Von der offiziellen Ankündigung, eine Fluggesellschaft aufbauen zu wollen, bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens vergingen neun Monate. Die Beseitigung der Scherben des tollkühnen Projekts Air Switzerland, das die Öffentlichkeit zwischen März und November 2002 auf Trab hielt, hat bereits drei Mal so lange gedauert und ein Ende ist noch nicht in Sicht.

Immerhin: Den Kollokationsplan will der ausseramtliche Konkursverwalter, der Zürcher Rechtsanwalt Urs Bürgi, noch im 1. Halbjahr 2005 auflegen. Insgesamt belaufen sich die Forderungen gegenüber Air Switzerland auf 12,5 Mio Fr. Bereits verwertet sind alle beweglichen Sachen der gescheiterten Airline. Und auch das Reiseportal Beyoo, das Jungunternehmer und Air-Switzerland-CEO Mario Ritter für 100000 Fr. aus dem Konkurs einer Swissair-Tochter heraus erstanden hatte, ist zum zweiten Mal aus einer Konkursmasse herausgekauft worden.

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Verantwortlichkeitsansprüche als Aktivposten

Neue Besitzerin ist die Firma Inelectra AG aus Liechtenstein. Diese wird von Alois Ritter gesteuert dem Vater von Mario Ritter. Er hat auch gleich die IT-Infrastruktur und das Mobiliar aus den Glattbrugger Büroräumlichkeiten von Air Switzerland gekauft. Für Reiseportal, IT-Infrastruktur und Büromöbel zahlte Ritter Senior 200000 Fr. Die Beyoo-Hardware werde von Inelectra für ihr eigenes Internetportal eingesetzt, das die Firma als Internet Service Provider in Liechtenstein betreibt.

Weitere Aktiven der untergegangenen Fluggesellschaft sind für Konkursverwalter Bürgi einmal die Rechte am attraktiven Markennamen Air Switzerland. Erste Interessenten aus dem In- und Ausland hätten bereits Interesse daran bekundet. Das zweite Hauptaktivum sind für Bürgi Verantwortlichkeitsansprüche gegenüber den Organen der Gesellschaft.

Bürgi vermisst etwa einen Businessplan. Da sind ausserdem Ungereimtheiten rund um die Aktienkapitalerhöhung auf 10 Mio Fr., bei der private Einschüsse, die für den Aufbau der Gesellschaft verbraucht worden waren, für die Kapitalerhöhung aktiviert wurden. Ein Revisionsunternehmen bestätigte, dass das neue Aktienkapital gedeckt sei was nicht der Fall war. Die Kapitalerhöhung auf 10 Mio Fr. sollte eine Auflage des Bundesamtes für Zivilluftfahrt erfüllen. Offen ist auch, wo die 37 Mio Fr. geblieben sind, die Air Switzerland auswies, um gegenüber Personal und Vertragspartnern zahlungsfähig zu wirken. Klar ist, «dass es ein Konto gab, auf dem 37 Mio Fr. lagen», sagt Bürgi. Dieses Konto lautet aber nicht auf Air Switzerland AG: «Der präsentierte Kontoauszug war vermutlich gefälscht.» Auf wen das Konto lautete, weiss auch Bürgi nicht. Die UBS beruft sich auf das Bankgeheimnis.

Welche Rolle spielte bei diesen Ungereimtheiten Mario Ritter? Bürgi diplomatisch: «Ritter war geschäftsunerfahren. Aber da gibt es naturgemäss verschiedene Sichtweisen.» Vor einem halben Jahr erschien Mario Ritter zur Einvernahme beim Konkursverwalter und war «so weit kooperativ». Wie hoch schliesslich die Konkursdividende ausfallen werde, vermag Urs Bürgi derzeit nicht zu sagen.

So viel Optimismus ist dem Zürcher Rechtsanwalt Raphael Mullis fremd, der nach eigenen Angaben über 100 Ex-Mitarbeitende vertreten hat, die wegen des Absturzes der Airline zum Teil mit «Fami-lien- und Gesundheitsproblemen» kämpften. Er hat im Namen dreier ehemaliger Air-Switzerland-Angestellter Strafklage gegen die Verantwortlichen wegen Betrugs, Gläubigermisswirtschaft und betrügerischen Konkurses eingereicht. «Es bestehen Befürchtungen, dass der Fall nicht mehr weiter verfolgt wird», sagt Mullis. Schliesslich habe Staatsanwalt Peter Fumasoli ihm 2004 gesagt, dass er «nichts mehr machen» werde. Fumasoli nährt Mullis Befürchtungen, indem er bei Anfragen der «HandelsZeitung» mehrfach auf «nächste Woche» vertröstet, bis ihm plötzlich einfällt, dass er für den Fall nicht zuständig sei.

Ritter nun in Dubai

«Das ist unglücklich gelaufen», sagt Ulrich Arbenz, leitender Staatsanwalt des Bezirkes Winterthur/Unterland: Zuerst ging der Dielsdorfer Bezirksanwalt in Pension, der das Dossier betreute. Im Zuge der Reorganisation der Staatsanwaltschaften im Kanton Zürich kamen die Akten zum Bezirk Winterthur/ Unterland, wo sie erst Mal mit 2000 weiteren unerledigten Fällen parkiert wurden. In der Zwischenzeit ist der Fall Staatsanwältin Eva Laufer zugeteilt, die «in den kommenden Wochen ein polizeiliches Ermittlungsverfahren eröffnen» wird. Sollte sich ein konkreter Verdacht ergeben, werde sie Ritter zur Verhaftung ausschreiben.

Das werde nicht nötig sein, teilt Vater Alois Ritter mit: Mario Ritter «wird der Staatsanwaltschaft selbstverständlich zur Verfügung stehen», auch wenn er derzeit in Dubai wohnt und nur unter einer Postfachadresse in «1111 Dubai, Vereinigte Arabische Emirate» erreichbar ist. Dort arbeite er, so Vater Alois, «temporär mandativ in einer Brokerage Company». Ob das Gerücht wahr sei, das in Kreisen ehemaliger Air-Switzerland-Mitarbeiter herumgeboten wird, wonach Ritter Junior dort verheiratet sei, will Vater Alois «aus persönlichen Gründen nicht beantworten».

Ebenfalls zu hören ist, dass Mario Ritter wieder dabei sei, eine Fluggesellschaft aufzubauen. Diesmal von Deutschland aus. Jedenfalls ist Anwalt Raphael Mullis von einer Person im Herbst 2004 darüber informiert worden, dass Ritter ihn deswegen kontaktiert habe und diesmal sei das Geld vorhanden. Auch Staatsanwältin Eva Laufer hat, von anderer Seite, von den deutschen Airline-Plänen Ritters nach Air-Switzerland-Vorbild gehört. «Diese Information ist wieder einmal ein Gerücht», teilt Vater Alois mit: «Mario Ritter bestätigt mir, dass er in Deutschland keine Kontakte mit irgendwelcher Fluggesellschaft hat.»

Sigvard Wohlwend, Vaduz