Vor zehn Jahren schienen die Chancen unendlich, Hoffungen und Erwartungen in den Direktvertrieb waren bei den Versicherungsgesellschaften riesig. Kundinnen und Kunden sollten ihre Versicherungen möglichst nur noch via Telefon abschliessen. Die rasante Verbreitung des Internet steigerte die Erwartungen ins Unermessliche. Doch mit dem Platzen der Internet-Blase kehrte bei den Gesellschaften Ernüchterung ein.
Veränderungskräfte
«Trotz zahlreicher Initiativen konnte der Direktvertrieb die in ihn gesetzten Erwartungen und Versprechen bis anhin nicht erfüllen», konstatiert auch Walter Ackermann, Professor und geschäftsführender Direktor des Instituts für Versicherungswirtschaft der Universität St.Gallen (I-VW). Ackermann führt dies auf die Funktion und Stellung der personengebundenen Aussendienst-Systeme zurück. «Die Qualität dieser Systeme ist hoch, Änderungen stellen sich deshalb nur harzig ein.» Heute machen Kundenberater mit 80% den Hauptteil der Distribution aus. «Die starke Stellung des Aussendienstes wird noch über Jahre hinweg bestehen bleiben», ist Ackermann überzeugt, obwohl die Distributionsstrukturen aufweichen.
Als eigentliche Veränderungstreiber in der Distributionspolitik ortet Ackermann Regulatorien wie Deregulierung oder elektronische Unterschrift, technologische Fortschritte wie Internet-Durchdringung, Reduktion der Transaktionskosten und hohes Potenzial von online-induziertem Geschäft. Ein exemplarisches Beispiel für diese Änderungen ist die Züritel.
Die Zürich-Tochter gilt als erster Direktversicherer der Schweiz. Zielmarkt war bei der Gründung vor zehn Jahren der «General Market», also die Privatkundschaft, die mit einem hohen Marketingaufwand bearbeitet wurde. Nach drei Jahren zog Züritel jedoch eine ernüchternde Bilanz: «Der Markt war schlicht noch nicht reif für den Verkauf von Versicherungen via Telefon», sagt Tilman Hengevoss, Leiter Kommunikation und Marketing der Zürich Schweiz. Seit 1997 verfolgt Züritel eine Worksite-und-Affinity-Strategie. Darunter wird die Zusammenarbeit mit Unternehmen (Worksite) und bedeutenden Verbänden (Affinity) verstanden. Offensichtlich mit Erfolg. Hengevoss: «Bis heute ist das Wachstum zur rund zwei Dritteln aus diesem Privatkundensegment und zu einem Drittel aus dem allgemeinen Markt generiert.»
Dabei setzt Züritel auf einen Multi-Channel-Ansatz: Die Kundinnen und Kunden wählen selber, wie und wann sie mit der Gesellschaft Kontakt aufnehmen. 50% tun dies übers Telefon, 30% per Internet, und nur 20% bevorzugen den Weg über die Post. Zudem stehen ihnen die 26 Help-Points der Zürich offen. Und im Call-Center steht die Beratung im Vordergrund und nicht der Verkauf.
Neue Vertriebsmodelle
Derzeit wird bei Züritel die Phase drei umgesetzt, die bis 2009 gelten soll. Sie beinhaltet neben dem Festhalten am bisherigen Worksite- und Affinity-Geschäft die Wiederbearbeitung des ursprünglichen Zielmarktes «General Market». Um diesmal einen Erfolg zu sichern, steht die Entwicklung einer neuen Technologieplattform zuoberst auf der Prioritätenliste von Hans-Jürg Bernet, CEO der Zürich Schweiz. Zudem plant er die Entwicklung neuer Vertriebsmodelle in Form von Partnerschaften. Bei Hausratversicherungen beispielsweise mit Immobiliengesellschaften oder bei Motorfahrzeugversicherungen mit Autoimporteuren.
Der Mix bringts
Das Online-Geschäft wird entsprechend auch in Zukunft für Züritel eine grosse Rolle spielen. Die höchste Affinität zum Internet haben erwerbstätige Männer aus städtischen Gebieten mit höherer Schulbildung und höherem Einkommen. «Das ist genau unsere Hauptzielgruppe», freut sich Zürich-Schweiz-Chef Bernet. Entsprechend will er im Online-Geschäft nichts anbrennen lassen, auch wenn der personelle Vertrieb «in den nächsten Jahren der wichtigste Absatzkanal bleiben wird».
Weil Kundinnen und Kunden auch im Versicherungsgeschäft verstärkt mehrere Vertriebskanäle nutzen dürften, sieht I-VW-Direktor Walter Ackermann die grössten Chancen im Anbieten entsprechender Anlaufstellen. Der persönliche Verkauf wird nach wie vor stark dominieren. In lukratives Geschäft umsetzen lässt es sich aber nur, wenn der Mix aus Sicht der Kundschaft stimmt. Potenzial liegt vor allem in der optimierten Nutzung des Internet zur Information für den Kauf von Versicherungen. Ackermann: «Hier sollte angesetzt werden, und nicht etwa im Versuch, übers Internet Abschlüsse zu erreichen. Dafür ist der persönliche Kontakt besser geeignet.» Sein Erfolgsrezept lautet entsprechend:
nDistributionsmanagement zielt gleichzeitig auf Leistungsindividualisierung und Leistungsautomatisierung; eine Multi-Kanal-Strategie ist eine nahe liegende Antwort auf diese Herausforderung.
Kostengünstige Lösungen wie Call-Center und Internet gewinnen an Bedeutung.
Trotz allem, so Ackermanns Einschätzung, dürften personale Aussendienst-Systeme überleben, wenn sie als Teil der Marktleistung wahrgenommen werden, wenn die Marketingstrategie auf langfristige, umfassende Kundenbeziehungen setzt und wenn dieses Konzept in ein Multi-Kanal-System eingebettet ist. Alles in allem also gute Nachrichten.