Nachdem die erste Welle der Einkaufsoptimierung in den 90er Jahren und zu Beginn dieses Jahrtausends erhebliche Einsparungen ermöglicht hat, beschränken sich heute viele Einkäufer darauf, den bestehenden Einkaufsprozess zu managen. Vor allem bei komplexen Beschaffungsgruppen und Lieferantenstrukturen bleiben daher Sparpotenziale ungenutzt. Denn klassische Verhandlungstechniken stossen in diesen Fällen an Grenzen.

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Collaborative Sourcing (CS) kann hier ein sinnvoller Weg sein. CS ist ein neuer Ansatz der flexiblen Ausschreibung und ermöglicht, die Kosten einzelner Entscheidungsparameter sichtbar und damit einer faktenbasierter Analyse zugänglich zu machen. Je nachdem lassen sich so nochmals erhebliche Einsparungen realisieren.

Motivation für Kreativität

Ein Beispiel: Die Einkaufsabteilung eines Chemiekonzerns mit Standorten in ganz Europa steht vor der Herausforderung, Sparpotenziale im Einkauf der Transportdienstleistungen zu realisieren. Bislang belaufen sich die Transportkosten auf rund 40 Mio Fr. jährlich, Tendenz steigend. Demgegenüber stehen die Spediteure, deren geringe Margen im Bereich von 1 bis 3% kaum mehr Spielraum für Preissenkungen bieten – insbesondere in einem Umfeld, das durch steigende Treibstoffpreise, Schwerverkehrsabgaben und immer höhere Verkehrsdichte charakterisiert ist.

Erschwerend hinzu kommt, dass das Einkaufsteam kaum Transparenz über den komplexen Beschaffungsprozess hat. Es ist unklar, welche Abteilung im Unternehmen welche Transportleistung benötigt oder was zwingend erforderlich und was bloss «nice to have» ist. Weiter fehlen Daten bezüglich Kapazität, Auslastungsgrad und Standorten der Spediteure.

Beim Aufbau einer idealen Ausschreibung ist es demgegenüber nötig, die eigenen Anforderungen mit der Leistungsfähigkeit der Lieferanten abzustimmen. Nur so lässt sich das bestmögliche Vergabeszenario ermitteln. Dass traditionelle Beschaffungsansätze oft zu kurz greifen, liegt an mehreren Faktoren: Sie gehen von unflexiblen Angebotsstrukturen aus, erfassen die Lieferantenfähigkeiten nicht optimal und lassen zudem nur eingeschränkte, meist preisfokussierte Analysen zu.

Zudem sind traditionelle Ansätze fast nie in der Lage, die Kosten unternehmensinterner Vorgaben umfassend zu berücksichtigen. Denn die Analyse von Alternativszenarien bei komplexen Beschaffungsgruppen ist aufwendig. Oft fehlen dafür Kapazitäten und analytische Tools.

Bei diesem Dilemma setzt das Collaborative Sourcing an. Die flexible Methode der Angebotseinholung folgt dem Grundsatz, dass die Lieferanten ihr Angebot nicht nur auf die in der Ausschreibung fixierten Kriterien ausrichten müssen, sondern alternativ auch ihre individuelle Leistungsfähigkeit und Interessenslage einbringen können. Dies motiviert die Lieferanten, sich mit den spezifischen Anforderungen der Ausschreibung auseinanderzusetzen und dem Auftraggeber innovative, kreative Angebote zu unterbreiten.

Bevor dies geschehen kann, muss das auftraggebende Unternehmen aber selbst systemtisch erfassen, welche Anforderungen gelten und welches Gewicht Faktoren, abgesehen vom Preis, zukommt. Zu nennen sind hier beispielsweise Lieferfristen, Kapazitäten, Single-Point of Contact, Flexibilität oder CO2-Ausstoss.

Sind die Anforderungen aus der Organisation und die Möglichkeiten der potenziellen Lieferanten sauber erfasst, wird ein Optimierungs-Tool eingesetzt. Dieses ermöglicht die effiziente und realitätsnahe Modellierung der Rahmenbedingungen für die Auftragsvergabe. So lassen sich alle unter den gegebenen Rahmenbedingungen in Frage kommenden Vergabeszenarien berechnen. Insbesondere erlaubt der Optimierungsprozess, die Kosten von Trade-offs wie etwa der Variierung der Anzahl Lieferanten, abgestuften Lieferzeiten für verschiedene Geschäftseinheiten oder unterschiedlichen Vorgaben für den CO2-Ausstoss zu berechnen. Damit schafft Collaborative Sourcing volle Transparenz bezüglich der Mehrkosten, welche den Entscheid zugunsten der einen oder anderen Variante zur Folge hätte.

Weisse Flecken auf der Karte

Definierte also die eingangs erwähnte Chemiefirma in der Ausschreibung, dass für ganz Westeuropa mit nur einem Spediteur zusammengearbeitet werden soll, würde sie ihren Handlungsspielraum schon beträchtlich einschränken. Denn jeder Anbieter wird einen weissen Fleck auf der Landkarte haben, den er nur durch einen Subunternehmer abdecken kann. Dies wiederum reduziert seine eigene Marge respektive erhöht die Kosten.

Würde der Chemiekonzern aber die se Anforderung gemäss Collaborative Sourcing aufweichen, würde jeder Spediteur nur für die Länder offerieren, die er mit seiner eigenen Flotte abdecken kann. Da er den Gewinn mit niemandem teilen muss, würde er einen besseren Preis bieten können. Deckte der Chemiekonzern die noch fehlenden Länder durch einen zweiten oder dritten Anbieter mit eigener Flotte ab, würde insgesamt ein attraktiveres Angebot resultieren.

Volle Kostentransparenz

Spielt man nun in der Optimierung alle Möglichkeiten und massgeblichen Parameter der Spediteure durch, erkennt man die kostensteigernden Effekte von zusätzlichen Be- und Entladungspunkten oder Nachtfahrten und die Preisnachlässe, die sich beispielsweise durch einen grösseren Spielraum bei Lieferzeiten oder die Bündelung von Transportflüssen ergeben. So kann das Einkaufsteam unterschiedliche Vergabebedingungen definieren und erhält für jedes Szenario die volle Kostentransparenz.

Durch die partnerschaftliche Nutzung der Lieferantenfähigkeiten trägt der Einkauf zu weiteren Kosteneinsparungen bei.

Gestützt auf Erfahrungen aus der Beratungspraxis, beträgt das Einsparpotenzial durch Collaborative Sourcing allein im Transportbereich bis zu 14%. Neben der Logistik sind weitere komplexe Kategorien wie Verpackungsmaterial, Betriebsmittel und Instandhaltung, Marketing oder Telekommunikation für diesen Ansatz geeignet. Es ist also durchaus noch Potenzial im Einkauf vorhanden.