht besteht das Hauptproblem darin, dass sie die Mitarbeiterzahl nicht schnell genug an den schwierigen Markt angepasst haben», so Lakhani.

Joe Grano steckt in der Zwickmühle: Will er, wie angekündigt, seine Vermögensverwaltung, dem allgemeinen Trend folgend, massiv in die europäischen Onshore-Zentren ausrollen, kann er kaum Anlageberater feuern, im Gegenteil: Er muss tief in die Tasche greifen. Allein aus dem eigenen Beraterfundus wird er die Expansion nicht bestreiten können. Granos Alternative, Spitzenkräfte anderer Firmen abzuwerben, ist dagegen extrem teuer: Topberater verlangen heute Gehälter von rund 80 Prozent ihrer letztjährigen Produktion. Und mit mittelmässigen Anlageberatern wird Grano seine Ziele kaum erreichen können, hat er doch klar das obere Segment, Anleger mit einem Privatkapital von über 500 000 Dollar, im Visier. Zudem ist der Aufbau eines europäischen Filialnetzes mit hohen Kosten verbunden. Hatte PaineWebber Ende 2001 noch 8800 hoch bezahlte Anlageberater auf der Payroll, sollen es bis Ende 2002 schon 11 000 sein. Das dürfte weiter gewaltig an der Rendite knabbern.

Bruce Weatherill, Partner beim Beratungsunternehmen PricewaterhouseCoopers (PWC), bestätigt, dass sämtliche Vermögensverwalter sich auf schwierige Zeiten einzustellen haben: «Die Blütezeit des Offshore-Banking, in der das Geld nur so angeschwemmt wurde und die Banken Eigenkapitalrenditen von mehr als 100 Prozent einfuhren, ist mit ziemlicher Sicherheit vorbei.» Laut PWC kommt die his- torisch hohe Rentabilität zunehmend unter den Druck geringerer Margen und Volumina im Wertpapierhandel bei gleichzeitig steigenden Kosten. Die Tendenz hin zu einer «offenen Architektur», innerhalb derer die Banken ihren Kunden die besten Produkte ihrer Mitbewerber anbieten müssen, sei die wichtigste anstehende Veränderung in der Branche und werde sich negativ auf die hohen Gewinnspannen auswirken. Doch darunter leiden alle, nicht nur PaineWebber.

Joe Grano will kurzfristig auf die miserable Rendite reagieren. Zum einen hat PaineWebber Anfang des Jahres eine neue Kompensationsstruktur eingeführt, die dafür sorgen soll, dass Kunden ihre Transaktionen vermehrt über einen kostspieligeren «fee account» abwickeln – eine Neuerung, von der sich Grano in diesem Jahr eine sofortige Verbesserung der Profitmarge von einem Prozent verspricht. Die zweite Sofortmassnahme ist die Schliessung von 20 Büros des Anlageberaters J.C. Bradford, den PaineWebber Anfang 2000 übernommen hat. «Das bringt die Profitmarge von zehn auf zwölf Prozent», sagt Bear-Stearns-Analyst Lakhani, «gleichzeitig wird die Konkurrenz aber auch nicht stillstehen und Merrill Lynch ihre Margen auf Grund der 2001 eingeleiteten Massnahmen wohl steigern. Die Underperformance von PaineWebber wird sich also auch im kommenden Jahr fortsetzen.»

Der ausgebuffte Power-Banker Grano war angetreten, die konservativen Schweizer Bankiers mit dem Schwung der Wall Street aufzumischen und für neue Strategien und Produkte wie etwa die offene Plattform zu begeistern. «Plötzlich haben die UBS-Kader begriffen, dass die grösste Schweizer Bank mit PaineWebber einen Asset-Gatherer gekauft hat, der viel Drive verspricht», jubelte ein Kadermann noch vor Jahresfrist. Und Granos Vorgesetzter Markus Granziol bestätigt: «Die Präsenz der PaineWebber-Mitarbeiter ist auch für das Private Banking sehr stimulierend.» Heute ist der Lack zunächst einmal ab. Grano muss gewaltig strampeln, doch das tut der hochdekorierte Vietnamveteran in gewohnt selbstbewusster Manier. Bis zum Ende des Jahres 2005 wolle man die von UBS PaineWebber verwalteten Anlagegelder auf rund eine Billion Dollar pushen, verkündete er zuletzt in einer Presseerklärung. Parallel dazu werde man das Kreditgeschäft mit den Privatkunden massiv vorantreiben. Dazu habe man bereits eine Partnerschaft mit der US-Bank Wells Fargo initiiert. Mark B. Sutton, Präsident der Abteilung Private Clients bei UBS PaineWebber: «Wir sind in den USA im Margin-Lending-Geschäft ja schon seit langer Zeit aktiv. Jetzt wollen wir auch beim so genannten Non-Purpose-Lending, also der direkten Kreditvergabe, reüssieren, um ein breiteres Kundenspektrum anzusprechen.»

