Seine hessische Frohnatur steckt an. «Er ist immer gut gelaunt, unkompliziert, hört gut zu, lässt einem viele Freiheiten und behandelt alle gleich. Es ist eine Freude, für ihn zu arbeiten», schwärmt Nilgün Harputluoglu, die persönliche Assistentin von Wolfgang Werlé.

Die Mitarbeiterin Maja, die im Hiestand-«Backmarkt» am Hauptsitz in Schlieren serviert und nur mit Vornamen genannt werden will, schliesslich sind im Betrieb alle per Du, meint spontan: «Wolfgang ist so umgänglich. Er tritt nicht als Big Boss auf, und trotzdem hat man viel Respekt vor ihm.»

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Und Verwaltungsratspräsident Albert Abderhalden erklärt: «Er hat die Leute gern, deshalb folgen sie ihm, wenn er Forderungen stellt und mit wehenden Fahnen vorausrennt.»

Ehrgeiziges Milliardenziel

Doch hinter Werlés Liebenswürdigkeit steckt Hartnäckigkeit und viel Zielstrebigkeit. Davon ist Fredy Hiestand, der ihn 2001 in die Direktion geholt hat, überzeugt. Bereits zu Beginn bei Hiestand hat Wolfgang Werlé den Tarif durchgegeben: «Wir peilen 2010 die Umsatzmilliarde an.» Seither wiederholt er dieses Ziel wie eine Litanei.

«Die Umsatzmilliarde steht für eine Kultur», erklärt Werlé. «Als ich zu Hiestand kam, setzten wir knapp 200 Mio Fr. um. Ich wollte die Gruppe darauf vorbereiten, dass wir dieses Ziel erreichen können, dass wir die Strukturen dafür schaffen können beim Management, bei der Produktion, aber auch bei den Kunden.»

Dabei geht es ihm nicht um die absolute Zahl: «Sollten es nur 950 Mio Fr. sein, werde ich so wenig enttäuscht sein, wie wenn es 1,1 Mrd Fr. werden.» Seit Werlés Beginn bei Hiestand hat sich der Umsatz auf fast 400 Mio Fr. verdoppelt.

Für Werlé ist klar, dass er die Umsatzmilliarde nur dank einer grossen Akquisition in Europa, am liebsten in Spanien, erreichen kann. Damit hätte er den Brückenkopf für eine Eroberung des lateinamerikanischen Marktes geschaffen. Wie will er dieses ehrgeizige Ziel erreichen? «Ich kann Türen öffnen. Meine Stärke ist es, Beziehungen aufzubauen, zu pflegen und am Ende eine erfolgreiche Übernahme abzuschliessen.»

Dazu brauche er Leidenschaft, Geduld und Erfahrung. Erfahrung, die er von der Swissair mitgebracht hat. Dort hat er für Gate Gourmet unter anderem die Firma Dobbs gekauft. «Dafür habe ich sieben Jahre lang gearbeitet.» Dabei verfolgte er eine Strategie des Einvernehmens: «Unfreundliche Übernahmen kommen für mich nicht infrage.»

Auch bei Hiestand kam es zu Take-overs wie Suhr in Deutschland oder jüngst die Übernahme der deutschen Back & Friends, welche 2004 fast die Hälfte des Wachstums der Hiestand-Gruppe ausmachte. Doch dies sei eher das Verdienst der Deutschen Länderorganisation gewesen.

Andreas Stegen, Geschäftsführer in Deutschland, hält seinen CEO für «kooperativ und angenehm». Werlé lege den Schwerpunkt seiner Arbeit auf die grossen Zusammenhänge und nicht auf die Details des operativen Geschäfts. «Das gibt einem zwar grosse Freiheiten, aber manchmal fehlt einem die Ansprechperson für das Alltagsgeschäft.» Darum ist Stegen froh, in COO Urs Jordi einen Ansprechpartner dafür gefunden zu haben.

