Der amerikanische Kunstkritiker Harold Rosenberg prägte 1952 für Jackson Pollocks Malerei den Begriff Action Painting und zog dabei den Vergleich zwischen dem «action painter» vor seiner Leinwand und einem Torero, der in der Arena allein dem Stier gegenübersteht. Jackson Pollock (1912–1956) zählt zu den führenden Protagonisten dieser bedeutendsten Ausformung des New Yorker «Abstrakten Expressionismus» ab 1946. Auf dem Weg und den Irrwegen zu sich selbst hat er Bilder höchst unterschiedlicher Qualität geschaffen. Der Schöpfungsakt des «action painting» ist oft mit einem gewissen Trancezustand verbunden. So sieht man Pollock in Filmdokumenten, wie er mit kreisenden, tänzerischen Bewegungen Farbe auf die am Boden liegende Leinwand tropfen lässt. Dieses filmisch vermittelte Image vom Aktionsmaler ist zum unverwechselbaren Signet der Moderne überhaupt geworden. Die Aktionsmaler wagten einen geradezu revolutionären Neuanfang, indem sie traditionelle Grenzen der Kunst überschritten. In der radikalen Konzentration auf die spontane Malgeste sollte sich die Persönlichkeit des Künstlers unmittelbar auf dem Bild zeigen.

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Reise durch einen Mythos

Wenngleich diese Kunstübungen mitunter mehr oder weniger gewalttätig anmuten, gab es neben den Vertretern der «harten» Richtung auch «Gemässigte», was diese Gattung so vielseitig macht. Die Fondation Beyeler verfolgt das Phänomen dieser abstrakten gestischen Malerei, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa und Amerika etablierte, anhand von 100 Werken von 27 Künstlern. Auf der Reise durch einen Mythos der Moderne begegnen uns neben Pollock weitere berühmte Maler wie Willem de Kooning, Clyfford Still, Sam Francis, Roberto Matta und Pierre Soulages – ebenso wie einst gefeierte Künstler, die in Vergessenheit geraten sind und heute wiederentdeckt werden. Anhand von Gemälden von Ernst Wilhelm Nay, Arshile Gorky, Wols, Morris Louis und Kazuo Shiraga werden die vielseitigen Bildmöglichkeiten von Farbe und Malgeste deutlich. Stellvertretend für die nachfolgende Künstlergeneration stehen Arbeiten von Eva Hesse und Cy Twombly, die den Begriff des Action Painting erweitert haben.

Eine grosse Gruppe wichtiger Bilder Pollocks, entstanden zwischen 1946 und 1953, bildet das Zentrum der Ausstellung. Darunter sind so legendäre Werke wie «Out of the web» (1949) aus der Staatsgalerie Stuttgart, «Number 7» (1950) aus dem MoMA in New York und «Search» von 1955, das letzte vom Künstler vollendete Bild (Galerie Hauser & Wirth). Pollocks Werke sind Manifestationen seiner Bewegungen. Faszinierend an der von ihm angewandten Technik des Tropfens (Dripping) und Schüttens (Pouring) von Farben auf die am Boden liegende Leinwand ist nicht zuletzt, dass sich die Farbe in dem Moment, in dem sie sich im freien Fall befindet, der willentlichen Beeinflussung entzieht. Diese Technik ist von verschiedenen Künstlern aufgegriffen und weiterentwickelt worden.

Die Möglichkeiten, Farbe und Linie als Ausdruck von Bewegung zu variieren, sind schier unerschöpflich. In kleinformatigen Bildern und Zeichnungen haben Künstler wie Jean Fautrier, Wols oder Hans Hartung Zeichnungen und Gemälde geschaffen, bei denen nicht immer eindeutig zwischen Figuration und Abstraktion unterschieden werden kann. Wenn man von malerischer Handschrift spricht, muss man auch Cy Twombly nennen, von dem ebenfalls eine Werkgruppe zu sehen ist. Einen Kontrast zu seinen subtilen Inskriptionen bilden die mit den Füssen gemalten Farborgien Kazuo Shiragas, des wichtigsten Vertreters der japanischen Künstlergruppe «Gutai». Seine Bilder, die nach Phasen intensiver Meditation entstanden sind, wurden vor allem von Pollock inspiriert.

Figuration versus Abstraktion

Dass der in der Kunstkritik früher kontrovers diskutierte Gegensatz zwischen Figuration und Abstraktion für die meisten Künstler nicht zwingend war, zeigen die Werke der Cobra-Maler Karel Appel und Asger Jorn und diejenigen des Malerstars Willem de Kooning: Alle diese Künstler gingen, wie auch Pollock, von der Darstellung der Figur als Ausgangspunkt für ihre Kompositionen aus.

Eines ist all diesen Bildern ist eines gemeinsam: Kunst, die sich auf Künstlerpersönlichkeit, Geste und Material konzentriert, benötigt einen Betrachter, der sich mit ihr auseinandersetzt und sie dadurch erst vollendet.