Sutton war es auch, der vor Jahresfrist noch einmal das Hohelied auf die schweizerisch-amerikanische Fusion anstimmte. UBS PaineWebber habe in den vergangenen Monaten «erhebliche Fortschritte gemacht», jubilierte Sutton in New York. Immerhin: Um die Wachstumsstory PaineWebber am Leben zu erhalten, bleibt Grano auch die Möglichkeit der Akquisition. Dabei hat er allerdings selbst strenge Kriterien formuliert: Die Übernahme müsste freundlich verlaufen – wenn nämlich die eigentlichen «Assets», die Financial Advisors, nicht mitziehen und kündigen, taugt das ganze Investment nichts. Ausserdem müsse das Kundenprofil übereinstimmen. Die Deutsche Bank mit ihrer Vermögensverwaltung Deutsche Bank Alex. Brown war in der Vergangenheit in diesem Zusammenhang immer wieder genannt worden. Auch A.G. Edwards & Sons war zuletzt im Gespräch.

Wie gross der Druck innerhalb des Geldkonzerns auf Joe Grano geworden ist, darüber lässt sich nur spekulieren. Seine «Beförderung» zum Chef des neu eingerichteten Wealth Management Board jedenfalls mag kaum als Beweis für die Hausmacht des New-Yorkers dienen – es wird wohl keine Alternativen gegeben haben; Grano genoss zudem eindeutig Seniorität. Auch die Aufstellung von PaineWebber als eigenständige Division innerhalb der UBS Group hat Anlass zu Spekulationen gegeben. Wurde Grano mit diesem Schritt aufgewertet? Tatsache ist, dass die Zahlen von PaineWebber als separierter Einheit noch schlechter aussehen werden als unter dem Schirm von UBS Warburg, wenn etwa die Goodwill-Abschreibungen voll auf die eigene Bilanz durchschlagen.

Es ist ebenfalls unklar, wie hoch die Erwartung in Zürich an eine schnelle Erholung der Profitabilität von PaineWebber ist. Mit Durststrecken im Geschäft mit Privatkunden kennt man sich in der UBS-Zentrale immerhin aus. Während die Schweizer Privatbanken zwischen 1998 und 2001 ihre verwalteten Vermögen massiv steigern konnten, dümpelte die fusionsgeschädigte UBS in ihrem Kerngeschäft drei Jahre lang wie gelähmt vor sich hin. Das Problem war damals der Aderlass an guten Anlageberatern. Auch Grano muss seine Mitarbeiter bei Laune halten, sonst könnten diese nach Beendigung der Retentions-Zahlungen zum Ende des Jahres 2003 das Weite suchen.

Wenn die UBS am 14. Mai die Zahlen für das erste Quartal 2002 bekannt gibt, steht erneut nicht zu erwarten, dass PaineWebber das Ergebnis des Vorjahres auch nur annähernd erreichen könnte. Doch Joe Grano dürfte auch weiterhin von Marcel Ospel und Peter Wuffli, dem neuen Konzernchef der UBS, mit Samthandschuhen angefasst werden. Ospel hat kein Interesse daran, auch nur den Hauch des Verdachts aufkommen zu lassen, der Deal – sein Deal – könnte nicht funktionieren.

Die Frage aus Konzernsicht bleibt, ob die Übernahme von PaineWebber am Ende doch verfrüht war. Hätte Ospel in hellsichtiger Erwartung der Krise an den Finanzmärkten warten sollen, bis das Objekt seiner Begierde zum Schleuderpreis zu haben war? Die Zeit wird er nicht gehabt haben, wenn es denn das vorrangige Ziel war, zunächst einen starken Brückenkopf in den USA aufzubauen, um anschliessend von dort aus zügig das europäische Onshore-Geschäft voranzutreiben. Trotzdem bleibt im Jahre zwei nach der Übernahme zu konstatieren: UBS PaineWebber ist nach Einschätzung verschiedener Analysten heute allenfalls 9,3 Milliarden Schweizerfranken wert, also 5,6 Milliarden Dollar – gerade mal die Hälfte des Einkaufspreises. Ein Schnäppchen wars nun wirklich nicht.
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