Firmengründer Fredy Hiestand, der die Firma verlassen hat, meint: «Ich bin der Pioniertyp, der sich gerne auch direkt in die Details der Alltagsproduktion einmischt. Werlé dagegen ist eher der Konzerntyp.»

Werlé hat denn auch Hiestand als Weltkonzern mit KMU-Eigenschaften positioniert: «Wir sind kein Gipfelikönig mehr, sondern ein Konzeptanbieter im Tiefkühlbackwarenbereich.»

Er sieht sich selber als Unternehmer einer KMU, der rasch und flexibel Entscheidungen fällen kann. Im Unterschied zu einem Grosskonzern wie die Swissair. «Dort wurde hinter verschlossenen Türen gearbeitet. Bei Hiestand stehen auch die Türen des CEO offen.» Nur beim Finanzchef gibt es einen Schlüssel.

«Ich bin kein Stubenhocker», sagt Werlé. 40% seiner Arbeitszeit ist er auf Reisen: Er besucht die Hiestand-Filialen in Polen, Malaysia, Japan, Österreich, Singapur oder Deutschland.

Management by Talking

Wenn er am Hauptsitz in Schlieren ist, kann ein typischer Vormittag so aussehen: Um 8 Uhr früh trifft er im «Backmarkt» zu Gipfeli und Kaffee seinen grössten Schweizer Lieferanten zum Erfahrungsaustausch. Den Namen will er nicht nennen. Um 9 Uhr folgt ein Gespräch mit einem externen Controller.

Um 10 Uhr kommt Alain Germiquet, der Geschäftsführer der Schweiz. Germiquet verlässt das Unternehmen und wechselt zu Nestlé. Werlé findet es für den 34-Jährigen einen guten Schritt, Luft bei einem Grosskonzern zu schnuppern. Denn bei Hiestand kann er als Chef des grössten Hiestand-Marktes nicht mehr weiter aufsteigen.

Auf Mitarbeiter eingehen, zuhören, überzeugen: Nach weiteren Gesprächen mit dem Controller, dem Marketing- und dem Finanzchef gleist er mit seiner Assistentin die Organisation des zweitägigen Managementmeetings auf, bei dem Hiestand alle Geschäftsleiter in die Schweiz einfliegen lässt. Zusammen werden sie auch die Hicopain in Dagmersellen besuchen, das Gemeinschaftsunternehmen mit Coop, an dem Hiestand zu 60% beteiligt ist.

Eine Beteiligung, die Hiestand für 2005 einen Wachstumsschub bringen wird. Das Mittagessen lässt Werlé aus: «Ich würde sonst zu dick, da ich immer wieder Backwaren teste und eher auf der süssen Seite bin.»

Wolfgang Werlés

Führungsprinzipien

1. Act on facts.

2. Wir setzen individuelle, aber auch unternehmerische Ziele.

3. Vertrauen schenken und Vertrauen bekommen. Ich gebe sehr viel Freiheiten innerhalb des gesteckten Rahmens, wünsche aber, dass das Vertrauen zurückkommt und nicht missbraucht wird.

Zur Person

Der 1948 in Deutschland geborene Wolfgang Werlé machte zuerst eine kaufmännische Lehre auf dem Flughafen Frankfurt, bevor er das Abitur nachholte und an der Universität Frankfurt Betriebs- und Volkswirtschaft studierte. Sein erster Job war bei der Lufthansa. 1992 holte ihn Philipp Bruggisser nach Kloten und machte ihn zum Geschäftsführer der Gate-Gourmet-Gruppe. Später wurde Werlé Mitglied der Swissair-Konzernleitung, zuständig für die SAirRelations. Kurz vor dem Grounding verliess er die Swissair und wurde im November 2001 zum CEO der Hiestand Group ernannt. Zusammen mit seiner Frau Ingrid und seinen beiden Söhnen (18 und 21 Jahre) wohnt er in Zumikon.