Beim Stillen von Säuglingen ist der Gedanke ans Geschäftemachen nicht sehr nahe liegend. Eher fern liegt es auch, das Steuerparadies Kanton Zug als idealen Produktionsstandort zu sehen. Doch das 208-Mio-Fr.-Unternehmen Medela durchkreuzt die gängigen Gedankenschienen: Denn für das heuer 40-jährige Medizinalunternehmen ist Baar ein rentabler Hauptproduktionsstandort für Brustpumpen.
Bemerkenswert: Haben Konzerne wie Lego ihre Produktion aus dem Kanton abgezogen, hat Medela erst letztes Jahr ein neues Produktionswerk eröffnet. Der Mann an der Spitze des auf Mütter fokussierten Unternehmens, Urs Tanner, ist trotz Billigkonkurrenz aus Asien von den Vorteilen der Schweiz als Produktionsstandort überzeugt: «In den nächsten drei bis fünf Jahren bleibt der Produktionsstandort sicher hier», sagt er. Die Qualität der Arbeitskräfte, der soziale Frieden, die zuverlässige Infrastruktur sowie die Tatsache, dass sich aktiv mit den Behörden vor Ort reden lasse, sprächen für Baar. Für ein Unternehmen, das von der Emanzipation der Frauen profitiert unter anderem von Müttern, die nach der Geburt in Erwerbsleben zurückkehren , ist Medela entsprechend frauenfreundlich: Für die gut 160 Angestellten in Baar gibt es einen Stillraum, sehr viele Angestellte arbeiten Teilzeit, und zudem bekleiden viele Frauen Schlüsselfunktionen. «Als Macho könnten sie hier nicht auftreten», erklärt Tanner.
Aufstieg zum Weltmarktführer
Medela vertreibt die Brustpumpen und Stillhilfen in sanften Gelbtönen inzwischen via zwölf Niederlassungen auf drei Kontinenten und durch 90 Vertriebspartner. Weltweit beschäftigt sie über 600 Angestellte. Der Einstieg ins Brustpumpengeschäft war mehr oder weniger ein Glücksfall. Der Schwede Olle Larsson gründete 1961 in Zug das Handelsunternehmen Medela (mechanische, elektrische Apparate), das Spital-, Haushalt- und Industriebedarf vertrieb. Drei Jahre später wurde dieses in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. 1980 brachte Medela die erste selber entwickelte Brustpumpe auf den Markt. Medela befindet sich weiterhin im Besitz der Familie Larsson. Mitte der 90er Jahre ist das Zuger Unternehmen zum Weltmarktleader geworden. Inzwischen ist der Baarer Konzern ein Hightech-Medizinunternehmen geworden, das 86% seines Umsatzes mit Stillhilfeprodukten und den Rest mit Saugpumpen erzielt. Die Unique Selling Proposition von Medela ist neben dem Qualitätsruf die Pumptechnik, die sie entwickelt hat. Das neuste Produkt etwa heisst Swing und ist eine portable Brustpumpe mit einem Zwei-Phasen-Pump-Programm, das das Saugen der Säuglinge imitiert und ideal ist zum Abpumpen der Muttermilch unterwegs oder zuhause. Die Grundlagenforschung für die Pumptechnik wurde an der University of Western Australia (Perth) erarbeitet. «Die Stillforschung ist nicht so alt wie die Menschheit», führt Tanner aus. Die Australier besässen das grösste Knowhow.
Bei medizinischem Personal am bekanntesten ist die stationäre Brustpumpe Symphony, die vor allem in Spitälern benutzt wird. Während in den USA das portable Modell am besten verkauft wird, da viele Mütter bald nach der Geburt wieder arbeiten, so ist es bei den Europäerinnen noch vermehrt die Hand-Brustpumpe oder die Mini Electric zum Abpumpen zuhause. «Auch auf dem Europamarkt mit immer mehr berufstätigen Müttern wird die Nachfrage nach portablen elektrischen Pumpen zunehmen», ist Tanner überzeugt. Der weltweite Trend zum Stillen, unterstützt durch die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Babys in den ersten sechs Monaten nach der Geburt ausschliesslich mit Muttermilch zu ernähren, birgt für das Baarer Unternehmen Marktpotenzial. Selbst in Ländern wie der Schweiz, wo die Geburtenrate leicht rückläufig ist, nimmt die Stillrate weiter zu.
Tanner ist überzeugt, dass das jährliche Umsatzwachstum zwischen 5 und 20% auch in den nächsten fünf Jahren anhalten wird. Der ausgebildete Werkzeugmacher, der Medela nun seit zehn Jahren vorsteht, will nicht nur geografisch weiter expandieren und Tochtergesellschaften gründen. Für das hochmargige medizinische Nischenprodukt öffnen sich zudem weitere Nischen: Tanner sieht die Zunahme der Frühgeburten in industrialisierten Ländern als Chance für Medela, weil dadurch die Nachfrage nach qualitativ hoch stehenden Pumpen steigt.
Vom Stillen in den OP
Die Medela-Brustpumpen sind für verschiedene medizinische Bedürfnisse anpassbar: Der Trick ist ein Pumpprogramm, das auf einer Chipkarte gespeichert ist und dem Mikroprozessor in der Pumpe die nötigen Informationen liefert. Je nach erforderlicher Pumptechnik können andersartig programmierte Chipkarten benutzt werden.
Die Saugtechnik bei Medela beschränkt sich aber nicht auf Brustpumpen. In Baar werden auch Pumpen für medizinische Anwendungen im Operationssaal hergestellt. Tanner: «Neben diesen allgemeinen Anwendungen konzentrieren wir uns vermehrt auf Nischen wie die Thoraxdrainage. Diese ist nach chirurgischen Eingriffen am Brustkorb, etwa nach Herz- oder Lungenoperationen, notwendig.» Die Sauggeräte steuerten bisher 8% zum Umsatz bei. Da sie aber auch bei modernen Zivilisationskrankheiten wie Krebs zur Anwendung kommen, sieht Tanner hier weiteres Potenzial. Bekannt bleiben wird Medela den Normalbürgern aber noch lange im Zusammenhang mit den Brustpumpen. Die Firma macht zwar auf Understatement. Doch Tanner weiss: «Die Chancen, dass stillende Mütter auf Medela stossen, sind hoch.» Medela ist nämlich nicht nur marktführend, sondern mit einem Anteil von 80% in der Schweiz auch marktdominant.
Firmen-Profil
Name: Medela AG, Zug
Gründung: 1961 durch Olle Larsson in Zug
Umsatz: 208 Mio Fr. (2004).
Beschäftigte: 600
Niederlassungen: USA, Japan, Kanada, Europa
CEO: Urs Tanner
Produkte: Brustpumpen und Stillprodukte für Spital- und Heimbedarf, Saugtechnik vor allem für den Operationssaal, Produkte zur Behandlung von Neugeborenen-Gelbsucht
Kunden: Krankenhäuser, Heimpflege, Apotheken, Drogerien
Internet: www.medela.ch