Der Konzern ist die Nummer eins auf dem Weltmarkt im Bereich Füllstoffe und Pigmente auf der Basis von Calciumkarbonat. Das verschwiegene Familienunternehmen besitzt rund um den Erdball weit über 100 Bergwerke und Gesteinsmühlen, eine eigene Hochseeflotte, tausende von eigenen Eisenbahnwaggons und Transportlastwagen - ein Konzernreich, in dem die Sonne nie untergeht. Und trotzdem kennt kaum jemand Max Schachenmann, der die geheimnisumwobene Omya-Gruppe führte.

Am 12. März 2005 ist der Pionier im Alter von 89 Jahren gestorben. Bereits 1941 hat er nach dem plötzlichen Tod seines Vaters die Leitung von Plüss-Staufer übernommen. Mehr als 60 Jahre lang hat er die Firma an straffen Zügeln geführt und sie unter dem Namen Omya an die Weltspitze gebracht.

*Auf Reichstenliste gestrichen*

Die Zügel hat er auch in den Händen behalten, nachdem er seine beiden Söhne Max André und Eric ins Exekutivboard befördert hatte und den ältesten Sohn

Max André als CEO bestimmt hat. «Wir sind alle geschockt über den Tod, er war ein Fels in der Brandung», sagt spontan eine Mitarbeiterin in der Konzernzentrale in Oftringen. Und möchte sich wegen dieser Äusserung am liebsten die Zunge abbeissen.

Denn bei Omya gilt es als Tabu, über deren Besitzer zu sprechen. Nicht umsonst gab die englische Wirtschaftspresse dem verschwiegenen Schweizer Unternehmer den Spitznamen «Silence» - frei nach Sergio Corbuccis Italowestern «Il grande Silenzio». Dem Milliarden schweren Schachenmann-Clan ist es sogar gelungen, von der «Bilanz»-Liste der reichsten Schweizer und von der «Forbes»-Liste der globalen Milliardäre gestrichen zu werden. Wer genügend Geld hat, hat auch die Macht, seine Privatsphäre zu schützen.

Dabei hat Max Schachenmann eine unternehmerische Leistung mit Lehrbuchcharakter vollbracht. Weitsichtig setzte er nach dem Zweiten Weltkrieg auf neutrales Kalziumkarbonat als Füllstoff, mit dem sich in der Papierindustrie das saure Kaolin ersetzen lässt. Dazu brauchte er Bergwerke, in denen seine Firma Kalk, Marmor und Kreide in höchster Qualität abbauen darf.

Sein Erfolgsgeheimnis war aber das selbst erarbeitete Know-how bei der Verarbeitung dieser Rohstoffe: In 20-jähriger Arbeit entwickelten seine Forscher eine eigene Technologie, um das Kalziumkarbonat bis auf die Partikelgrösse eines Tausendstelmillimeters zu verfeinern, diese in einer Flüssigkeit in der Schwebe zu halten und damit den «Slurry» zu schaffen - eine Kalkmilch in homogener Qualität, die über weite Strecken transportiert werden und kostengünstig umgeschlagen werden kann. Folgerichtig baute Schachenmann eine eigene Logistik-Kette auf, mit der jährlich rund 30 Mio t Slurry und Pigmente aus den Omya-Werken just in time zu den weltweit verstreuten Kunden aus der Papierindustrie gebracht werden.

Finanziert hat Schachenmann den Sprung an die Weltspitze vor allem mit dem Chemiehandel. Er konnte sich vom deutschen Chemiegiganten Hoechst das Recht sichern, deren Produkte exklusiv auf dem Schweizer Markt abzusetzen. Ähnliche Verträge folgten mit weit über 50 anderen ausländischen Firmen. Im Nachkriegsboom liess sich im undurchsichtigen Handel mit Agrochemikalien, Lacken, Farben, Kunststoffen und Pharmaprodukten viel Geld verdienen - genug, um die weltweite Expansion der Füllstoffproduktion als unabhängige Familienfirma aus eigener Kraft zu finanzieren.

Max Schachenmann brauchte nicht nur viel Eigenkapital, sondern auch einen langen Atem für den Erfolg. Die Zusammenarbeit mit der Papierindustrie beginnt oft lange bevor überhaupt eine Papierfabrik steht, denn die Investitionen in eine neue Produktionsstätte sind riesig und verlangen ein präzises Zusammenspiel aller Beteiligten. Sobald die Maschinen angelaufen sind, herrscht 24-Stunden-Betrieb. Deshalb verlangen die Papierfabrikanten Liefersicherheit von ihren Slurry-Lieferanten: Wenn eine Papiermaschine eine Stunde lang stillsteht, kostet das rasch einmal 50000 Dollar.

*Verschwiegenheit als Prinzip*

Im Bergbau wird nicht nur ein langer Atem, sondern zudem auch Verschwiegenheit verlangt: Bergbau-Konzessionen werden für einen Zeitraum von 20 bis 30 Jahre ausgerichtet und bewegen sich in einem politisch sensiblen Umfeld, in dem Zuverlässigkeit und Diskretion verlangt werden. «Für uns ist Öffentlichkeitsarbeit nicht relevant», sagt ein Omya-Kadermann, der anonym bleiben möchte. «Wir sind ausschliesslich unseren Kunden, den involvierten Behörden und der nächsten Umgebung unserer Werke verpflichtet.»

Tatsächlich gelangte Omya selten in die Schlagzeilen, meistens nur in der Lokalpresse: 1985 kämpfen Hausbesitzer im kalifornischen Lucerne Valley gegen eine Bergbaukonzession von Omya, 1995 sind es französische Weinbauern aus Südfrankreich, die gegen die geplante Erweiterung eines Omya-Werkes in Vingrau protestierten. 2003 versuchen Umweltorganisationen in Neuseeland die Erweiterung einer Omya-Konzession zu verhinden, und 2004 kämpfen Anwohner in der Nähe eines Omya-Werkes in den kanadischen Lanark Highlands gegen eine neue Werkstrasse.

Die meisten Konflikte spielten sich in wirtschaftlich schwachen Regionen ab, wo Arbeitsplätze rar sind. Da brauchte es für einen Multi wie Omya stets wenig, um die Opposition auszuhebeln: Meistens genügte die Andeutung der lokalen Omya-Manager, man könnte das betroffene Werk schliessen oder an einen anderen Ort verlegen. Einzig der Protest der französischen Weinbauern wirbelte in der Schweiz etwas Staub auf. Der legte sich aber bald wieder: Einmal mehr hatte Max Schachenmann einen öffentlichen Konflikt durch Schweigen ausgesessen.

*Hart, fair und bescheiden*

Als Segelflieger der Meisterklasse hatte der Patron gelernt, stürmischen Winden mit möglichst wenig eigenen Angriffsflächen und geduldigem Ausharrungsvermögen auszuweichen. Eine Eigenschaft, die sich auch auf seine 6000 Mitarbeitenden niedergeschlagen hat. «Bei uns hat man kein Bedürfnis, sich zu profilieren», sagt der Kadermann, «wir haben viele Leute, die ihre ganze Karriere lang bei uns bleiben.» Hart im Geschäften sei ihr oberster Chef gewesen, aber fair und bescheiden im Auftreten. Max Schachenmann machte es selber im Alltag vor: Das Lieblingsmenü des Milliardärs bestand aus einer kleinen Portion Geschnetzeltem mit Rösti. Begleitet von Mineralwasser.

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